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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.09.2015, Az.: IX ZR 266/14
Schadensersatzbegehren wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung; Zusicherung der berufsrechtlichen Unbedenklichkeit eines Geschäftsmodells
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 27706
Aktenzeichen: IX ZR 266/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hamburg - 01.08.2013 - AZ: 309 O 161/12

OLG Hamburg - 28.10.2014 - AZ: 6 U 171/13

BGH, 24.09.2015 - IX ZR 266/14

Redaktioneller Leitsatz:

Voraussetzung einer zulässigen Wahrunterstellung ist, dass die Behauptung so übernommen wird, wie die Partei sie aufgestellt hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Bär
am 24. September 2015
beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird die Revision gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2014 zugelassen.

Auf die Revision der Kläger wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 185.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die klagenden Ärzte nehmen die Beklagten wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Darstellung der Kläger hatte der Beklagte zu 1 ein Geschäftsmodell entwickelt, nach welchem die Kläger und andere Orthopäden sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (fortan: P. ) zusammenschlossen. P. sollte einer nach irischem Recht zu gründenden Gesellschaft, einer Limited, Kapital zur Verfügung stellen, welches diese in eine GmbH & Co. KG einbringen würde. Die Gesellschaft sollte eine radiologische Praxis einrichten und an einen Radiologen verpachten. Am 22. November 2006 wurde die P. gegründet. Der Beklagte zu 1 legte am 1. Februar 2007 eine auf der Basis einer Prüfung durch Rechtsanwalt Dr. K. gutachterliche Stellungnahme zur Vereinbarkeit des Modells mit dem Berufsrecht vor. Unter dem Abschnitt "Zusammenfassung und Empfehlung" heißt es unter anderem:

2

"Die Vermietung von vollständig eingerichteten und ausgestatteten Praxisräumen an die Radiologische Praxis auf der Grundlage der angestrebten Struktur dürfte mit den Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts sowie des Vertragsarztrechts im Einklang stehen ... Die avisierte Konstruktion dürfte mit § 31 BO-Ä vereinbar sein ... Da diese Frage bisher allerdings - soweit ersichtlich die Rechtsprechung nicht beschäftigt hat, lässt sich nicht völlig ausschließen, dass die Ärztekammer im Streitfall zur gegenteiligen Rechtsauffassung gelangen und gegen die Beteiligten ein berufsgerichtliches Verfahren anstrengen könnte ..."

3

Das Modell scheiterte. Die Kläger werfen den Beklagten vor, sie nicht ausreichend über die mit ihm verbundenen berufsrechtlichen Risiken hingewiesen und insbesondere keine Stellungnahme der zuständigen Ärztekammer eingeholt zu haben. Sie haben behauptet, bei vollständiger Aufklärung hätten sie anderweitig investiert. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

II.

4

Die Revision ist zuzulassen und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 1, 7 ZPO).

5

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Hätten die Kläger, wie sie behaupten, die Beklagten mit der Ausarbeitung eines berufsrechtlich "wasserdichten" Geschäftsmodells beauftragt, wäre dies als erfolgsbezogener Werkvertrag zu qualifizieren, welcher mit der Übergabe der Ausarbeitung vom 1. Februar 2007, in welcher auf die berufsrechtlichen Risiken hingewiesen worden sei, erkennbar nicht erfüllt worden sei. Die Kläger hätten nach § 634 Nr. 1, § 635 BGB zunächst Nacherfüllung verlangen müssen, statt Schadensersatz geltend zu machen. Die Pflichten, die sich aus der schriftlichen Mandatsvereinbarung vom 5./11. Oktober 2006 ergäben, hätten die Beklagten nicht verletzt. Der Vortrag der Kläger dazu, der Beklagte zu 1 habe sein Modell als berufsrechtlich unbedenklich angepriesen und von einer Prüfung durch die Ärztekammer abgeraten, könne als richtig unterstellt werden, weil alle Ausführungen und Erklärungen unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der Prüfung durch Rechtsanwalt Dr. K. , einen weiteren bei der Beklagten zu 2 tätigen Rechtsanwalt, gestanden hätten. Einer Vernehmung der von den Klägern insoweit benannten Zeugen bedürfe es deshalb nicht. In der Stellungnahme vom 1. Februar 2007 sei hinreichend deutlich auf die Risiken des vorgeschlagenen Geschäftsmodells hingewiesen worden. Die Kläger hätten daher auf eigene Gefahr gehandelt, als sie nach dem 1. Februar 2007 das Modell umzusetzen begannen und die Einlagen leisteten, die sie nunmehr (unter anderem) ersetzt verlangten.

6

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht damit das Vorbringen der Kläger hinsichtlich der Zusicherung der berufsrechtlichen Unbedenklichkeit des am 5. November 2006 vorgestellten Modells im Kern missachtet hat. Die Ablehnung der Vernehmung der Zeugen, welche die Darstellung der Kläger bestätigen sollten, findet im Prozessrecht keine Stütze (Art. 103 Abs. 1 GG).

7

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Beweisantrag in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 StPO abgelehnt werden, dann also, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich, bereits erwiesen oder offenkundig ist, wenn das Beweismittel unzulässig, unerreichbar oder völlig ungeeignet ist oder wenn die behauptete Tatsache als wahr unterstellt wird (BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 258 f; vom 10. Februar 1993 - XII ZR 241/91, BGHZ 121, 266, 270 f). Die Wahrunterstellung ist ein Unterfall der Unerheblichkeit. Wenn die fragliche Tatsache als wahr unterstellt werden kann, ohne dass sich das Ergebnis ändert, kommt es auf sie nicht an.

8

b) Voraussetzung einer zulässigen Wahrunterstellung ist jedoch, dass die Behauptung so übernommen wird, wie die Partei sie aufgestellt hat. Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht missachtet. Die Kläger haben zweierlei vorgetragen. Ihrer Darstellung nach hat der Beklagte zu 1 das von ihm entwickelte Modell einer Beteiligung an der radiologischen Praxis von Anfang an als berufsrechtlich unbedenklich angepriesen. Außerdem haben sie behauptet, dass sie, die Kläger und die anderen Teilnehmer der Informationsveranstaltung am 5. November 2006, eine Stellungnahme der Ärztekammer zu ihrem Vorhaben angeregt hätten, woraufhin man sich auf Vorschlag des Beklagten zu 1 auf die Einholung einer Stellungnahme des Rechtsanwalts Dr. K. geeinigt habe. Nicht behauptet haben die Kläger, dass sämtliche Aussagen des Beklagten zu 1 unter dem Vorbehalt des Ergebnisses dieser Stellungnahme gestanden hätten. Ihrem Vorbringen nach hat der Beklagte zu 1 keine Vorbehalte erklärt, so dass sie, die Kläger, sich aufgrund der Aussagen und Zusicherungen des Beklagten zu 1 zur Gründung der P. entschlossen hätten.

9

c) Diese Behauptung der Kläger war erheblich. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob die streitigen Aussagen des Beklagten zu 1 zur berufsrechtlichen Unbedenklichkeit nach Abschluss des Anwaltsvertrages oder vorab im Rahmen der Akquise erfolgten. Wenn der Beklagte zu 1 sein Modell als unbedenklich bezeichnet und die Kläger damit veranlasst hat, ihn mit dessen Umsetzung zu beauftragen, galten seine Äußerungen, bis er sie richtigstellte. Das Berufungsgericht hätte also - das Vorbringen der Kläger als richtig unterstellt - sich nicht auf die Prüfung beschränken dürfen, ob man der schriftlichen Stellungnahme vom 1. Februar 2007 berufsrechtliche Vorbehalte entnehmen konnte. Es wäre vielmehr darauf angekommen, ob die Stellungnahme geeignet war, Zweifel an den vorangegangenen, hier revisionsrechtlich zu unterstellenden Zusicherungen des Beklagten zu 1 zu wecken. Das ist durchaus zweifelhaft, nachdem der Beklagte zu 1 in der Zusammenfassung nur ausgeführt hat, eine abweichende Rechtsauffassung könne nicht völlig ausgeschlossen werden. Der Beklagte zu 1 hat nicht, wie das Berufungsgericht meint, persönlich dazu tendiert, einen Verstoß gegen § 31 BO-Ä zu verneinen. Er hat den Klägern vielmehr auch nach dem Inhalt der schriftlichen Stellungnahme von 1. Februar 2007 die Umsetzung des von ihm selbst erarbeiteten Modells empfohlen. Dass die Kläger sich nicht selbst an die Ärztekammer gewandt haben, um die berufsrechtliche Zulässigkeit dieses Modells zu klären, begründet im Verhältnis zum Beklagten zu 1, den sie mit der Beantwortung eben dieser Frage beauftragt hatten, kein Mitverschulden.

10

3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass ein Vertrag, in welchem ein Anwalt mit der rechtlichen Beratung des Mandanten beauftragt wird, regelmäßig als Dienstvertrag (§§ 611 ff BGB) einzuordnen ist. Das ändert sich nicht dadurch, dass der Anwalt die Einhaltung des geltenden Rechts in Aussicht stellt oder sogar zusichert.

Kayser

Gehrlein

Vill

Lohmann

Bär

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