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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.09.2015, Az.: 2 StR 128/15
Berücksichtigung von Strafmilderungsgründen für die Bemessung der Strafe i.R.d. Gesamtwürdigung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 28373
Aktenzeichen: 2 StR 128/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Gießen - 28.04.2014

Rechtsgrundlage:

§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO

Fundstellen:

NStZ-RR 2015, 6

NStZ-RR 2016, 7

StV 2016, 558

wistra 2016, 29-30

Verfahrensgegenstand:

Untreue

BGH, 29.09.2015 - 2 StR 128/15

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Eine lange Zeitspanne zwischen Begehung der Tat und ihrer Aburteilung stellt einen wesentlichen Strafmilderungsgrund dar (hier: sieben bis neun Jahre).

  2. 2.

    Daneben kann auch einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige strafmildernde Bedeutung zukommen, wenn sie für den Angeklagten mit besonderen Belastungen verbunden ist.

  3. 3.

    Ein großer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten stellen regelmäßig selbst dann gewichtige Milderungsgründe dar, wenn diese sachlich bedingt waren.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 28. April 2014, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Wirtschaftsstrafkammer zuständige andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu jeweils 30 € verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Strafausspruch hat keinen Bestand, denn die Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, dass es bei der für die Bemessung der Strafen erforderlichen Gesamtwürdigung aller für die Wertung der Taten und des Täters in Betracht kommender Umstände wesentliche mildernde Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat.

3

Die Strafkammer hatte schon nicht im Blick, dass zwischen den abgeurteilten Taten und dem Urteil sieben bzw. neun Jahre vergangen sind und dass eine solch lange Zeitspanne zwischen Begehung der Tat und ihrer Aburteilung einen wesentlichen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 2 StR 468/95, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zeitablauf 1 mwN). Daneben hätte das Tatgericht hier strafmildernd zu bedenken gehabt, dass auch einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige strafmildernde Bedeutung zukommt, wenn sie für den Angeklagten mit besonderen Belastungen verbunden ist (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - 3 StR 173/09, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20; vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 142). Ein großer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten stellen regelmäßig selbst dann gewichtige Milderungsgründe dar, wenn diese sachlich bedingt waren (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 StR 344/10, NStZ 2011, 651 mwN).

4

Das Schweigen der Urteilsgründe hierzu legt nahe, dass das Tatgericht diese bestimmenden Milderungsgründe im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in seiner Bedeutung verkannt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - 5 StR 585/10, NStZ-RR 2011, 171).

5

Über den Strafausspruch ist daher neu zu befinden. Die ihm zugrunde liegenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können bestehen bleiben. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig.

Appl

Eschelbach

Ott

Zeng

Bartel

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