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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 31.03.2016, Az.: I ZB 76/15
Treffen einer bestimmten tatsächlichen Feststellung durch das Schiedgericht in einem ausländischen Schiedsspruch; Auslegung des Schiedsspruchs ohne Rückgriff auf das anwendbare ausländische Recht durch das Rechtsbeschwerdegericht
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 31.03.2016
Referenz: JurionRS 2016, 21261
Aktenzeichen: I ZB 76/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:310316BIZB76.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Brandenburg - 24.07.2015 - AZ: 11 Sch 2/13

Fundstellen:

BB 2016, 1922

JZ 2016, 650-651

MDR 2016, 1165

NJW-RR 2016, 1467-1469 "Aufrechnungseinwand"

RIW 2017, 68-71

WM 2016, 1706-1710

BGH, 31.03.2016 - I ZB 76/15

Amtlicher Leitsatz:

ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1065 Abs. 1 Satz 1

Geht es allein um die Frage, ob das Schiedsgericht in einem ausländischen Schiedsspruch eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht den Schiedsspruch regelmäßig ohne Rückgriff auf das gegebenenfalls anwendbare ausländische Recht selbst auslegen.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 147.627,96 €

Gründe

1

I. Wegen offener Rechnungen aus der Lieferung gerippter Stähle leitete die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (nachfolgend: C. S.A.) gegen die Antragsgegnerin ein Schiedsverfahren vor dem Schiedsgericht bei der Landeswirtschaftskammer Warschau ein. Sie begründete ihre Forderung mit den Verträgen Nr. PL/272819315/DE070495 und PL/272819315/DE070496 vom 10. Oktober 2007, die in Englisch abgefasst waren.

2

Nachdem das Bezirksgericht Czestochowa und das Berufungsgericht Katowice die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestätigt hatten, verurteilte es die Antragsgegnerin dazu, 147.627,96 € zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten einschließlich der Kosten für die Prozessvertretung der Schiedsklägerin an die C. S.A. zu zahlen.

3

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs hatte vor dem Bezirksgericht Czestochowa und dem Berufungsgericht Katowice keinen Erfolg.

4

Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vor dem Oberlandesgericht hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die Forderung der C. S.A. sei durch Aufrechnung erloschen. Die von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren zur Begründung ihrer Forderung vorgelegten Einzelverträge hätten sich auf Teillieferungen aus einem zwischen dieser und der C. S.A. am 10. Oktober 2007 abgeschlossenen Globalvertrag bezogen. Die mit Telefax vom 30. November 2007 abgerufenen Restmengen aus dem Globalvertrag habe die C. S.A. auch nach anwaltlicher Aufforderung nicht geliefert. Die Antragsgegnerin sei deshalb vom Vertrag zurückgetreten und habe für einen erforderlichen Deckungskauf Mehrkosten in Höhe von 256.425 € aufwenden müssen. Dieser Betrag stehe ihr als Schadensersatz von der C. S.A. zu. Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 habe die Antragsgegnerin gegen die Hauptforderung der C. S.A. die Aufrechnung mit einem entsprechenden Teilbetrag des Schadenersatzanspruchs erklärt. Der Aufrechnungseinwand sei im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung zu prüfen, weil sich das Schiedsgericht und die staatlichen Gerichte in Polen für unzuständig gehalten hätten, darüber zu entscheiden.

5

Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Es hat den Aufrechnungseinwand der Antragsgegnerin zurückgewiesen, weil das Schiedsgericht mit bindender Wirkung festgestellt habe, die Antragsgegnerin habe den Abschluss des Globalvertrags nicht bewiesen.

6

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.

7

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet.

8

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör.

9

a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763[BVerfG 04.08.2004 - 1 BvR 698/03]; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4; Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 [BGH 29.10.2015 - V ZR 61/15] Rn. 7). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht. Setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander, sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, NJW-RR 2016, 78 [BGH 29.10.2015 - V ZR 61/15] Rn. 7 [BGH 29.10.2015 - V ZR 61/15] mwN).

10

b) So verhält es sich hier. Das Oberlandesgericht hat sich mit dem wesentlichen Kern des Vortrags nicht erkennbar befasst, mit dem die Antragsgegnerin substantiiert der Auffassung entgegengetreten ist, das Schiedsgericht habe den Abschluss des Globalvertrags nicht für bewiesen erachtet.

11

aa) Der Aufrechnungseinwand war das zentrale Verteidigungsmittel der Antragsgegnerin gegen den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Ausführungen der Antragsgegnerin zum Aufrechnungseinwand hat das Oberlandesgericht dementsprechend im tatbestandlichen Teil der Gründe des angefochtenen Beschlusses breiten Raum gewidmet.

12

bb) Im Hinweisbeschluss vom 16. April 2015 hat das Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, die Aufrechnungsforderung stehe der Antragsgegnerin nicht zu, weil das Schiedsgericht mit bindender Wirkung festgestellt habe, dass die Antragsgegnerin den von ihr behaupteten Abschluss eines Globalvertrags zwischen ihr und der C. S.A. nicht bewiesen habe. Dafür hat sich das Oberlandesgericht allein auf folgende Textpassage unter XII. des Schiedsspruchs gestützt: tigten, englischsprachigen Verträge beziehen, deren Existenz die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt habe. Hierin könne keine bindende Entscheidung des Schiedsgerichts über die Frage erkannt werden, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei.

... die Forderung, dass dieses Gericht doch über diese Sache und in diesem Umfang erkennt, ist nicht nur inkonsequent, sondern auch unmöglich, da die Beklagte nach Ansicht des hiesigen Gerichts nicht bewies, dass die vertraglichen Beziehungen der Parteien in Wirklichkeit durch den Allgemeinen Vertrag (gemeint ist der Globalvertrag) gestaltet wurden ...

13

Wie die Rechtsbeschwerde darlegt, hat sich die Antragsgegnerin mit 13 Schriftsatz vom 20. Juli 2015 ausführlich gegen diese Auslegung des Schiedsspruchs durch das Oberlandesgericht gewandt. Sie hat geltend gemacht, die vom Oberlandesgericht angeführte Textpassage könne in der Gesamtschau der Ausführungen des Schiedsgerichts nicht als bindende Feststellung über das Zustandekommen des Globalvertrags gewertet werden. Zu Beginn des Absatzes, aus dem die fragliche Textpassage stamme, habe das Schiedsgericht ausgeführt:

Das hiesige Gericht ist nicht zuständig, den Allgemeinen Vertrag (gemeint ist der Globalvertrag), darunter seinen eventuellen Abschluss und den Rücktritt durch die Beklagte sowie die Folgen der Vornahme solcher Handlungen zu beurteilen. Der Inhalt der Schiedsklausel, die als Grundlage der Zuständigkeit des Gerichts in der vorliegenden Sache gilt, bezieht sich ausdrücklich nur auf Rechtsverhältnisse, die sich aus den zwei o. g. Verträgen vom 10. Oktober 2007 ergeben und bezieht sich keinesfalls (kann nicht erstreckt werden) auf Rechtsverhältnisse aus anderen Verträgen.

14

Die Antragsgegnerin hat weiter die Schlusspassage des Absatzes zitiert, der die vom Oberlandesgericht herangezogene Aussage des Schiedsgerichts enthält, und die lautet:

Auch die Behauptung der Beklagten über den angeblichen Konflikt der von ihr und von der Klägerin angewendeten Vertragsmuster war im Hinblick auf fehlende faktische und rechtliche Grundlagen zu verwerfen. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Anlage zu den Verträgen vom 10. Oktober 2007 die von der Klägerin angewandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellen, die, wie oben ausgeführt, von der Beklagten ausdrücklich akzeptiert wurden. Durch ihre wirksame Eingliederung in die geschlossenen Verträge kann von einem Musterkonflikt im Sinne des Art. 385 § 1 Zivilgesetzbuch keine Rede sein. In dem Fall, wenn die beiden Geschäftspartner damit einverstanden waren, dass in den nicht geregelten Angelegenheiten das Vertragsmuster eines von ihnen anwendbar ist, werden die Parteien auch durch dieses Muster gebunden.

15

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, danach sei für das Schiedsgericht allein maßgeblich gewesen, dass die Antragsgegnerin an die Schiedsgerichtsvereinbarung in den zwei Verträgen vom 10. Oktober 2007 gebunden war. Auf die Frage, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei oder eine Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin bestehe, sei es dem Schiedsgericht nicht angekommen. Letztlich könne das Schiedsgericht nicht über etwas mit Bindungswirkung entschieden haben, wenn es sich selbst für unzuständig gehalten habe. Soweit das Schiedsgericht in der vom Oberlandesgericht herangezogenen Passage dann meine, die Antragsgegnerin habe nicht bewiesen, dass die vertraglichen Beziehungen durch den Globalvertrag gestaltet würden und nicht - wie das Schiedsgericht meine - ausschließlich durch die Verträge vom 10. Oktober 2007, könne sich dies nur auf die ausgefer

16

Ferner hat sich die Antragsgegnerin auf das Urteil des Berufungsgerichts Katowice vom 31. Januar 2012 im Aufhebungsverfahren bezogen und daraus folgende Passage (Seite 10 der Übersetzung) angeführt:

Das Bezirksgericht hat auch die Ansicht des Schiedsgerichts geteilt, dass es für die Prüfung des Aufrechnungseinwands bzw. dessen Wirksamkeit nicht zuständig war. ... Die Beschwerdeführerin hat nicht nachgewiesen, dass die Forderung, die sie aufrechnen wollte, sich aus den Verträgen PL/272819315/DE070495 und PL/272819315/DE070496 ergeben hat. Sie hat nur ausgeführt, dass ihre Forderung wegen der Kosten der Ersatzbeschaffung entstanden ist. Das Schiedsgericht konnte somit zur Wirksamkeit der abgegebenen Aufrechnungserklärung keine Stellung nehmen, sofern die Forderung der Schiedsvereinbarung nicht unterlegen hat.

... Das Bezirksgericht hat die durch den Schiedsrichter P. U. in der Begründung des Sondervotums geäußerte Ansicht geteilt, dass "es dabei ohne Bedeutung ist, ob der Rahmenvertrag, auf den sich die Beklagte beruft, besteht oder nicht oder ob er auf die streitgegenständlichen Verträge Anwendung gefunden hat."

17

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, diese Ausführungen des Berufungsgerichts könnten ebenfalls nur so verstanden werden, dass nicht über die Frage entschieden worden sei, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei oder nicht. Auch für die ordentlichen Gerichte in Polen seien nur die zwei Verträge in englischer Sprache maßgeblich gewesen.

18

cc) Das Oberlandesgericht geht auf den ausführlichen und erheblichen Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 20. Juli 2015 inhaltlich in keiner Weise ein. Es beschränkt sich insoweit vielmehr auf die Aussage, der Senat vermöge die vertiefte Darlegung der Auslegung des Schiedsspruchs im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20. Juli 2015, auf den wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens Bezug genommen werde, nicht zu teilen. Mit dieser Behandlung des substantiierten Vortrags der Antragsgegnerin zu der zentralen Frage des Verfahrens, die jede inhaltliche Auseinandersetzung vermissen lässt, hat das Oberlandesgericht den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Das Oberlandesgericht hätte ausdrücklich auf die differenzierten Erwägungen der Antragsgegnerin zu der Passage des Schiedsspruchs eingehen müssen, auf deren keineswegs eindeutigen Wortlaut es sich für seine Entscheidung maßgeblich stützen wollte.

19

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

20

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung über die gesetzlichen Aufhebungsgründe hinaus sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zulässig. Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein, das heißt bei einer Aufrechnung darf die Aufrechnungslage nicht bereits während des Schiedsverfahrens bestanden haben. Letzteres gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr ist die Aufrechnung auch mit einer vor Abschluss des Schiedsverfahrens entstandenen Forderung möglich, wenn der Schuldner schon vor dem Schiedsgericht aufgerechnet oder den Aufrechnungseinwand erhoben hat, das Schiedsgericht aber über die zur Aufrechnung gestellte Forderung - zum Beispiel mit der Begründung, es sei für diese nicht zuständig - nicht befunden hat. Wenn ein Schiedsgericht sich der Entscheidung über die Aufrechnung enthält, steht nichts im Wege, den Aufrechnungseinwand vor dem ordentlichen Gericht zu wiederholen, gleichviel ob das Schiedsgericht mit Recht oder Unrecht nicht auf die Aufrechnung eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 30. September 2010 - III ZB 57/10, NJW-RR 2011, 213 Rn. 8 = SchiedsVZ 2010, 330 mwN).

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b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es den von der Antragsgegnerin erhobenen Aufrechnungseinwand in eigener Zuständigkeit zu prüfen hatte.

22

Das Schiedsgericht hatte seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Aufrechnung verneint. Zutreffend hat es das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang für unerheblich gehalten, ob die Antragsgegnerin einen etwa vom Schiedsgericht bei ihr angeforderten Kostenvorschuss für die Aufrechnung nicht eingezahlt hatte. Auch wenn sich das Schiedsgericht schon deshalb und unabhängig von der Verneinung seiner Zuständigkeit zu Recht nicht zur Entscheidung über die Aufrechnung befugt gehalten haben sollte, wäre der Aufrechnungseinwand im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen. Es kommt nicht darauf an, ob das Schiedsgericht zu Recht oder zu Unrecht eine Entscheidung über die Aufrechnung abgelehnt hat (BGH, NJW-RR 2011, 213 [BGH 30.09.2010 - III ZB 57/10] Rn. 8 [BGH 30.09.2010 - III ZB 57/10]).

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c) Die Annahme des Oberlandesgerichts, das Schiedsgericht habe mit bindender Wirkung festgestellt, die Antragsgegnerin habe den Abschluss des Globalvertrags nicht bewiesen, so dass ihr Aufrechnungseinwand zurückzuweisen sei, hält rechtlicher Nachprüfung dagegen nicht stand.

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aa) Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen; das gilt auch für ausländische Schiedssprüche (BGH, Beschluss vom 30. November 2011 - III ZB 19/11, SchiedsVZ 2012, 41 [BGH 30.11.2011 - III ZB 19/11] Rn. 8). Dabei kann zwar gegebenenfalls im Hinblick auf das für das Schiedsverfahren maßgebliche Sachrecht die Ermittlung ausländischen Rechts oder ausländischer Rechtspraxis gemäß § 293 ZPO erforderlich werden. Geht es jedoch allein um die Frage, ob das Schiedsgericht im Schiedsspruch eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat, ist die Auslegung des Schiedsspruchs regelmäßig ohne Rückgriff auf das gegebenenfalls anwendbare ausländische Recht möglich.

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So liegt der Fall hier. Der Beschluss des Oberlandesgerichts beruht auf der Erwägung, der Antragsgegnerin stehe die Aufrechnungsforderung nicht zu, weil sich diese allein aus dem Globalvertrag ergeben könne, dessen Abschluss das Schiedsgericht nicht als erwiesen erachtet habe. Fraglich ist danach allein, ob das Schiedsgericht eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat.

26

bb) Das Oberlandesgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die von ihm zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Textpassage im Gesamtzusammenhang des Schiedsspruchs auszulegen. Es ist deshalb zu einem rechtsfehlerhaften Auslegungsergebnis gelangt.

27

Gleich zu Beginn der Ausführungen, in denen sich das Schiedsgericht mit dem Aufrechnungseinwand der Antragsgegnerin befasst, führt es unmissverständlich aus, dass es sich für unzuständig hält, über die Aufrechnung zu entscheiden (S. 10 der Übersetzung des Schiedsspruchs). Den Grund für seine fehlende Zuständigkeit zu dieser Entscheidung sieht das Schiedsgericht darin, dass der zur Aufrechnung gestellte Anspruch nicht in die von der C. S.A. und der Antragsgegnerin vereinbarte Schiedsklausel einbezogen sei. Weiter heißt es:

Sollte das Schiedsgericht somit - obwohl die von den Parteien vereinbarte Schiedsklausel die Einrede der Aufrechnung nicht einbezieht - über diese Einrede erkennen (über das Bestehen der Forderung der Beklagten gegenüber der Klägerin sowie über die Voraussetzungen für deren wirksame Aufrechnung gegen die mit der Klage geltend gemachte Forderung der Klägerin entscheiden) würde es damit über (den) Zuständigkeitsbereich für die Erkennung der Sache hinausgehen, was ... die Aufhebung des Urteils dieses Gerichts zur Folge haben könnte. ...

Die Unzulässigkeit der Entscheidung über die von der Beklagten erhobene Einrede der Aufrechnung durch das hiesige Gericht ... (lässt) das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung, auf die sich die Beklagte beruft, unberührt. Die Beklagte kann diese Forderung, auf die sich die Schiedsvereinbarung nicht bezieht, separat, in einschlägigen Verfahren und vor ordentlichen Gerichten geltend machen.

28

Auf der nächsten Seite der Übersetzung des Schiedsspruchs stellt das 28 Schiedsgericht fest, dass zwischen der C. S.A. und der Antragsgegnerin die Verträge vom 10. Oktober 2007 - PL/272819315/DE070496 und PL/272819315/DE070495 - abgeschlossen worden sind, auf die die C. S.A. ihre Hauptforderung stützte. Hingegen habe die C. S.A. den Abschluss des Allgemeinen Vertrags ("Global 10/2007") bestritten. Daraus ergibt sich, dass das Schiedsgericht den Globalvertrag, der nach Auffassung der Antragsgegnerin Grundlage für ihren zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch ist, als "Allgemeinen Vertrag" bezeichnet.

29

Das Schiedsgericht führt dann aus:

Die ... Behauptungen der Beklagten, dass die Verträge vom 10. Oktober 2007 nicht eigenständig waren, sondern die Erfüllung des sog. Allgemeinen Vertrags darstellten, der die gegenseitigen Geschäftsverhältnisse zwischen den Parteien (als ein Rahmenvertrag) regeln sollte, sind zu verwerfen, und zwar aus nachfolgenden Gründen:

Das hiesige Gericht ist nicht zuständig, den Allgemeinen Vertrag, darunter seinen eventuellen Abschluss und den Rücktritt durch die Beklagte sowie die Folgen der Vornahme solcher Handlungen zu beurteilen. Der Inhalt der Schiedsklausel, die als Grundlage der Zuständigkeit des Gerichts in der vorliegenden Sache gilt, bezieht sich ausdrücklich nur auf Rechtsverhältnisse, die sich aus den zwei o.g. Verträgen vom 10. Oktober 2007 ergeben und bezieht sich keinesfalls (kann nicht erstreckt werden) auf Rechtsverhältnisse aus anderen Verträgen.

30

Anschließend erörtert das Schiedsgericht Vortrag der Antragsgegnerin, wonach es für den Allgemeinen Vertrag nicht zuständig sei. Daran schließt sich die vom Oberlandesgericht tragend herangezogene Textpassage an:

Die Forderung, dass dieses Gericht doch über diese Sache und in diesem Umfang erkennt, ist nicht nur inkonsequent, sondern auch unmöglich, da die Beklagte nach Ansicht des hiesigen Gerichts nicht bewies, dass die vertraglichen Beziehungen der Parteien in Wirklichkeit durch den Allgemeinen Vertrag gestaltet wurden. ...

31

Der Vorwurf der Inkonsequenz bezieht sich danach darauf, dass die Anttragsgegnerin dem Schiedsgericht einerseits die Befugnis abgesprochen habe, über Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Globalvertrag zu entscheiden, andererseits aber vom Schiedsgericht eine Entscheidung über die Aufrechnung einer Schadensersatzforderung verlange, die sich aus dem Globalvertrag ergeben solle. Soweit das Schiedsgericht hier außerdem von der Gestaltung der "vertraglichen Beziehungen der Parteien" spricht, bezieht sich diese Formulierung, wie die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht, nach ihrem Gesamtzusammenhang und bei sinnvoller, widerspruchsfreier Auslegung des Schiedsspruchs allein auf die zur Begründung der Schiedsklage herangezogenen Verträge vom 10. Oktober 2007.

32

Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die weiteren Erwägungen des Schiedsgerichts bestätigt. Im Anschluss an die vom Oberlandesgericht zitierte Textpassage heißt es: nicht entgegen. Sie befasst sich nach ihrem Zusammenhang keinesfalls über die Verträge vom 10. Oktober 2007 hinaus mit anderen möglicherweise bestehenden Rechtsverhältnissen zwischen der C. S.A. und der Antragsgegnerin. Da die Verträge vom 10. Oktober 2007 in englischer Sprache abgefasst waren, liegt nicht fern, dass mit der Einfügung "und andere hat es zwischen Parteien nicht gegeben" die in englischsprachigen Vertragstexten häufige Klausel "Entire agreement" gemeint sein sollte, wonach sämtliche Vereinbarungen der Parteien, die sich auf einen bestimmten Vertrag beziehen, in dem Vertragsdokument selbst enthalten sein müssen (zu dieser Klausel vgl. etwa BAG, NJW 2015, 670 Rn. 6; KG, NZG 2010, 913 [KG Berlin 10.03.2010 - 26 W 40/09]).

Es ist darauf hinzuweisen, dass in beiden o.g. Verträgen vom 10. Oktober 2007 festgehalten worden ist, dass es sich dabei um autonome Rechtsverhältnisse handelt, und andere hat es zwischen Parteien nicht gegeben, was ohne jegliche Zweifel davon zeugt, dass zwischen den Parteien in dem in dieser Streitigkeit einbezogenen Umfang keine andere vertragliche Verpflichtung entstand.

33

Auch diese Erwägung macht deutlich, dass mit "die vertraglichen Beziehungen der Parteien" in der vom Oberlandesgericht zitierten Textpassage die Verträge vom 10. Oktober 2007 gemeint waren, für die allein die Schiedsklausel gilt, und dass insoweit, das heißt im Umfang der sich aus diesen beiden Verträgen ergebenden, von der C. S.A. im Schiedsverfahren geltend gemachten Forderungen, keine andere vertragliche Verpflichtung zwischen der Antragsgegnerin und der C. S.A. entstand. Die schwer verständliche, möglicherweise durch einen Übersetzungsmangel beeinflusste Einfügung "und andere hat es zwischen Parteien nicht gegeben" steht dieser Auslegung

34

cc) Für die vom Oberlandesgericht vertretene Auslegung spricht auch nicht seine Erwägung, die Antragsgegnerin habe sich im Schiedsverfahren damit verteidigt, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten eine sogenannte Abwehrklausel, so dass entgegenstehende (die Schiedsklausel enthaltende) Allgemeine Geschäftsbedingungen der C. S.A. in den Verträgen vom 10. Oktober 2007 nicht hätten einbezogen werden können; die Frage des Abschlusses des (auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin verweisenden) Globalvertrags sei damit auch für die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts von wesentlicher Bedeutung gewesen.

35

Aus dem Schiedsspruch (Seite 12 der Übersetzung) ergibt sich am Ende des Absatzes, dem das Oberlandesgericht die von ihm zitierte Textpassage entnommen hat, dass das Schiedsgericht den Hinweis der Antragsgegnerin auf die Abwehrklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mangels Abschlusses des Globalvertrags für unerheblich hielt. Es hat insoweit ausgeführt:

Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Anlage zu den Verträgen vom 10. Oktober 2007 die von der Klägerin angewandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellten, die, wie oben ausgeführt, von der Beklagten ausdrücklich akzeptiert wurden. Durch ihre wirksame Eingliederung in die geschlossenen Verträge kann von dem Musterkonflikt im Sinne des Art. 3854 § 1 Zivilgesetzbuch keine Rede sein. In dem Fall, wenn die beiden Geschäftspartner damit einverstanden waren, dass in den nicht geregelten Angelegenheiten das Vertragsmuster eines von ihnen anwendbar ist, werden die Parteien auch durch dieses Muster gebunden.

36

Bei dieser Begründung des Schiedsgerichts kam es auf die Frage des Abschlusses des Globalvertrags entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht an. Entscheidend war für das Schiedsgericht vielmehr allein, dass die Verträge vom 10. Oktober 2007 eigenständige Regelungen darstellten, für die die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der C. S.A. von der Antragsgegnerin ausdrücklich akzeptiert worden waren.

37

dd) Das Oberlandesgericht meint weiter, sein Auslegungsergebnis werde auch durch die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung gestützt, materiell hätten sich die polnischen Gerichte mit der Globalvereinbarung nicht auseinandergesetzt, sie hätten lediglich ausgeschlossen, dass die Globalvereinbarung der Schiedsvereinbarung entgegenstehe. Diese Überlegung des Oberlandesgerichts ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht nachvollziehbar. Die Globalvereinbarung stand der Schiedsvereinbarung nach Auffassung des Schiedsgerichts und der polnischen Gerichte deshalb nicht entgegen, weil die Verträge vom 10. Oktober 2007 eine eigene, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründende Schiedsklausel enthielten und selbständige, von der Globalvereinbarung unabhängige Regelungen waren.

38

III. Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache entscheiden, weil das Oberlandesgericht keine eigenen Feststellungen über den Abschluss des Globalvertrags, eine mögliche Verletzung dieses Vertrags durch die C.S.A. sowie die Höhe eines sich daraus etwa ergebenden Schadensersatzanspruchs der Antragsgegnerin getroffen hat.

39

Soweit es in diesem Zusammenhang auf eine Übersetzung in Polnisch abgefasster Schriftstücke in die deutsche Sprache ankommen sollte, wird darauf hingewiesen, dass es den etwa bei den Institutionen der Europäischen Union herrschenden Gepflogenheiten entspricht, in die Muttersprache und nicht aus der Muttersprache zu übersetzen. Wie die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht, weisen die hier vorgelegten Übersetzungen des Schiedsspruchs und der Urteile polnischer Gerichte, bei denen diese Übung nicht beachtet worden ist, deutliche Schwächen auf, die allerdings die für den vorliegenden Beschluss erforderliche Auslegung dieser Urkunden nicht in entscheidungserheblicher Weise beeinflusst haben.

Büscher

Kirchhoff

Löffler

Schwonke

Feddersen

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