Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.01.2016, Az.: VI ZR 675/15
Beantragung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung; Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils als Folge der Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 10358
Aktenzeichen: VI ZR 675/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:190116BVIZR675.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Düsseldorf - 23.05.2014 - AZ: 16 O 454/10

OLG Düsseldorf - 17.11.2015 - AZ: I-1 U 159/14

BGH, 19.01.2016 - VI ZR 675/15

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Stöhr und die Richterinnen von Pentz, Dr. Roloff und Müller
beschlossen:

Tenor:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2014 - 16 O 454/10 - sowie aus dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. November 2015 - I-1 U 159/14 - wird gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages einstweilen eingestellt, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Im Übrigen wird der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beklagten sind durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf verurteilt worden, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 €, materiellen Schadensersatz in Höhe von 4.200 € sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.085,42 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten zum Ersatz weiteren materiellen Schadens in Höhe von 82.118,52 € sowie weiterer vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 913,90 € verurteilt. Die Anschlussberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und das Berufungsurteil gemäß § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt. Nach fristgerechter Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und innerhalb der noch laufenden Begründungsfrist beantragen die Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil einstweilen einzustellen.

II.

2

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist in dem im Tenor beschriebenen Umfang gemäß § 719 Abs. 2 in Verbindung mit § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO begründet. Soweit der Antrag auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung gerichtet ist, war er zurückzuweisen.

3

1. Der Einstellungsantrag ist in dem im Tenor beschriebenen Umfangbegründet.

4

a) Der Antrag scheitert insoweit nicht daran, dass die Beklagten im Berufungsverfahren keinen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt haben. Denn das Berufungsgericht hat in der rechtsirrigen Annahme, dass gegen seine Entscheidung unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegeben sei (§ 713 ZPO), den Beklagten keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO gewährt. Auf diese fehlerhafte Rechtsanwendung mussten sich die Beklagten nicht einstellen, so dass ihnen das Unterlassen des Antrages gemäß § 712 ZPO nicht vorgeworfen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März 2003 - IX ZR 243/02, ZVI 2003, 279, 280; vom 15. März 2007 - V ZR 271/06, WuM 2007, 545; vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007, 1138 Rn. 5; vom 13. Juli 2007 - VIII ZR 306/06, WuM 2007, 545 Rn. 1).

5

b) Der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagten innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 321 Abs. 2 ZPO keinen Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO gestellt haben. Eine Ergänzung des Berufungsurteils um die Schutzanordnung gemäß § 711 ZPO ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht über die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht unvollständig entschieden, sondern seine Entscheidung ausdrücklich - wenn auch fehlerhaft - auf § 713 ZPO gestützt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2003 - IX ZR 243/02, ZVI 2003, 279, 280).

6

c) Die Beklagten haben glaubhaft gemacht, dass ihnen die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Aufgrund der von den Beklagen vorgelegten Schreiben des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigen des Klägers muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger mittellos ist und im Falle der Aufhebung des Berufungsurteils den Rückzahlungsanspruch der Beklagten nicht erfüllen könnte. Dies genügt für die Annahme eines nicht zu ersetzenden Nachteils im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007, 1138 Rn. 6; MünchKommZPO/Götz, 4. Aufl., § 707 Rn. 17 aE; jeweils mwN).

7

d) Der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung steht kein überwiegendes Interesse des Klägers entgegen. Die Nachteile einer weiteren Leistungsverzögerung treffen ihn zwar gerade wegen seiner Mittellosigkeit in erheblichem Maße. Sie wiegen allerdings vor dem Hintergrund, dass der Kläger lediglich infolge einer offensichtlich rechtsirrigen Annahme der Voraussetzungen des § 713 ZPO durch das Berufungsgericht in den Besitz eines ohne Sicherheitsleistung vollstreckbaren Titels gelangt ist, nicht so schwer wie der den Beklagten drohende unwiederbringliche Verlust. Der Kläger hätte diese Nachteile bei rechtmäßiger Entscheidung des Berufungsgerichts ohnehin tragen müssen.

8

e) Schließlich steht auch nicht fest, dass die Nichtzulassungsbeschwerde oder die mit ihr beabsichtigte Revision keine Aussicht auf Erfolg haben. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium erscheint der Ausgang des Nichtzulassungsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahrens noch offen. Ob der von der Beklagten im Einstellungsantrag geltend gemachte Zulassungsgrund gegeben ist, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, die so schnell, wie über den Einstellungsantrag entschieden werden muss, nicht abgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007, 1138 Rn. 8).

9

2. Der weitergehende Antrag war dagegen zurückzuweisen. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung scheidet aus, weil dem überwiegende Interessen des Klägers entgegenstehen. Die Beklagten haben nicht geltend gemacht, zur Erbringung einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage zu sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2013 - VII ZB 9/13, GuT 2013, 139 Rn. 6; vom 25. April 2012 - I ZR 136/11, NJW-RR 2012, 1088 Rn. 6).

Galke

Stöhr

von Pentz

Roloff

Müller

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.