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Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.03.2014, Az.: IX ZR 2/12
Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes für Insolvenzanfechtungsklagen gegen einen im Ausland ansässigen Anfechtungsgegner
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Versäumnisurteil
Datum: 27.03.2014
Referenz: JurionRS 2014, 15589
Aktenzeichen: IX ZR 2/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Münster - 28.10.2010 - AZ: 2 O 736/09

OLG Hamm - 03.05.2011 - AZ: I-27 U 145/10

BGH - 21.06.2012 - AZ: IX ZR 2/12

BGH - 25.07.2012 - AZ: IX ZR 2/12

BGH - 11.10.2012 - AZ: IX ZR 2/12

Rechtsgrundlage:

Art. 3 Abs. 1 EUInsVO

Fundstellen:

BB 2014, 1409

DB 2014, 7

DB 2014, 1315

GWR 2014, 288

InsbürO 2014, 409

JZ 2014, 422

MDR 2014, 796-797

NJW-RR 2014, 1137

NZG 2014, 1111-1112

NZI 2014, 7

NZI 2014, 672

RIW 2014, 452-453

ZInsO 2014, 1176-1177

ZIP 2014, 1132-1133

ZVI 2014, 303

BGH, 27.03.2014 - IX ZR 2/12

Amtlicher Leitsatz:

EUInsVO Art. 3 Abs. 1

Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind auch dann für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfech-tungsgegner zuständig, wenn dieser seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitglied-staates hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Mai 2011 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 28. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Landgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 4. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der in Deutschland wohnhaften A. Z. (fortan: Schuldnerin). Die Beklagte, die Stiefmutter der Schuldnerin, ist Schweizer Staatsangehörige und lebt in der Schweiz. Der Kläger nimmt sie im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr eines Betrages von 8.015,08 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch weiter. Der Senat hat gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Frage eingeholt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig ist, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 - IX ZR 2/12, WM 2012, 1449).

Entscheidungsgründe

2

Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).

3

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.

4

Das Berufungsgericht hat die Klage wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für unzulässig gehalten. Art. 3 EuInsVO sei nicht einschlägig, weil der Wohnsitz der Beklagten nicht in einem Mitgliedstaat liege; es fehle ein hinreichender Bezug zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

6

1. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Eine Insolvenzanfechtungsklage gehört zu denjenigen Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und mit ihm in einem engen Zusammenhang stehen; sie fällt deshalb als Annexverfahren ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - Rs C-339/07, NZI 2009, 199; BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 39/06, NZI 2009, 532 Rn. 6 f; Beschluss vom 21. Juni 2012 - IX ZR 2/12, WM 2012, 1449 Rn. 3). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

7

2. Die Beklagte wohnt nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat, nämlich in der Schweiz. Gleichwohl sind die deutschen Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage gegen sie zuständig. Auf die Vorlage des Senats gemäß Beschluss vom 21. Juni 2012 (aaO) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 16. Januar 2014 (Rs C-328/12, NZI 2014, 134) entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates hat. An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden.

8

3. Örtlich zuständig ist entsprechend § 19a ZPO, § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO das Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 21 ff). Die Überlegungen, welche der Senat hinsichtlich der gegen einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Anfechtungsgegner erhobenen Anfechtungsklage angestellt hat, gelten im Fall eines in einem Drittstaat ansässigen Anfechtungsgegners in gleicher Weise. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71 GVG.

III.

9

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Münster zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben.

Kayser

Lohmann

Pape

Grupp

Möhring

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. März 2014

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