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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.11.2013, Az.: VI ZR 202/13
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in einem Verfahren bzgl. der Zahlung eines Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.11.2013
Referenz: JurionRS 2013, 50605
Aktenzeichen: VI ZR 202/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Frankfurt am Main - 26.02.2013 - AZ: 24 U 131/12

OLG Frankfurt am Main - 03.04.2013 - AZ: 24 U 131/12

Fundstellen:

NJW-Spezial 2014, 74

r+s 2014, 94

zfs 2014, 210-211

BGH, 19.11.2013 - VI ZR 202/13

Redaktioneller Leitsatz:

Unterlässt es das Gericht, sachverhaltsrelevanten Beweisanträgen nachzugehen, liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner und Stöhr sowie die Richterin von Pentz

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 45.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von den Beklagten nach einem Verkehrsunfall die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

2

Die Klägerin erlitt am 27. Mai 2008 einen Auffahrunfall. Sie hatte an einer Kreuzung angehalten und war wieder angefahren, um nach rechts abzubiegen. Dann bremste sie wieder ab. In dem Moment fuhr der Beklagte zu 3 auf ihr Fahrzeug auf. Der Renault Clio der Klägerin wurde geringfügig im Bereich der hinteren Stoßstange sowie der Plastikverkleidung darunter beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 682,01 € netto. Am nächsten Tag begab sich die Klägerin in ärztliche Behandlung. Der Arzt stellte bei ihr die Diagnosen: "Halswirbelsäulenschleudertrauma (mittlere Schwere), Thoraxkompression durch Sicherheitsgurt, Prellung rechte Schulter, deutliche vegetative Erschöpfung mit Schweißausbrüchen". Die Klägerin hatte bereits im Jahr 1989 einen schweren Unfall erlitten, bei dem sie ein Polytrauma und insbesondere ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte.

3

Die Klägerin macht geltend, sie leide - erstmalig seit dem Unfall vom 27. Mai 2008 - unter andauernden migräneartigen Kopfschmerzen. Die Rotation des Kopfes in beide Richtungen sei eingeschränkt. Sie habe einen fixierten Schiefhals nach links, Tinnitus und Schwindel. Bei der Kopfdrehung sei ein lautes Krachen in der Halswirbelsäule zu hören. Des Weiteren leide sie seit dem Unfall unter Rückenschmerzen und unter anhaltenden Lumbalgien. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerden der Klägerin lebenslang anhalten würden. Das Landgericht hat die Klage ohne Einholung eines Gutachtens abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

II.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

5

1. Das Berufungsgericht ist unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu der Annahme gelangt, die Klägerin könne mit den von ihr angebotenen Beweismitteln den Nachweis der Ursächlichkeit des Unfalls für die von ihr geltend gemachten Beschwerden nicht führen. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht beanstandet, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 24. April 2012 ausdrücklich vorgetragen, dass sie zwar eine Vorschädigung der Wirbelsäule infolge des Unfalls von 1989 gehabt habe, dass sich diese Vorschädigung bei dem Unfallereignis aber nicht ausgewirkt habe. Ihre Beeinträchtigungen seien allein durch das streitgegenständliche Unfallereignis ausgelöst worden. Sie hat auf den ärztlichen Befundbericht vom 28. Mai 2008 verwiesen, der sich nicht auf eine Wiedergabe der Angaben der Klägerin beschränkt, sondern eigene Feststellungen des Arztes in Form der auf den Sicherheitsgurt zurückzuführenden Verletzungszeichen, der Thoraxkompression und der Prellung der rechten Schulter enthält. Zum Beweis ihrer Beschwerden hat sie sich auf die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen berufen und zur Ursächlichkeit des Unfalls für ihre Beschwerden die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Diesen Beweisanträgen hätte das Berufungsgericht unter den Umständen des Falles nachgehen müssen. Seine Erwägung, wonach weder ein medizinisches Gutachten noch die Vernehmung der sachverständigen Zeugen weitere Aufschlüsse zu den erlittenen Verletzungen und zur Kausalität liefern könne, beruht auf einer unzulässigen und gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden vorweggenommenen Beweiswürdigung (vgl. BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 15 ff. [BVerfG 24.01.2012 - 1 BvR 1819/10]).

6

2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Sachverständige anhand der Befundberichte des erstbehandelnden Arztes und eigener Untersuchungen der Klägerin Feststellungen zur Ursächlichkeit des Unfalls für die von dieser geltend gemachten Beschwerden treffen kann.

Galke

Zoll

Wellner

Stöhr

von Pentz

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