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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.07.2013, Az.: XII ZB 40/13
Notwendigkeit der Gewährung dem Rechtsmittelführer durch einen Hinweis rechtliches Gehör vor Verwerfung einer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 42359
Aktenzeichen: XII ZB 40/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Schwabach - 24.10.2012 - AZ: 2 XVII 413/12

LG Nürnberg - 10.01.2013 - AZ: 13 T 110/13

Fundstellen:

AnwBl 2013, 829

BtPrax 2013, 205

FamRB 2014, 10

FamRZ 2013, 1569-1570

FGPrax 2013, 286

FuR 2013, 702-703

GuT 2014, 222

HFR 2014, 80

JurBüro 2013, 669

JZ 2013, 648

MDR 2013, 1115

NJW-RR 2013, 1281-1282

BGH, 24.07.2013 - XII ZB 40/13

Amtlicher Leitsatz:

FamFG § 70 Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 1

Vor Verwerfung einer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist dem Rechtsmittelführer durch einen Hinweis rechtliches Gehör zu gewähren, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu der Fristversäumung zu äußern und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - FamRZ 2010, 882).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Januar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 3.000 ?

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde, die sie in einem - ihre Tante betreffenden - Betreuungsverfahren eingelegt hat.

2

Das Amtsgericht hat für die Betroffene, die im September 2011 der Beteiligten zu 1 eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hatte, eine Betreuung angeordnet und einen Betreuer bestellt. Dieser Beschluss ist der Beteiligten zu 1 am 29. Oktober 2012 zugestellt worden. Ihre mit Schriftsatz vom 29. November 2012 eingelegte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

4

1. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 folgt die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde indessen nicht aus § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, weil es sich vorliegend nicht um eine Familienstreitsache im Sinne von § 112 i.V.m. § 117 FamFG handelt, sondern um ein Betreuungsverfahren und damit um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich allerdings aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts in Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers ohne Zulassung statthaft.

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Durch die Verwerfung ihrer Beschwerde wird die Beteiligte in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

6

a) Die Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Norm gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt (hier: zu der vom Landgericht angenommenen Fristversäumung) zu äußern (Senatsbeschluss vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - FamRZ 2010, 882 Rn. 7 mwN) und ggf. auch einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.

7

b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts - was die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zu Recht gerügt hat - verfahrensfehlerhaft ergangen.

8

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die mit Schriftsatz vom 29. November 2012 erfolgte Beschwerde der Beteiligten zu 1 erst am 30. November 2012 beim Amtsgericht eingegangen ist, und damit ein Tag nach Fristablauf. Dabei hat es versäumt, die Beteiligte zu 1 vor seiner Entscheidung hierauf hinzuweisen und ihr somit die Möglichkeit genommen, hierzu Stellung zu nehmen und - wie nunmehr mit der Rechtsbeschwerde vorgebracht - ein entsprechendes Sendeprotokoll für eine Telefaxversendung zur Kenntnis zu geben, wonach die Beschwerde bereits am 29. November 2012 versandt worden ist.

9

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat selbst gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG ist nicht möglich, da das Landgericht keine Feststellungen zur Sache getroffen hat. Deshalb ist die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

Dose

Klinkhammer

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

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