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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.01.2016, Az.: 4 StR 521/15
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen ungünstiger Sozialprognose und regelmäßigem Drogenkosum im Rahmen einer Körperverletzung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 10784
Aktenzeichen: 4 StR 521/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR521.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Halle - 20.08.2015

Verfahrensgegenstand:

Körperverletzung

BGH, 19.01.2016 - 4 StR 521/15

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Dass der Angeklagte, der die Tat bestritten hat, keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, darf nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.

  2. 2.

    Auch im Rahmen des § 56 StGB ist dem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten nicht anzulasten.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben,

    1. a)

      soweit die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,

    2. b)

      soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.

2

Das Rechtsmittel ist nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang erfolgreich. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Das Landgericht hat die nach seiner Auffassung ungünstige Sozialprognose des Angeklagten im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB wie folgt begründet: "Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft und hat die Tat unter laufender Bewährung, etwa ein Jahr nach der letzten Verurteilung begangen, bei der die Bewährungszeit noch bis zum 19. März 2016 läuft. Er hat das Unrecht seiner Tat nicht eingesehen und bereut die Tat nicht. Die Kammer geht deshalb nicht davon aus, dass er sich diese Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und keine weiteren Straftaten mehr begeht. Die Kammer sieht es vielmehr als erforderlich an, dass die Freiheitsstrafe vollstreckt wird, u.a. damit dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat bewusst wird."

4

Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Dass der Angeklagte, der die Tat bestritten hatte, keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, durfte nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Auch im Rahmen des § 56 StGB ist dem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten nicht anzulasten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 1999 - 4 StR 111/99, StV 1999, 602; vom 20. Februar 1998 - 2 StR 14/98, StV 1998, 482; vom 20. Dezember 1988 - 1 StR 664/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 6).

5

Der Senat vermag trotz der Begehung der Tat während einer Bewährungszeit letztlich nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer günstigeren Prognose gelangt wäre, wenn es die fehlende Unrechtseinsicht und Reue außer Acht gelassen hätte. Über die Strafaussetzung zur Bewährung muss deshalb neu entschieden werden.

6

2. Das Urteil kann auch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift u.a. dargelegt:

"Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft übersehen, die Maßregel einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte in den letzten Jahren regelmäßig Drogen, zumeist in Form von Marihuana, sowie täglich Bier und Schnaps konsumierte ... Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte bei der verfahrensgegenständlichen Tat - einem Aggressionsdelikt - unter dem Einfluss von Alkohol stand, wenngleich weder seine Steuerungs- noch seine Einsichtsfähigkeit hierdurch erheblich beeinträchtigt waren ... Nach diesen Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen ...".

7

Dem kann sich der Senat nicht verschließen.

Sost-Scheible

Roggenbuck

Franke

Mutzbauer

Quentin

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