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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 09.06.2015, Az.: 2 StR 75/15
Vorgaben zu Preis und Ort der Prostitutionsausübung und Werbung im Internet als Zuhälterei
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20525
Aktenzeichen: 2 StR 75/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln - 30.10.2014

Fundstellen:

NStZ 2015, 638-639

NStZ-RR 2015, 5

NStZ-RR 2015, 364

StV 2017, 44-45

Verfahrensgegenstand:

Schwerer Menschenhandel u.a.

BGH, 09.06.2015 - 2 StR 75/15

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts, zu Ziffer 3 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Oktober 2014

    1. a)

      im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen schuldig ist, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis,

    2. b)

      im Strafausspruch aufgehoben.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, jeweils in Tateinheit mit Zuhälterei, Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Solingen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten sowie wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren verhängt. Schließlich hat es den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerin W. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro und einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 750 Euro jeweils nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte seinen Lebensunterhalt dadurch bestreiten, dass er junge Frauen unter Vorspiegelung einer Absicht zur künftigen gemeinsamen Lebensführung dazu veranlasste, für ihn der Prostitution nachzugehen.

3

a) Am 21. Dezember 2013 bewegte der Angeklagte die damals 18jährige Nebenklägerin W. dazu, von 17.00 Uhr bis 02.00 Uhr am folgenden Morgen in einem Bordell zu arbeiten. Er erläuterte ihr die Vorgehensweise, fuhr sie ohne Fahrerlaubnis mit seinem Auto zum Bordell, gab ihr 65 Euro "Eintrittsgeld" und holte sie später wieder ab. Das von der Nebenklägerin verdiente Geld in Höhe von 550 Euro nahm er ihr ab. Am nächsten Tag arbeitete die Geschädigte erneut in dem Bordell und lieferte ihren Verdienst von 50 Euro beim Angeklagten ab. Dieser bot ihre sexuellen Dienste auch im Internet an, nannte dort ein Entgelt von 150 Euro pro Stunde, fügte Fotos der Geschädigten in Unterwäsche bei und machte mit Freiern Termine aus. Am 2. Januar 2014 bediente die Geschädigte einen derart angeworbenen Kunden in einem dafür vorgesehenen Zimmer in der Wohnung des Angeklagten. Weil sie anschließend berichtete, dass sie sich unwohl gefühlt habe, schlug der Angeklagte sie mit der flachen Hand ins Gesicht. Daraufhin brach die Nebenklägerin W. den Kontakt zum Angeklagten ab, der sie auch "sofort fallen ließ".

4

b) Im März 2014 nahm der Angeklagte eine Beziehung mit der zur Tatzeit 16jährigen Nebenklägerin G. auf, der er die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft vorspiegelte. Auf das Drängen des Angeklagten war sie nach anfänglichem Zögern bereit, für ihn der Prostitution nachzugehen. Er warb für ihre sexuellen Dienste gegen Zahlung von 150 Euro pro Stunde mit Fotos im Internet. Vom 14. bis 21. April 2014 ging die Nebenklägerin G. im "Verrichtungszimmer" in der Wohnung des Angeklagten der Prostitution nach und musste ihre Einnahmen "im Wesentlichen an den Angeklagten abgeben". Dann kam es zum Streit, weil der Angeklagte darüber verärgert war, dass die Geschädigte morgens zur Schule ging, abends zu den Eltern nach Hause zurückkehren musste und deshalb wenig Zeit hatte für ihn zu "arbeiten". Der Angeklagte schlug sie mit der flachen Hand ins Gesicht, worauf sie ihn verließ.

5

2. Das Landgericht hat den ersten Fall als Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung im Sinne von § 232 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 3 StGB in Tateinheit mit Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB und in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB mit Strafantrag der Nebenklägerin) sowie vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) bewertet. Im zweiten Fall ist es von schwerem Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 3 StGB) in Tateinheit Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ausgegangen. Einen Fall der Veranlassung zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution mit Gewalt, Drohung oder List (§ 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB) oder des sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen unter Ausnutzung einer Zwangslage (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 StGB) hat das Landgericht nicht festgestellt.

II.

6

1. Die Revision des Angeklagten ist begründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Zuhälterei wendet. Im Übrigen ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.

7

a) Gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält. In allen Varianten muss vom Täter ein bestimmender Einfluss auf das Opfer genommen werden; eine bloße Unterstützung der Prostitutionsausübung reicht - auch mit Blick auf die Intention des Gesetzgebers bei dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution (BGBl. 2002 I S. 3983) - nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein Verhalten des Täters, das geeignet ist, die Prostituierte in Abhängigkeit von ihm zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03, BGHSt 48, 314, 317). Kontrollmaßnahmen, wie sie auch einem Arbeitgeber möglich sind, müssen von dirigierenden Handlungen im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB abgegrenzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 - 5 StR 328/09, NStZ 2010, 274). Beim Überwachen geht es um eine andauernde Kontrolle der Geldeinnahmen, der Buchführung und der Preisgestaltung für die sexuellen Dienstleistungen, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Prostituierten bewirken kann, welche ihr eine Lösung aus der Prostitution erschwert. Das Bestimmen der Umstände der Ausübung der Prostitution muss zur Erfüllung des Tatbestands gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB in einer Weise erfolgen, dass sich die Prostituierte den Weisungen nicht entziehen kann. Freiwilliges Akzeptieren von Bedingungen schließt dirigierende Zuhälterei in diesem Sinne aus. Die dritte Variante liegt vor, wenn der Täter, der Beziehungen zu der Prostituierten unterhält und um des eigenen Vermögensvorteils willen handelt, Maßnahmen ergreift, welche das Opfer davon abhalten sollen die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon nur Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453, 455).

8

b) Nach diesen Maßstäben liegt in den abgeurteilten Fällen keine dirigierende Zuhälterei vor.

9

Das Landgericht hat schon in den Vorgaben des Angeklagten zu Zeit, Ort und Preis der Prostitutionsausübung sowie in der Werbung im Internet einen Fall des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB gesehen. Diese Handlungen stellen aber weder eine Kontrolle dar, die geeignet gewesen wäre zu verhindern, dass sich die Nebenklägerinnen aus der Prostitution lösten, noch waren die Umstände der Prostitutionsausübung mit einer entsprechenden Wirkung vom Angeklagten bestimmt worden. Schließlich hat er über die Aufnahme von Beziehungen zu den Nebenklägerinnen und die Aufforderung zur Prostitutionsausübung an diese hinaus keine erheblichen Maßnahmen getroffen, die eine Durchsetzung ihres Entschlusses zur Beendigung der Prostitutionsausübung zu verhindern geeignet waren. Die Nebenklägerinnen konnten sich tatsächlich ohne erhebliche Hinderung durch Maßnahmen des Angeklagten alsbald aus der Prostitution lösen.

10

c) Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch in beiden Fällen dahin, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Zuhälterei entfällt. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen.

11

2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs wegen einer fehlerhaften Wertung durch das Landgericht. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt, dass tateinheitlich Zuhälterei vorgelegen habe. Der Senat kann deshalb nicht sicher ausschließen, dass bereits der Ausspruch über die Einzelstrafen auf der rechtsfehlerhaften Bejahung dieses Tatbestands beruht. Deshalb entfällt auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Die zur Frage der Strafzumessung rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben.

12

3. Der Ausspruch über die Adhäsionsklage der Nebenklägerin W. 12 bleibt unberührt, soweit der Angeklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes dem Grunde nach und zur Zahlung eines Betrages von 750 Euro nebst Zinsen zum Ersatz von materiellen Schäden verurteilt wurde. Insoweit hat der Angeklagte die Forderungen anerkannt. Eine mögliche Änderung der Adhäsionsentscheidung hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes bleibt dem neuen Tatgericht vorbehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 StR 388/14). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (RuS 2015, 94 ff. = ZfSch 2015, 203 ff. mit Anm. Diehl) wird hingewiesen.

Fischer

Krehl

Eschelbach

Zeng

Bartel

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