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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 05.12.2013, Az.: IX ZR 6/13
Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung einer Steuerberatungsgesellschaft im Zusammenhang mit einer Verschmelzung zweier Gesellschaften
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 56105
Aktenzeichen: IX ZR 6/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Dresden - 04.05.2012 - AZ: 1 O 423/11

OLG Dresden - 03.12.2012 - AZ: 13 U 949/12

Fundstelle:

BFH/NV 2014, 1344

BGH, 05.12.2013 - IX ZR 6/13

Redaktioneller Leitsatz:

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze findet, verstößt auch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die Nichtberücksichtigung darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Es verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dass eine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp

am 5. Dezember 2013

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Dezember 2012 zugelassen.

Auf die Revision der Klägerin wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert für das Revisionsverfahren wird auf 254.125,74 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Steuerberatergesellschaft wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Verschmelzung zweier Gesellschaften, die zur G. Unternehmensgruppe gehörten, auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Mit notariellem Vertrag vom 22. Februar 2007 beschlossen die damalige T. GmbH und die M. GmbH ihre Verschmelzung, wobei die T. GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme auf die M. GmbH übertrug. Im Rahmen einer zugleich vereinbarten Satzungsänderung wurde der Name der übernehmenden Gesellschaft von M. GmbH auf T. GmbH - jetzige Klägerin - geändert. Die Änderungen wurden am 26. März 2007 (Umfirmierung) und am 2. April 2007 (Verschmelzung) in das Handelsregister eingetragen.

3

Zum 31. Dezember 2006 bestanden für die ursprüngliche T. GmbH Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer in Höhe von 1.194.785 € und bei der Gewerbesteuer in Höhe von 487.310 €. Demgegenüber bestanden für die übernehmende Gesellschaft bei der Körperschaftsteuer keine Verlustvorträge und bei der Gewerbesteuer Verlustvorträge von lediglich 24.609 €. Nach § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 UmwStG sind die Verlustvorträge der ursprünglichen T. GmbH nicht auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen.

4

Die Klägerin macht diesen Verlust als Schaden geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 11. Oktober 2012 mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg; sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulassung der Revision, Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

6

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei Geltendmachung eines Regressanspruches wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung habe die Schadensberechnung des Mandanten auf der Grundlage der Differenztheorie durch einen Gesamtvermögensvergleich zu erfolgen. Der Geschädigte dürfe sich nicht darauf beschränken, nur einzelne steuerliche Nachteile herauszugreifen. Diesen Anforderungen genüge der Sachvortrag der Klägerin nicht. Zwar stütze sie ihre Schadensberechnung nicht nur auf einen einzigen Steuernachteil - die Körperschaftsteuer - sondern habe auch den damit zusammenhängenden Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer einbezogen. Sie gehe aber selbst davon aus, dass es Ziel der Unternehmensumgestaltung gewesen sei, durch die Konzentration und Vereinheitlichung der Gesellschaften in einem Betriebsunternehmen Kosten zu sparen und Synergie-Effekte zu nutzen. Diese Gesichtspunkte hätten in die Schadensberechnung eingestellt werden müssen. Bei der Verschmelzung einer Gesellschaft auf eine andere handele es sich um einen komplexen Vorgang. In einem sollen Fall genüge der Mandant, der seinen Berater auf Schadensersatz in Anspruch nehme, seiner Verpflichtung zum Schadensnachweis nicht dadurch, dass er einige nachteilige Steuerfolgen herausgreife. Vielmehr müssten sämtliche Vor- und Nachteile umfassend gegeneinander abgewogen werden. Hierzu fehlten die notwendigen Ausführungen der Klägerin.

7

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht mit Recht eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG darin, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringen zur jeweiligen Auswirkung der Verschmelzung nach den beiden in Betracht kommenden Richtungen unberücksichtigt gelassen hat.

8

a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn. 10; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8; vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 10). Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Es verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dass eine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, NJW 2009, 2598 Rn. 2).

9

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

10

aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht die Grundsätze über den Gesamtvermögensvergleich herangezogen. Danach ist im Rahmen der Schadensdarlegung nicht auf Einzelpositionen (hier: einzelne Steuerverluste) abzustellen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 33; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 45; vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 18; vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 16).

11

bb) Den vom Berufungsgericht für maßgeblich angesehenen Gesichtspunkten einer Kostenersparnis und weiterer Synergie-Effekte kommt hier keine eigenständige Bedeutung zu; weiterer Vortrag der Klägerin hierzu war nicht geboten. Hinsichtlich des geltend gemachten Beratungsfehlers geht es ausschließlich um die Frage, in welche Richtung die Verschmelzung hätte vorgenommen werden müssen. Nach dem Sachvortrag der Klägerin ist das verschmolzene Unternehmen nach jeder der beiden in Betracht kommenden Handlungsalternativen wirtschaftlich identisch mit dem nunmehr am Markt tätigen Unternehmen. Unter diesen Umständen ist nach dem Sachvortrag der Klägerin auch kein Anhalt für die Berücksichtigung weiterer Vorteilsausgleichungen in Form von Kosteneinsparungen und Synergie-Effekten gegeben. Diesen Kerngehalt des klägerischen Vortrags hat das Berufungsgericht verkannt. Aus seinen Erwägungen wird nicht deutlich, was die Klägerin noch hätte vortragen sollen, wenn die Verschmelzung in die andere Richtung erfolgt wäre. Das Berufungsgericht hat damit verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an die Vortragslast der Klägerin gestellt.

III.

12

Der angefochtene Beschluss beruht danach auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es den als unsubstantiiert behandelten Sachvortrag der Klägerin in die Entscheidungsfindung einbezogen und gegebenenfalls hierzu erforderlichen Beweiserhebungen nachgegangen wäre.

Kayser

Gehrlein

Vill

Fischer

Grupp

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