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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.06.2015, Az.: IX ZR 182/14
Beschränkung des Bereicherungsanspruch auf die Herausgabe Zug-um-Zug gegen die selbst erhaltene Bereicherung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 19792
Aktenzeichen: IX ZR 182/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hamburg - 14.06.2013 - AZ: 311 O 211/12

OLG Hamburg - 11.07.2014 - AZ: 8 U 74/13

BGH, 11.06.2015 - IX ZR 182/14

Redaktioneller Leitsatz:

Erteilt das Gericht einen Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der Partei Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren. Kann eine sofortige Äußerung nach den Umständen nicht erwartet werden, darf die mündliche Verhandlung nicht geschlossen werden. Das Gericht muss dann die mündliche Verhandlung vertagen, in das schriftliche Verfahren übergehen oder der Partei auf ihren Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO eine Schriftsatzfrist einräumen. Unterlässt das Gericht die gebotene prozessuale Reaktion und erkennt es aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz der betroffenen Partei, dass diese sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, ist gemäß § 156 Abs. 1 Nr.1 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

am 11. Juni 2015
beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 11. Juli 2014 zugelassen.

Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 46.206,49 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger hatte im Jahr 1999 ein Hotelgrundstück verpachtet. Die Pächter, denen eine Kaufoption eingeräumt worden war, hatten zur Finanzierung der Kaution von 400.000 DM ein Darlehen aufgenommen, welches mit Zustimmung des Klägers durch eine Grundschuld auf dem Pachtgrundstück gesichert worden war. Im Jahre 2004 stellten die Pächter ihre Zahlungen und den Hotelbetrieb ein. In einem Vorprozess, in welchem der Kläger durch den beklagten Rechtsanwalt vertreten wurde, verlangten die Pächter Rückzahlung eines Teilbetrags der Kaution von 100.000 €. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Pächter wurde dieses Urteil aufgehoben und der Kläger zur Zahlung der 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2004 verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass der Pachtvertrag nebst Kaufoptionsvertrag wegen Formmangels nichtig sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss vom 8. Februar 2012 zurückgewiesen.

2

Nunmehr verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe der Zinsen im Zeitraum 27. November 2004 bis 31. Mai 2010, der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde im Vorprozess sowie weiterer Rechtsverfolgungskosten, zu zahlen an die Pächter, denen er (Kläger) die Forderung abgetreten habe und für die er nunmehr in Prozessstandschaft tätig werde. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 40.514,36 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als die Klage hinsichtlich des den Betrag von 37.426,90 € nebst Zinsen übersteigenden Betrages abgewiesen worden ist. Mit seiner Revision will der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen sowie seine Hilfswiderklage, die auf Zahlung von Honorar in Höhe von 8.779,59 € nebst Zinsen gerichtet ist, weiterverfolgen.

II.

3

Die Revision ist zuzulassen und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 1, Abs. 7 ZPO).

4

1. Das Berufungsgericht hat - teils unter Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - ausgeführt: Nachdem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht erstmals darauf hingewiesen worden sei, dass der Pachtvertrag formnichtig sein könne, sei der Beklagte verpflichtet gewesen, alle rechtlichen Gesichtspunkte geltend zu machen und alle Einwendungen zu erheben, die eine Verurteilung des jetzigen Klägers zur Rückzahlung der Kaution ganz oder teilweise hindern konnten. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 25. Januar 2010 habe insoweit nicht ausgereicht, weil der Beklagte zwar Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht, jedoch nicht unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf hingewiesen habe, dass der Bereicherungsanspruch von vornherein auf die Herausgabe Zug-um-Zug gegen die selbst erhaltene Bereicherung beschränkt sei. Die sogenannte Saldotheorie habe der Beklagte weder ausdrücklich noch ihrem Sinn nach angesprochen.

5

2. Dies trifft nicht zu. Der Beklagte hat unter Vorlage einer Ablichtung des Schriftsatzes vom 25. Januar 2010 dargelegt, dass der Beklagte wie folgt vorgetragen hatte:

6

"Des Weiteren ergibt sich aus dem Vertrag, Anlage K 2, unter Ziffer 4, dass die Barkaution in Höhe von 400.000,00 DM von den Klägern finanziert wurde. Die Besicherung erfolgte über eine Grundschuld an dem streitgegenständlichen Hotelgrundstück. Zur Absicherung wurde eine vom Beklagten an die D. gewährte Grundschuld an die finanzierende Bank der Kläger, die V. , abgetreten. Diese Grundschuld ist nach wie vor existent. Unterstellt, die vertraglichen Vereinbarungen sind tatsächlich unwirksam bzw. nichtig, so ergibt sich ein entsprechendes Rückgewährverhältnis. Im Rahmen dieses Rückgewährschuldverhältnisses kann selbstverständlich nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung dergestalt erfolgen, dass die Kaution, wenn sie überhaupt zur Auszahlung fällig ist, aus den vorgenannten Erwägungen dann Zugum-Zug gegen Löschung der entsprechenden Grundschuld auf dem Grundstück des Klägers zugesprochen werden kann."

7

Damit war die Saldotheorie entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts ihrem Sinn nach angesprochen worden. Die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.

8

3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 25. Januar 2010 hätte zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung führen müssen.

9

a) Nach § 156 Abs. 2 ZPO ist die mündliche Verhandlung insbesondere bei einer Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) anzuordnen. Gemäß § 139 Abs. 4 ZPO sind Hinweise so früh wie möglich zu erteilen, so dass die Partei Gelegenheit hat, ihre Prozessführung hierauf einzurichten. Erteilt das Gericht den Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der Partei Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren. Kann eine sofortige Äußerung nach den Umständen nicht erwartet werden, darf die mündliche Verhandlung nicht geschlossen werden. Das Gericht muss dann die mündliche Verhandlung vertagen, in das schriftliche Verfahren übergehen oder der Partei auf ihren Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO eine Schriftsatzfrist einräumen. Unterlässt das Gericht die gebotene prozessuale Reaktion und erkennt es aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz der betroffenen Partei, dass diese sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, ist gemäß § 156 Abs. 1 Nr.1 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (BGH, Urteil vom 31. März 2010 - I ZR 34/08, WM 2010, 2094 Rn. 39; st. Rspr).

10

b) Ob der im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Januar 2010 gehaltene Vortrag "neu" im prozessualen Sinne war, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Wenn dies der Fall war, lagen jedenfalls die Voraussetzungen einer Zulassung dieses Vortrags nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor. Es handelte sich um Verteidigungsmittel, die einen aus der Sicht des Landgerichts unerheblichen Gesichtspunkt betrafen. Das Landgericht hatte den Pachtvertrag für wirksam gehalten und hierauf frühzeitig hingewiesen. Damit hatte es eine Ursache dafür gesetzt, dass sich der Vortrag zu den Rechtsfolgen des nichtigen Vertrages in das Berufungsverfahren verlagerte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - III ZR 114/06, NJW-RR 2007, 774 Rn. 7; Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 166/11, NJW-RR 2012, 341 Rn. 19). Zulässigen Vortrag hätte das Berufungsgericht ermöglichen müssen.

Kayser

Gehrlein

Vill

Lohmann

Fischer

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