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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 13.12.2012, Az.: V ZB 149/12
Möglichkeit zur Nachholung einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung bzgl. der Wirksamkeit eines Erschließungsvertrages zwischen einer Gemeinde und einer Erschließungsgesellschaft
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.12.2012
Referenz: JurionRS 2012, 30561
Aktenzeichen: V ZB 149/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Münster - 03.04.2012 - AZ: 15 O 273/11

OLG Hamm - 19.07.2012 - AZ: I-22 U 87/12

BGH, 13.12.2012 - V ZB 149/12

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Juli 2012 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300 €.

Gründe

I.

1

Die Beklagte, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt L. ist, erwarb von dieser Grundstücke und schloss mit ihr einen Erschließungsvertrag, in welchem sie die Verpflichtung zur Erschließung eines Baugebiets übernahm. Mit notariellem Vertrag vom 18. Juni 2001 kauften die Kläger von der Beklagten ein Grundstück für 250 DM/qm. Nach § 3 sind in dem Kaufpreis "sämtliche Erschließungskosten nach dem Kommunalabgabengesetz ... enthalten".

2

Gestützt auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach welchem Verträge zwischen einer Gemeinde und einer kommunal beherrschten Erschließungsgesellschaft über die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen nichtig sind, haben die Kläger im Wege der Stufenklage zunächst die Verurteilung der Beklagten beantragt, ihnen als Gesamtgläubiger Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe Erschließungskosten in dem Kaufvertrag vom 18. Juni 2001 enthalten sind, und hierüber Rechenschaft zu legen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; es hat sein Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit welcher sie die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will.

II.

3

Das Berufungsgericht meint, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige nicht 600 €. Er bemesse sich im Fall der Einlegung einer Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem Interesse der beklagten Partei, die Handlung nicht vorzunehmen. Dabei sei von dem hier nicht gegebenen Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordere. Dass dieser größer als 600 € sei, habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Sie ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Zulässig ist sie nach § 574 Abs. 2 ZPO aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

6

2. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) bedarf es einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.

7

a) Im Ansatz zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch erfordert, wenn die Anforderungen, die das Berufungsgericht an die Zulässigkeit des Rechtsmittels stellt, überzogen sind und dem Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (siehe nur Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 V ZB 242/11, ZWE 2012, 334, 335 mwN).

8

b) Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung kann in einem Fehler bei der Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) liegen. Daran fehlt es hier jedoch.

9

aa) Voraussetzung für einen solchen Fehler wäre, dass das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte; denn die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands kann auch in dem Verfahren über eine aus anderen Gründen zulässige Rechtsbeschwerde nur in dieser Hinsicht überprüft werden (Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 V ZB 242/11, aaO). Dem Berufungsgericht ist jedoch bei der Ausübung seines Ermessens kein Fehler unterlaufen.

10

bb) Es stützt sich zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstands bei der Verurteilung zur Auskunft nach dem Aufwand an Zeit und Kosten bemisst, den die Auskunftserteilung erfordert, und was hier nicht in Betracht kommt nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten (siehe nur Beschluss vom 10. August 2005 XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 65 f.; Beschluss vom 24. November 1994 GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 86 ff.). Mit diesem Aufwand hat sich das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der von der Beklagten gegen den Beschluss, mit welchem es auf die beabsichtigte Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig hingewiesen hat, erhobenen Einwendungen befasst. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil nicht mit mehr als 600 € beschwert ist. Dabei hat es sein Ermessen nicht überschritten. Es geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat (§ 511 Abs. 3 ZPO), dass sie ohne einen diesen Betrag übersteigenden Aufwand nicht in der Lage ist, der Verurteilung Folge zu leisten. Denn sie hat nicht den ihr durch die Auskunftserteilung entstehenden Aufwand detailliert dargelegt. Dazu war sie jedoch verpflichtet (vgl. OLG Karlsruhe, OLGR 2002, 419 f.). Sie hat keinen Betrag genannt und noch nicht einmal Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Schätzung dieses Aufwands vorgetragen.

11

cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands unerheblich, dass der von dem Landgericht zugesprochene Auskunftsanspruch nur die Vorstufe des mit der Stufenklage geltend gemachten Leistungsanspruchs ist und deshalb nur zuerkannt werden kann, wenn dieser Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht. Für den Wert des Beschwerdegegenstands ist es ohne Belang, ob ein Zahlungsanspruch der Kläger besteht und ob das Landgericht die Beklagte zu Recht verurteilt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2005 XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 65). Deshalb kann dem Wert des Beschwerdegegenstands nicht der Streitund Beschwerdewert der gesamten Stufenklage zugrunde gelegt werden.

12

c) Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung kann auch darin liegen, dass das Berufungsgericht die gebotene Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht nachholt.

13

aa) Das Berufungsgericht ist gesetzlich verpflichtet, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, das Rechtsmittel nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es von einem 600 € übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstands ausgegangen ist, und das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält (siehe nur Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 V ZB 242/11, ZWE 2012, 334, 335 mwN). Eine solche Entscheidung durfte das Berufungsgericht hier jedoch nicht treffen. Es steht nicht fest, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, der Wert des Beschwerdegegenstands betrage mehr als 600 €. Zwar hat es sein Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Sicherheitsleistung nach § 709 Satz 1 ZPO in Höhe von 5.000 € angeordnet. Aber der Fall liegt anders als diejenigen Fälle, in denen das Urteil nach § 708 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Abwendungsbefugnis zugunsten des Schuldners nach § 711 ZPO ausgesprochen worden ist. In diesen Fällen deutet die Abwendungsbefugnis darauf hin, dass die Anwendbarkeit des § 713 ZPO verneint, mithin die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung bejaht worden ist. Mit der Anwendung des § 709 ZPO sind dagegen inzident das Vorliegen eines der in § 708 ZPO genannten Fälle und damit auch die Voraussetzungen des § 711 ZPO verneint worden. Dann ist § 713 ZPO von vornherein nicht anwendbar, ohne dass es auf die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung ankommt. Aus der fehlerhaften Anordnung einer Sicherheitsleistung und ihrer Höhe nach § 709 ZPO lassen sich deshalb keine hinreichend sicheren Schlüsse zur Beurteilung der Rechtsmittelfähigkeit durch das erstinstanzliche Gericht ziehen (BGH, Urteil vom 7. März 2012 IV ZR 277/10, NJW RR 2012, 633, 634 Rn. 16 f.).

14

bb) Da das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels zu Recht nicht getroffen hat, kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden.

IV.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens setzt der Senat mangels anderer Anhaltspunkte, auch in der Rechtsbeschwerdebegründung der Beklagten, in Übereinstimmung mit der Festsetzung des Berufungsgerichts für das zweitinstanzliche Verfahren auf 300 € fest.

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Brückner

Weinland

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