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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.06.2013, Az.: V ZB 185/12
Fortgeltung der Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG (Hälfte des Grundstückswerts) im zweiten Versteigerungstermin; Rechtsbeschwerde gegen die Erteilung eines Zuschlags in einer Zwangsversteigerung bzgl. eines Grundstücks
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.06.2013
Referenz: JurionRS 2013, 40109
Aktenzeichen: V ZB 185/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Eisenach - 21.03.2012 - AZ: K 85/07

LG Meiningen - 04.09.2012 - AZ: 4 T 84/12

Rechtsgrundlage:

§ 85a ZVG

BGH, 06.06.2013 - V ZB 185/12

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Hat ein Gläubiger im ersten Versteigerungstermin ein nicht zuschlagsfähiges Gebot unter der Hälfte des Verkehrswerts abgegeben, damit das Grundstück von ihm in einem neuen Versteigerungstermin ohne Rücksicht auf die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG verwertet werden kann, so ist dieses Gebot wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam und die Wertgrenze gilt fort.

2.

Wird in diesem Termin die Wertgrenze nicht erreicht, so ist dem Gebot nach § 85a Abs. 1 ZVG der Zuschlag zu versagen (BGH, Beschl. vom 24.11.2005 - V ZB 98/05 -; BGH, Beschl. vom 10.05.2007 - 5 ZB 83/06, BGHZ 172, 218; BGH, Beschl. vom 17.07.22008 - V ZB 1/08, BGHZ 177, 334).

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 4. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt für die Gerichtsgebühren 118.940,17 € und 182.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht ordnete die Zwangsversteigerung des im Eingang genannten Grundstücks der Beteiligten zu 1 und 2 an. Der Verkehrswert wurde auf 364.000 € festgesetzt. Im Versteigerungstermin vom 2. September 2011 gab die H. Immobilien GmbH als einzige Bieterin ein Gebot über 50.000 € ab. Das Amtsgericht hat den Zuschlag gemäß § 85a Abs. 1 ZVG versagt. In dem auf den 27. Februar 2012 bestimmten neuen Versteigerungstermin blieb der Beteiligte zu 6 mit einem Gebot von 105.000 € Meistbietender. In einem späteren Verkündigungstermin wurde ihm der Zuschlag erteilt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 1 die Versagung des Zuschlags erreichen.

II.

2

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag zu Recht erteilt. Zwar habe das Gebot des Beteiligten zu 6 die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht; die Wertgrenze des § 85a ZVG habe im zweiten Versteigerungstermin aber nicht mehr fortgegolten. Das Vorbringen der Beteiligten zu 1 in der Beschwerdebegründung, die H. Immobilien GmbH habe im Gläubigerauftrag geboten und sei an dem Erwerb des Grundstücks nicht interessiert gewesen, sei nicht ausreichend substantiiert. Die von ihr zur Untermauerung ihres Vorbringens vorgelegte E-Mail vom 26. September 2011 belege ihre Behauptung eines rechtsmissbräuchlichen Gebots nicht.

III.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund Zulassung statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Erteilung des Zuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden.

4

1. Die Beschwerdeentscheidung ist nicht wegen fehlender Wiedergabe des maßgeblichen Sachverhalts aufzuheben. Allerdings weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, wegen der sich aus § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 ZPO ergebenden Beschränkung den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben müssen. Wird dem nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der ohne weiteres die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162, 163). Hier liegt es nur deshalb anders, weil sich der maßgebliche Sachverhalt mit gerade noch ausreichender Deutlichkeit den Gründen der Beschwerdeentscheidung entnehmen lässt.

5

2. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zu Recht an, dass die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in dem zweiten Versteigerungstermin am 27. Februar 2012 nicht mehr fortbestand.

6

a) Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Gebot, das mit dem Ziel abgegeben wird, die zum Schutz des Schuldners bestehende Regelung des § 85a Abs. 1 ZVG im Interesse eines Gläubigers zu unterlaufen, wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam und nicht geeignet, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen. So verhält es sich, wenn der Gläubiger in dem ersten Versteigerungstermin ein nicht zuschlagsfähiges Gebot unter der Hälfte des Verkehrswerts abgibt, damit das Grundstück von ihm in einem neuen Versteigerungstermin ohne Rücksicht auf die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG verwertet werden kann. In dem zweiten Termin gilt dann die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG fort. Wird in diesem Termin diese Grenze nicht erreicht, ist dem Gebot nach § 85a Abs. 1 ZVG der Zuschlag zu versagen (Senat, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.; Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 220 ff., der sich eingehend mit der von dem Beschwerdegericht erwähnten in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Kritik auseinandersetzt; Beschluss vom 17. Juli 2008 - V ZB 1/08, BGHZ 177, 334, 336 f.).

7

b) Das Beschwerdegericht war aber daran gehindert, die von der Beteiligten zu 1 erst im Beschwerderechtszug erhobene und durch Vorlage einer E-Mail untermauerte Behauptung zu berücksichtigen, das von der H. Immobilien GmbH abgegebene Gebot sei im Gläubigerauftrag erfolgt und habe nur dazu gedient, die Wertgrenze des § 85a ZVG zu Fall zu bringen. Die Zuschlagsbeschwerde kann, von den Besonderheiten des Schutzes von Leben und Gesundheit abgesehen, nicht auf neue, dem Versteigerungsgericht bei der Erteilung des Zuschlags nicht bekannte Tatsachen und Beweismittel gegründet werden. Dies folgt aus § 100 ZVG, wonach die Zuschlagsbeschwerde nur auf bestimmte, vor der Erteilung des Zuschlags liegende Rechtsmängel gestützt werden kann. Daraus ergibt sich, dass die die Rechtsmängel begründenden Tatsachen, die zeitlich später liegen oder erst später dem Versteigerungsgericht bekannt geworden sind, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen und deshalb bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde die Anwendung der Vorschrift des § 571 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist (Senat, Urteil vom 13. Juli 1965 - V ZR 269/62, BGHZ 44 138, 143 f.; Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.).

IV.

8

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen Aufhebung die Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde erreichen will (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht dem Meistgebot des Beteiligten zu 6 (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 richtet sich nach dem Wert ihres Anteils an dem versteigerten Objekt und beträgt daher 182.000 € (50 % des auf 364.000 € festgesetzten Verkehrswerts; § 26 Nr. 2 RVG).

Stresemann

Czub

Brückner

Weinland

Kazele

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