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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 22.07.2013, Az.: IX ZA 21/12
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im Zusammenhang mit einem Streit über die Versagung eines Anspruchs aus Insolvenzanfechtung; Zumutbarkeit von Vorschüssen auf die Prozesskostenhilfe
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 41572
Aktenzeichen: IX ZA 21/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Gera - 11.11.2010 - AZ: 2 O 1500/09

OLG Jena - 29.05.2012 - AZ: 5 U 974/10

Rechtsgrundlage:

§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO

BGH, 22.07.2013 - IX ZA 21/12

Redaktioneller Leitsatz:

Prozesskostenvorschüsse sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 22. Juli 2013 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2012 wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. KG (fortan: Schuldner). Er beantragt Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil, in dem ihm ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung versagt worden ist. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger als Partei kraft Amtes scheitert bereits an der Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Zwar besteht Masseunzulänglichkeit, so dass die Kosten der geplanten Rechtsverfolgung nicht gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12, ZVI 2013, 32 Rn. 9f). Den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ist es jedoch zuzumuten, die Vorschüsse auf die Prozesskosten aufzubringen.

2

1. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490, vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; vom 7. Februar 2012 - II ZR 13/10, Rn. 2, nv; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9; vom 13. September 2012, aaO).

3

2. Hieran gemessen ist dem W. die Aufbringung der Prozesskosten zumutbar.

4

a) Er ist mit einer zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung in Höhe von 315.144,98 € am Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligt. Dies entspricht einem Anteil von 53 v.H. der angemeldeten Forderungen (594.395,81 €). Er erhielte auf diese Forderung keine Quote, wenn der Prozess nicht erfolgreich geführt würde.

5

b) Ein Erfolg der auf Zahlung von 100.000 € zuzüglich Zinsen seit 12. Dezember 2006 gerichteten Klage lässt demgegenüber eine deutliche Verbesserung der Quote erwarten. Der Verband würde nach der Berechnung des Antragstellers davon etwa 30.000 € erhalten, wobei der nicht unbeträchtliche Zinsbetrag hierin noch nicht enthalten ist. Das ist mehr als das Dreifache der von ihm vorzuschießenden Kosten in Höhe von etwa 10.000 €. Selbst bei Annahme eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 30 v.H. ergäbe sich eine Quote, die zu einem mehrfachen des aufzubringenden Vorschusses führen würde. Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände ist es diesem Gläubiger daher zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Als Gläubiger öffentlicher Abgaben steht ihm keine Freistellung von der Kostenaufbringung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, ZIP 1998, 789, 790f; vom 8. Februar 1999 - II ZB 24/98, ZIP 1999, 494, 495; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 116 Rn. 15).

6

c) Im Übrigen wären auch die beiden übrigen "Großgläubiger", die Stadt K. (Steuern: 185.305,04 €) und der F. (Steuern: 59.913,22 €), anhand der vom Antragsteller angeführten Quoten im Rahmen einer anteiligen Aufbringung der Verfahrenskosten mit zu berücksichtigen. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang pauschal von einem unverhältnismäßigen Koordinierungsaufwand gesprochen hat, ist nicht ersichtlich, worauf dies gestützt werden könnte. Alle drei "Großgläubiger" befinden sich im gleichen Bundesland. Auch der Antragsteller hat dort seine Kanzlei, die zudem auf Insolvenzverwaltungen spezialisiert ist und mithin die gebotene Koordinierungserfahrung aufweisen dürfte.

Kayser

Gehrlein

Vill

Fischer

Grupp

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