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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.02.2015, Az.: 4 StR 37/15
Vorauusetzungen des Vorliegens schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.02.2015
Referenz: JurionRS 2015, 12363
Aktenzeichen: 4 StR 37/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Detmold - 30.10.2014

Fundstellen:

NStZ-RR 2015, 155

StV 2016, 699

Verfahrensgegenstand:

Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes u.a.

BGH, 24.02.2015 - 4 StR 37/15

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen.

  2. 2.

    Voraussetzung ist ferner, dass die schädlichen Neigungen auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen.

  3. 3.

    Ist der Angeklagte nach Begehung der abgeurteilten Taten, die im Urteilszeitpunkt mehr als zwei Jahre zurück lagen, nicht mehr straffällig geworden ist, kann dies darauf hindeuten, dass eine Gefahr künftiger Straftaten nicht mehr besteht.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 30. Oktober 2014 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.

3

Jedoch hat der Strafausspruch keinen Bestand.

4

Das Landgericht hat gegen den im Tatzeitraum 19 bzw. 20 Jahre alten Angeklagten eine Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG verhängt. Zwar sei zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft sei und sich die Intensität der festgestellten sexuellen Handlungen vergleichsweise noch in Grenzen gehalten habe. Jedoch würden die "Schwere der Taten" und das "Tatbild insgesamt" für das Vorhandensein schädlicher Neigungen sprechen. Die erforderliche Nachreifung des Angeklagten sei nicht mehr allein mit Erziehungsmaßregeln bzw. Zuchtmitteln zu erreichen, sondern allein mit den Mitteln des Jugendstrafvollzugs. Die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sei unbedingt erforderlich, um noch erzieherisch auf den Angeklagten einwirken zu können.

5

Diese Erwägungen leiden an durchgreifenden Erörterungsmängeln und halten rechtlicher Überprüfung daher nicht stand.

6

1. Schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Voraussetzung ist ferner, dass die schädlichen Neigungen auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 5; Beschluss vom 13. November 2013 - 2 StR 455/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schädliche Neigungen 11, jeweils mwN).

7

2. Gemessen daran wäre vom Landgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nach Begehung der abgeurteilten Taten, die im Urteilszeitpunkt mehr als zwei Jahre zurück lagen, nicht mehr straffällig geworden ist. Dieser Umstand kann darauf hindeuten, dass eine Gefahr künftiger Straftaten nicht mehr besteht (BGH, Beschluss vom 13. November 2013 aaO). Die Strafkammer hätte ferner in den Blick nehmen müssen, dass die einschlägige Vorverurteilung des Angeklagten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den hier abgeurteilten Taten stand und dasselbe Tatopfer betraf, der Angeklagte Selbstanzeige erstattete und sich in Therapie begab. Dass Verlauf und Ergebnis dieser therapeutischen Behandlung für die Beurteilung der Frage, ob beim Angeklagten noch zum Zeitpunkt des Urteils schädliche Neigungen vorlagen, von Bedeutung sein konnten, liegt auf der Hand und hätte daher ebenfalls der Erörterung bedurft.

8

Die Sache bedarf daher zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Sost-Scheible

Quentin

Mutzbauer

Franke

Roggenbuck

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