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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.09.2013, Az.: II ZR 291/11
Hinreichende Substantiierung des Eintritts eines Schadens durch unzulässige Abwerbung von Mitarbeitern (hier: Bereich der Arbeitnehmerüberlassung) oder Kunden; Beschränkung der Anfechtung auf einen Beklagten bei ursprünglich mehreren Beklagten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.09.2013
Referenz: JurionRS 2013, 48689
Aktenzeichen: II ZR 291/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Heilbronn - 18.03.2011 - AZ: 8 O 427/08

OLG Stuttgart - 30.11.2011 - AZ: 14 U 17/11

BGH, 24.09.2013 - II ZR 291/11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Besteht der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen. Werden in der Rechtsmittelschrift nur einige der gegnerischen Streitgenossen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet, so lässt dies nicht stets und unabhängig von den Umständen des einzelnen Falles eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels erkennen. Es kommt auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint.

  2. 2.

    § 252 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. An die dem Geschädigten insoweit obliegende Darlegung dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen, namentlich eines durch unzulässige Abwerbung von Mitarbeitern oder Kunden begründeten Schadens, für den es hinsichtlich der künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt.

  3. 3.

    Der ohne das schädigende Ereignis zu erwartende Umsatz eines Unternehmers kann im Regelfall auf der Grundlage des in der Vergangenheit nachhaltig erzielten Umsatzes geschätzt werden, sofern die der Schadensschätzung zugrunde zu legende Umsatzentwicklung nicht durch weitere, in ihren Auswirkungen nicht messbare, Sonderfaktoren beeinflusst wurde.

  4. 4.

    Auszugehen ist bei einem Schadens durch die unzulässige Abwerbung von Mitarbeitern von dem Verlust des Ertrags, den die abgeworbenen oder infolge der Abwerbung von Disponenten abgewanderten Mitarbeiter zuvor erwirtschaftet hatten. Dass eine solche Umsatzeinbuße den Umsatz des Unternehmens insgesamt mindert, bedarf grundsätzlich keiner weiteren Darlegung. Würde demgegenüber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, wie sich Umsatz und Gewinn des Unternehmens insgesamt entwickelt haben, so könnte gerade dies zur Berücksichtigung solcher Faktoren führen, die mit dem schädigenden Eingriff in keinem Zusammenhang stehen und daher richtigerweise außer Betracht zu bleiben haben.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie die Richter Born und Sunder

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richtet.

Auf die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2011 aufgehoben, soweit das Berufungsgericht die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat. Die im angefochtenen Urteil getroffene Kostenentscheidung bleibt bestehen, soweit der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 auferlegt wurden; im Übrigen wird sie aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1, die die Klägerin zu tragen hat -, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 500.000 €

Gründe

1

I. Die klagende GmbH betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung und unterhält zu diesem Zweck Niederlassungen an unterschiedlichen Standorten. Der Beklagte zu 1 und K. waren - zunächst mittelbar über den Beklagten zu 2 als Treuhänder, dann unmittelbar - an der Klägerin jeweils zu 45% beteiligt. Im Juni 2005 übertrug der Beklagte zu 1 seinen Geschäftsanteil auf den Mitgesellschafter K. , der seitdem 90% der Anteile hält. Weiterer Gesellschafter mit einem Anteil von 10% ist der Beklagte zu 2, der bis Ende September 2005 auch Geschäftsführer der Klägerin war. Seine Ehefrau gründete am 29. April 2005 die S. GmbH , die ebenfalls gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

2

Die Klägerin wirft den Beklagten zu 1 und 2 vor, sie hätten spätestens seit April 2005 versucht, Niederlassungsleiter und Disponenten abzuwerben, um sie und in ihrem Gefolge die Leiharbeitnehmer und Kunden der Klägerin auf die von ihnen mittelbar betriebene S. GmbH überzuleiten. Zum Teil sei ihnen dies auch gelungen. In den Abwerbegesprächen hätten die Beklagten wahrheitswidrig nachteilige Behauptungen über die wirtschaftliche Lage der Klägerin und die gesundheitliche Verfassung des Hauptgesellschafters K. aufgestellt. Durch den (teilweisen) Verlust der gewinnbringenden Niederlassungen in S. und C. sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von insgesamt 1.595.528 € entstanden.

3

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von 500.000 € nebst Zinsen zum Ersatz des ihr durch die Abwerbemaßnahmen entstandenen Schadens in Anspruch. Weitere Ansprüche sind nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz erklärt, dass sie aus dem vorliegenden Lebenssachverhalt abschließend Schadensersatz in Höhe von 590.000 € beanspruche. Dieser Anspruch ist in Höhe eines Teilbetrags von 90.000 €, den die Klägerin in einem Parallelverfahren widerklagend geltend gemacht hatte, inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden.

4

Das Landgericht hat die Klage, soweit sie den Schadensersatzanspruch in Höhe von 500.000 € betrifft (Klageantrag zu 1) abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin insoweit die Zulassung der Revision und die Aufhebung des Berufungsurteils.

5

II. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 richtet, ist sie unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

6

1. Der rechtzeitig beim Revisionsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift war nicht zu entnehmen, dass sich die Beschwerde auch gegen den Beklagten zu 1 richten sollte. Vielmehr ließ die Beschwerdeschrift, auch unter Berücksichtigung des beigefügten Berufungsurteils, eine Beschränkung der Anfechtung auf den Beklagten zu 2 erkennen.

7

a) An den notwendigen Inhalt der Beschwerdeschrift gemäß § 544 Abs. 1 ZPO sind die gleichen Anforderungen zu stellen, denen die Revisionsschrift (§ 549 Abs. 1 ZPO) - und hiermit übereinstimmend die Berufungsschrift (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 549 Rn. 1; Saenger/Kayser/Raphael Koch, ZPO, 5. Aufl., § 549 Rn. 1) - unterliegt, da nach § 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Fall der Revisionszulassung als Einlegung der Revision gilt (MünchKommZPO/Krüger, 4. Aufl., § 544 Rn. 9; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 544 Rn. 11; Saenger/Kayser/Raphael Koch, ZPO, 5. Aufl., § 544 Rn. 9; a.A. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 544 Rn. 9).

8

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, [...] Rn. 7; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 9; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 10; Beschluss vom 12. Juli 2011 - XI ZB 36/10, [...] Rn. 6 - jew. mwN) gehört zu dem notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO wie auch der Revisionsschrift nach § 549 Abs. 1 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll.

9

Dabei sind an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners weniger strenge Anforderungen zu stellen. Besteht der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, [...] Rn. 9; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 11). Eine solche Beschränkung kann sich daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige der auf der Gegenseite stehenden Streitgenossen angegeben werden (BGH, Beschluss vom 26. September 1961 - V ZB 24/61, NJW 1961, 2347; Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 173/86, ZIP 1987, 1316, 1317). Dies ist jedoch nicht zwingend. So hat der Bundesgerichtshof eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende, genannt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 f.; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 12; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12). Werden in der Rechtsmittelschrift nur einige der gegnerischen Streitgenossen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet, so lässt dies nicht stets und unabhängig von den Umständen des einzelnen Falles eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels erkennen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58, 59; Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, NJW 2003, 3203, 3204; Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07, [...] Rn. 6 f.).

10

Weil auch die Bezeichnung einer Partei als Teil einer Prozesshandlung auslegungsfähig ist, kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, letztlich auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12 f. mwN).

11

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der vorliegenden Beschwerdeschrift eine Beschränkung der Anfechtung auf den Beklagten zu 2 zu entnehmen. In der Beschwerdeschrift sind alle (ursprünglich) Beklagten aufgeführt, auch die Beklagte zu 3, gegen die die Klage bereits in der ersten Instanz zurückgenommen wurde. Angesichts dessen belegt die Einbeziehung des Beklagten zu 1 in das Rubrum der Beschwerdeschrift nicht, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde auch gegen ihn richten solle. Die Parteirollen des Beklagten zu 2 sind mit "Beklagter, Berufungskläger, Berufungsbeklagter und Beschwerdegegner (Revisionsbeklagter)" ebenso vollständig und präzise bezeichnet wie diejenige der Beklagten zu 3, die schon am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt war und daher folgerichtig nur als Beklagte bezeichnet wird. Unter diesen besonderen Umständen des vorliegenden Falles hat die Bezeichnung des Beklagten zu 1 als "Beklagter und Berufungsbeklagter" einen erheblich deutlicheren Aussagewert, als er mit einer bei mehreren gegnerischen Streitgenossen unterschiedlichen Verwendung der Bezeichnung als Rechtsmittelbeklagter ansonsten verbunden sein mag. Sie belegt im Streitfall, dass der Beklagte zu 1 nicht Beschwerdegegner sein, die Nichtzulassungsbeschwerde sich also nicht (auch) gegen ihn richten soll.

12

Aus dem der Beschwerdeschrift beigefügten Berufungsurteil ergibt sich nichts anderes. Insbesondere erscheint eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf den Beklagten zu 2 plausibel. Zwar betrifft die der Klageabweisung zugrunde gelegte Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihren Schaden nicht hinreichend dargetan, die Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 und 2 gleichermaßen. Gleichwohl liegt es nahe, die Rechtsverfolgung gegen den Beklagten zu 2 im Endergebnis für aussichtsreicher zu halten, da er im Unterschied zu dem Beklagten zu 1 nicht nur Gesellschafter der Klägerin, sondern bis Ende September 2005 auch deren Geschäftsführer war und aufgrund dieser Stellung weitergehenden Treuepflichten unterlegen haben kann. Tatsächlich besteht nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags für die Gesellschafter der Klägerin kein Wettbewerbsverbot, während einem Gesellschafter-Geschäftsführer zwar durch einen Gesellschafterbeschluss Befreiung erteilt werden kann, das Berufungsgericht aber nicht festgestellt hat, dass ein solcher Beschluss gefasst wurde.

13

c) Die aus der Beschwerdeschrift ersichtliche Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde führt entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin nicht dazu, dass im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1 keine Beschwerde eingelegt sei und sie daher auch nicht als unzulässig verworfen werden könne. Die - verspätete - Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegenüber dem Beklagten zu 1 ergibt sich aus der Beschwerdebegründung und der nachfolgenden klarstellenden Erklärung der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerde auch den Beklagten zu 1 erfassen sollte.

14

III. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt insoweit unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).

15

1. Das Berufungsgericht hat den Schadensersatzanspruch der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin ihren Vortrag zur Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert habe und tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO nicht dargetan seien. Hierzu hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt: Im Hinblick auf den - von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten - entgangenen Gewinn fehle es an einer Darstellung des Gewinns, der hinsichtlich des Gesamtunternehmens der Klägerin erwartet werden konnte. Selbst wenn man als zutreffend unterstelle, dass es sich bei den Niederlassungen in S. und C. um selbständige Filialen der Klägerin mit eigenen betriebswirtschaftlichen Auswertungen gehandelt habe, wäre gleichwohl zu berücksichtigen, dass in den von der Klägerin vorgelegten tabellarischen Aufstellungen keine anteiligen Gemeinkosten enthalten seien.

16

Damit hat das Berufungsgericht überspannte Anforderungen an den Vortrag der Klägerin zu dem Gewinn gestellt, der ihr durch den (teilweisen) Verlust ihrer Niederlassungen in S. und C. entgangen ist. Infolgedessen hat das Berufungsgericht den Parteivortrag der Klägerin nicht in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 - II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 Rn. 6; Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, ZIP 2009, 1467 Rn. 2; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 2).

17

a) § 252 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung, wonach dieser nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. An die dem Geschädigten insoweit obliegende Darlegung dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00, ZIP 2002, 895, 896; Urteil vom 26. Juli 2005 - X ZR 134/04, WM 2005, 2303, 2304; Urteil vom 6. Februar 2007 - X ZR 117/04, WM 2007, 1097 Rn. 15; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 3; BAG, NJW 2013, 331 Rn. 20 [BAG 26.09.2012 - 10 AZR 370/10]). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen, namentlich eines durch unzulässige Abwerbung von Mitarbeitern oder Kunden begründeten Schadens, für den es hinsichtlich der künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (vgl. BAG, NJW 2013, 331 Rn. 20 [BAG 26.09.2012 - 10 AZR 370/10]; BAG, NZA 2013, 748 Rn. 26 [BAG 16.01.2013 - 10 AZR 560/11]; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 30 f. - Tchibo/Rolex II; Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331, 333 - Chinaherde).

18

Der ohne das schädigende Ereignis zu erwartende Umsatz eines Unternehmers kann im Regelfall auf der Grundlage des in der Vergangenheit nachhaltig erzielten Umsatzes geschätzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 354/99, ZIP 2002, 531, 533; Beschluss vom 22. Juni 2009 - II ZR 143/08, ZIP 2009, 1467 Rn. 3; siehe auch BGH, Urteil vom 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640, 1641; Beschluss vom 27. Oktober 2010 - XII ZR 128/09, GuT 2010, 343 Rn. 4), sofern die der Schadensschätzung zugrunde zu legende Umsatzentwicklung nicht durch weitere, in ihren Auswirkungen nicht messbare, Sonderfaktoren beeinflusst wurde (vgl. BAG, NJW 2013, 331 Rn. 26 [BAG 26.09.2012 - 10 AZR 370/10]).

19

b) Im Streitfall hat die Klägerin für die Niederlassung S. , die sie infolge unzulässiger Abwerbemaßnahmen der Beklagten vollständig verloren habe, die Ertragslage für den Zeitraum Januar bis August 2005 dargestellt, indem sie im Einzelnen aufgeschlüsselte Aufstellungen (Anlagen K 34 - K 36) vorgelegt hat, die für jeden dort beschäftigten Arbeitnehmer den durch seine Tätigkeit erzielten Umsatz, die darauf entfallenden Kosten und den danach verbleibenden Erlös ausweisen. Aus dem Gesamterlös hat die Klägerin einen monatlichen Durchschnittserlös in Höhe von 40.116,32 € errechnet und hiervon die im Monatsdurchschnitt durch den Betrieb der Niederlassung allgemein angefallenen Kosten (Verwaltungs- und allgemeine Bürokosten, Mietzahlungen, Gehälter der Disponenten) abgesetzt, die sie mit 12.883,65 € ermittelt hat. Den danach verbleibenden Betrag von 27.232,67 € hat die Klägerin als durch den Wegfall der Niederlassung S. seit September 2005 monatlich entgangenen Gewinn geltend gemacht.

20

Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag ebenso wie das vergleichbare Vorbringen der Klägerin zu dem Gewinn, der ihr durch die Abwerbung von in der Niederlassung C. tätigen Arbeitnehmern entgangen sei, schon im Ansatz für unzureichend gehalten und ist ihm nicht weiter nachgegangen, weil die Klägerin keine Gesamtbetrachtung ihres Unternehmens vorgenommen habe. Für eine solche Gesamtbetrachtung besteht aber im vorliegenden Fall unter keinem erkennbaren Gesichtspunkt eine Notwendigkeit. Vielmehr hat gerade eine auf die konkreten Umstände des Falles bezogene Schadensdarlegung die Verhältnisse derjenigen Niederlassungen ins Auge zu fassen, die von dem schädigenden Eingriff betroffen waren (vgl. hierzu LAG Düsseldorf, Urteil vom 23. Februar 2010 - 17 Sa 1133/08, [...], Rn. 103). Auszugehen ist von dem Verlust des Ertrags, den die abgeworbenen oder infolge der Abwerbung von Disponenten abgewanderten Mitarbeiter zuvor erwirtschaftet hatten. Dass eine solche Umsatzeinbuße den Umsatz des Unternehmens insgesamt mindert, bedarf grundsätzlich keiner weiteren Darlegung. Würde demgegenüber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, wie sich Umsatz und Gewinn des Unternehmens insgesamt entwickelt haben, so könnte gerade dies zur Berücksichtigung solcher Faktoren führen, die mit dem schädigenden Eingriff in keinem Zusammenhang stehen und daher richtigerweise außer Betracht zu bleiben haben.

21

Sollte das Berufungsgericht erwogen haben, dass die durch den Verlust von Mitarbeitern bedingte Umsatzeinbuße einer Niederlassung zu einer Umsatzsteigerung anderer Niederlassungen der Klägerin geführt haben und hierdurch kompensiert worden sein könnte, hätte es dieser Frage durch Erteilung eines konkreten Hinweises weiter nachgehen können. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass eine Gesamtbetrachtung des Unternehmens vorzunehmen sei, war zur Klärung nicht geeignet. Im Übrigen sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts und des beiderseitigen Vortrags der Parteien im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Einbußen der hier betroffenen Niederlassungen durch Verlagerungen innerhalb des Unternehmens aufgefangen worden sein könnten. Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen, abgeworbene Arbeitskräfte seien von der mit ihr in Konkurrenz stehenden S. GmbH eingestellt worden, die zugleich die Kunden "übernommen" habe, die in der Vergangenheit die abgeworbenen Leiharbeitnehmer eingesetzt hätten.

22

Auch soweit eine durch den schädigenden Eingriff bedingte Verminderung der auf Unternehmensebene anfallenden Gemeinkosten in Betracht zu ziehen ist, geht es nicht um eine allgemeine Gesamtbetrachtung des Unternehmens, sondern allenfalls um die Berücksichtigung einzelner konkret zu benennender Faktoren. Insoweit hat sich das Berufungsgericht der Erkenntnis verschlossen, dass die von dem Beklagten zu 2 angeführten Unternehmenskosten, die durch den Verlust der Niederlassung S. entfallen seien, den von der Klägerin vorgetragenen entgangenen Gewinn nicht aufzehren und schon deshalb nicht zur vollständigen Abweisung des Schadensersatzanspruchs führen können. Gleiches gilt für den von dem Beklagten zu 2 aufgrund seiner Erinnerung geschätzten Kostenbetrag, der in der Niederlassung S. monatlich angefallen sei.

23

2. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es nicht schon wegen fehlenden Vortrags zu dem entgangenen Gewinn des Gesamtunternehmens und anteiligen Gemeinkosten davon abgesehen hätte, sich mit dem Vorbringen der Klägerin zur Schadenshöhe näher zu befassen.

24

a) Mit dem Einwand der Beschwerdeerwiderung, dass die Klägerin in einem kurzfristig agierenden Geschäftszweig in einer umkämpften Branche tätig sei und ein längerer Verbleib ihrer Arbeitskräfte nicht unterstellt werden könne, kann eine auf zurückliegende Umsätze gestützte Schadensschätzung nach § 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO zwar zeitlich begrenzt, aber nicht vollständig abgelehnt werden.

25

Der von der Klägerin zur Darlegung früherer Umsätze bisher zugrunde gelegte Zeitraum, der kein volles Jahr umfasst und damit jahreszeitlich bedingte Nachfrageschwankungen teilweise ausblendet, ist allerdings zu kurz bemessen. Der Klägerin ist jedoch Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag entsprechend zu ergänzen, zumal sie die Vorlage einer Auswertung der Jahre 2003 und 2004 auf entsprechende gerichtliche Anforderung selbst angeboten hatte.

26

b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann auch keine die Klageforderung insgesamt umfassende Verjährung angenommen werden. Soweit einzelne, hier in Betracht kommende materiell-rechtliche Ansprüche einer kurzen Verjährungsfrist unterliegen, wird möglicherweise zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin in einer dem Senat vorliegenden Parallelsache (LG Heilbronn - 4 O 234/05) im Rahmen einer noch in 2005 erhobenen, später zurückgenommenen Widerklage die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 2 begehrt hatte.

Bergmann

Caliebe

Reichart

Born

Sunder

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