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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.06.2015, Az.: IV ZR 397/13
Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 17.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 19126
Aktenzeichen: IV ZR 397/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Stuttgart - 20.11.2013 - AZ: 13 S 100/13

Rechtsgrundlagen:

§ 5a Abs. 2 S. 1 VVG

§ 8 Abs. 5 VVG

BGH, 17.06.2015 - IV ZR 397/13

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27. Mai 2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20. November 2013 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 1.999,68 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

2

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli 2005 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgeri chts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein, der eine drucktechnisch deutlich gestaltete Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).

3

D. VN zahlte von August 2005 bis August 2011 Prämien in Höhe von insgesamt 2.220 €. Im Juli 2011 kündigte d. VN den Vertrag zum September 2011; der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 28. März 2012 erklärte d. VN schließlich "den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. bzw. den Widerspruch nach § 8 VVG sowie den Widerruf nach § 355 BGB sowie höchst vorsorglich und hilfsweise den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F.".

4

Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.999,68 €.

5

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und auch inhaltlich ordnungsgemäß. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

9

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

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D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

11

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Versicherer den Begriff der Textform nicht erläutert habe. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann d. VN diesem Begriff ohne weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss. Er kann ersehen, dass er seine Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festhalten muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. In diesem Verständnis wird er durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis bestärkt, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 30-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

12

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revisio n begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßst äben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Juli/August 2005 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte von August 2005 bis August 2011, somit sechs Jahre und einen Monat die Versicherungsprämien. Nach der Kündigung im Juli 2011 ließ er weitere acht Monate vergehen, bis er im März 2012 den Widerspruch erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im Juli 2005 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Mayen

Harsdorf-Gebhardt

Dr. Karczewski

Lehmann

Dr. Brockmöller

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. Juni 2015

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