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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.05.2014, Az.: V ZB 21/14
Angaben über den Zeitraum einer Abschiebung als Voraussetzung für einen zulässigen Haftantrag
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.05.2014
Referenz: JurionRS 2014, 16229
Aktenzeichen: V ZB 21/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Schwalmstadt - 03.12.2013 - AZ: 53 XIV 54/13

LG Marburg - 30.12.2013 - AZ: 3 T 276/13

Rechtsgrundlage:

§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-5 FamFG

BGH, 15.05.2014 - V ZB 21/14

Redaktioneller Leitsatz:

Die im Zusammenhang mit der Anordnung der Sicherungshaft abgegebene Begründung, der Zeitraum der Haft sei notwendig, um die Abschiebung durchzuführen, stellt eine universell einsetzbare Leerformel dar, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Czub und Dr. Roth, die Richterin Dr. Brückner und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Schwalmstadt vom 3. Dezember 2013 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 30. Dezember 2013 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Hessen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2013 gegen den Betroffenen, einen jordanischen Staatsangehörigen, Haft zur Sicherung der Abschiebung bis einschließlich 2. Januar 2014 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

2

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Sicherungshaft rechtmäßig gewesen. Insbesondere liege ein ausreichender und damit zulässiger Haftantrag vor. Zwar sei dem Betroffenen der Haftantrag vor Beginn der Anhörung nicht ausgehändigt worden. Dieses Versäumnis sei aber nachgeholt worden, weil Antrag und Anhörungsprotokoll dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen übersandt worden seien. Mit den daraufhin erhobenen Einwendungen habe sich bereits das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung auseinandergesetzt.

III.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog § 62 FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010 V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.

4

1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung schon deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

5

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 29. November 2012 - V ZB 170/12, InfAuslR 2013, 157 Rn. 11 f.; vom 5. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 9 f. und vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 12 ff., jeweils mwN).

6

b) Daran gemessen war der Antrag unzureichend. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach Jordanien enthält der Antrag nicht. Die Begründung, der Zeitraum der Haft sei notwendig, um die Abschiebung durchzuführen, stellt eine universell einsetzbare Leerformel dar, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt.

7

2. Eine Heilung des Mangels - die mit Wirkung für die Zukunft möglich gewesen wäre - ist schon deshalb nicht erfolgt, weil das Beschwerdegericht den Betroffenen nicht persönlich angehört hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8).

8

3. Zudem besteht Anlass zu dem Hinweis, dass das Beschwerdegericht von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht absehen darf, wenn bei der Anhörung in erster Instanz zwingende Verfahrensvorschriften verletzt worden sind; so liegt es, wenn der Haftantrag dem Betroffenen nicht vor Beginn der Anhörung in Kopie ausgehändigt worden ist (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG; ausführlich Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 f.). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

IV.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann

Czub

Roth

Brückner

Kazele

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