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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 03.12.2013, Az.: 1 StR 579/13
Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 03.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 53375
Aktenzeichen: 1 StR 579/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Würzburg - 30.07.2013

Fundstellen:

AO-StB 2015, 12

NStZ 2014, 6

wistra 2014, 144-145

wistra 2014, 2

Verfahrensgegenstand:

Steuerhinterziehung

BGH, 03.12.2013 - 1 StR 579/13

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Gutschriften über tatsächlich nicht durchgeführte Lieferungen berechtigen nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug.

2.

Es hat jedoch verkannt, dass ein Vorsteuerabzug allenfalls beim Aussteller der Gutschriften, nicht aber beim Gutschriftsempfänger zu einer Steuerverkürzung führen kann.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2013 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 30. Juli 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

    1. a)

      soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer hinsichtlich des Voranmeldungszeitraums August 2010 (Fall Nr. 4 der Anklage) verurteilt worden ist,

    2. b)

      im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

  1. 2.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

  2. 3.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

3

a) Seit 28. Dezember 2009 war der Angeklagte Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der G. H. (im Folgenden: G. ). Im Zeitraum August bis Dezember 2010 tätigte er folgende Geschäfte mit Altgold:

4

aa) In den Monaten August bis Oktober 2010 verkaufte der Angeklagte mehrfach zum Schein Altgold an die Go. R. S. (im Folgenden: Go. R. ). Er wusste dabei, dass tatsächlich keine Umsätze stattfanden und er insoweit auch nicht unternehmerisch tätig war. Er übergab lediglich Altgold, was ihm vorher zu diesem Zweck übergeben worden war, an S. , den "Verantwortlichen" der Go. R. . Das von der Go. R. als Kaufpreis an die G. überwiesene Geld hob der Angeklagte jeweils in bar ab und gab es unter Einbehalt kleiner Beträge an S. zurück. Obwohl die einzelnen Goldverkäufe tatsächlich nicht stattgefunden hatten, erstellte die Go. R. Ankaufsgutschriften unter offenem Ausweis von Umsatzsteuer, denen der Angeklagte nicht widersprach. Die hierbei ausgewiesene Umsatzsteuer betrug für August 2010 220.849,40 Euro, für September 2010 67.802,46 Euro und für Oktober 2010 1.208,25 Euro.

5

bb) In den Monaten September bis Dezember 2010 führte der Angeklagte im Namen der G. (nicht fingierte) Goldlieferungen an die Scheideanstalten C. sowie M. durch. Über den Verkaufspreis erhielt er jeweils Gutschriften mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer. Die Gutschriften der C. enthielten im Monat September 2010 ausgewiesene Umsatzsteuer von 83.245,95 Euro und im Oktober 2010 von 48.662,50 Euro. Die M. erstellte der G. im Oktober 2010 Gutschriften mit einer ausgewiesenen Umsatzsteuer von 59.542,31 Euro, im November 2010 von 1.179.428,37 Euro und im Dezember 2010 von 1.184.717,40 Euro.

6

cc) Die "Umsätze" an die Go. R. im August 2010 erklärte der Angeklagte in einer für diesen Monat für die G. eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung. Für die Monate September bis Dezember 2010 reichte der Angeklagte keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein.

7

2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung für August 2010 als Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) gewertet. Es hat dabei ausgeführt, dass der Angeklagte gewusst habe, dass die von der Go. R. erstellten Gutschriften nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten (UA S. 12). Der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, weil er gewusst habe, dass er zur Abgabe inhaltlich richtiger Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet war. Die Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September bis Dezember 2010 hat das Landgericht als vier Fälle der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) gewertet.

8

3. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung für den Monat August 2010 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

a) Entgegen der Annahme des Landgerichts hat der Angeklagte für diesen Monat zugunsten der G. keine Umsatzsteuer verkürzt. Zwar war die Angabe eines steuerpflichtigen Nettoumsatzes mit der Go. R. in Höhe von 1.162.365,23 Euro und einer Umsatzsteuer von 220.849,40 Euro unzutreffend, da nur eine Goldübergabe, nicht jedoch eine Lieferung von Altgold stattgefunden hatte. Die angemeldete Umsatzsteuer war gleichwohl geschuldet, weil in den Gutschriften mangels zugrunde liegender Umsätze unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen worden war (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Damit mag der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung zwar über den Rechtsgrund der Steuerschuld getäuscht haben, indem er "steuerpflichtige Umsätze" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) angemeldet hat, obwohl "andere Steuerbeträge" gemäß § 14c UStG zu erklären waren (vgl. auch Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 5 K 319/12). Da sich deren Höhe deckte, führte die unrichtige Angabe bei der G. jedenfalls nicht zu einer Verkürzung von Steuern i.S.v. § 370 Abs. 1 AO.

10

Das Landgericht hat zwar im Ansatz zutreffend erkannt, dass die Umsatzsteuer aus Gutschriften über tatsächlich nicht durchgeführte Lieferungen nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigen. Es hat jedoch verkannt, dass ein Vorsteuerabzug allenfalls beim Aussteller der Gutschriften, nicht aber beim Gutschriftsempfänger zu einer Steuerverkürzung führen konnte.

11

b) Obwohl für den Monat August 2010 zugunsten der G. eine Steuerverkürzung nicht eingetreten ist, kommt ein Freispruch des Angeklagten nicht in Betracht. Ein Freispruch darf nur erfolgen, wenn vollständige und fehlerfrei getroffene Feststellungen ergeben, dass sich der Angeklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2000 - 1 StR 106/00; BGHSt 46, 53, 61; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - 5 StR 200/07, NStZ-RR 2008, 273). Dies ist hier nicht der Fall. Denn das Landgericht hat nicht geprüft, ob der Angeklagte mit der Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung, in der er zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerpflichtige Umsätze statt der tatsächlich vorliegenden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden anderen Steuerbeträge (gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG) angemeldet hat, Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung des Ausstellers der Gutschriften geleistet hat. Solches liegt zwar angesichts der Urteilsfeststellungen zur Einschaltung es Angeklagten nahe; es fehlen jedoch insbesondere Feststellungen dazu, ob die Go. R. gemäß § 15 UStG einen Vorsteuerabzug aus den in den Gutschriften enthaltenen Umsatzsteuerbeträgen vorgenommen hat. Der Tatvorwurf bedarf daher neuer tatrichterlicher Prüfung. Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen zu diesem Tatvorwurf insgesamt auf.

12

c) Die Aufhebung der Verurteilung in diesem Fall zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

13

4. Das Urteil im Übrigen hat dagegen Bestand.

14

a) Der Schuldspruch in den weiteren Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Nach den Urteilsfeststellungen hatte die G. in den Monaten September bis Dezember 2010 gegenüber zwei Scheideanstalten Lieferungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) von Altgold vorgenommen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218). Die Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen für diese Monate hat das Landgericht daher zutreffend jeweils als Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) angesehen.

15

b) Auch der Strafausspruch in diesen Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die Unterlassungstaten für die Veranlagungszeiträume November und Dezember 2010 als besonders schwer i.S.v. § 370 Abs. 3 AO gewertet hat. Soweit der Beschwerdeführer die Erörterung des § 46b StGB vermisst, deckt er keinen Rechtsfehler auf. Entgegen seiner Ansicht werden von § 100a Abs. 2 StPO nur die dort unter Nummer 2 Buchst. a bis c genannten Steuerstraftatbestände erfasst. Dass der Angeklagte zur Aufdeckung solcher Taten beigetragen hat, ist nicht festgestellt; eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Der Senat schließt aus, dass die den Voranmeldungszeitraum August 2010 betreffende Einzelstrafe die Höhe der übrigen Einzelstrafen beeinflusst hat.

Raum
Wahl
Jäger
Cirener
Radtke

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