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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.11.2012, Az.: V ZB 112/12
Anforderungen an die Begründung einer Beschwerdeentscheidung bei Zulassung der Rechtsbeschwerde
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.11.2012
Referenz: JurionRS 2012, 28135
Aktenzeichen: V ZB 112/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Görlitz - 12.03.2012 - AZ: XIV B 21/12

LG Görlitz - 08.06.2012 - AZ: 2 T 78/12

BGH, 08.11.2012 - V ZB 112/12

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Bei Beschlüssen, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, ist die Wiedergabe des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unverzichtbar. Fehlt es daran, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine ausreichenden Gründe. Sie stellen einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, welcher zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung führt (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030 für Rechtsbeschwerden nach § 574 ZPO).

2.

Das gilt auch in Verfahren der Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft, in denen das Rechtsbeschwerdegericht nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt ausgehen muss, den das Beschwerdegericht festgestellt hat.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 8. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 12. März 2012 hat das Amtsgericht gegen die Betroffene, die sich unerlaubt in Deutschland aufhielt, Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 23. April 2012 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 8. Juni 2012 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Betroffene unter Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses die Feststellung erreichen will, dass sie durch die Haftanordnung in ihren Rechten verletzt worden sei.

II.

2

Das Beschwerdegericht hat in den Gründen seiner Entscheidung "analog § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO" zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass "der Betroffene" trotz Fristsetzung zur Beschwerdebegründung eine solche nicht eingereicht habe. "Analog § 540 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO" hat das Beschwerdegericht zur Bestätigung der Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt, den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und des hierauf Bezug nehmenden Nichtabhilfebeschlusses sei angesichts der mangelnden Beschwerdebegründung nichts hinzuzufügen; Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe in Bezug auf den angefochtenen Beschluss, welche von Amts wegen zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich.

III.

3

Die statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch sonst mit dem Feststellungsantrag zulässige Rechtsbeschwerde (§ 71 FamFG; siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9 f.) ist begründet. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist bereits deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.

4

1. Nach § 69 Abs. 2 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts zu begründen. Der Umfang der Begründung richtet sich nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls. Unverzichtbar ist bei Beschlüssen, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, die Wiedergabe des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 69 Rn. 43). Fehlt es daran, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine ausreichenden Gründe. Sie stellen einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, welcher zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung führt (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030 für Rechtsbeschwerden nach § 574 ZPO). Das gilt auch in Verfahren der Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft, in denen das Rechtsbeschwerdegericht nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt ausgehen muss, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (Senat, Beschluss vom 26. Juli 2012 V ZB 26/12, Rn. 4, [...]).

5

2. Die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses scheitert bereits daran, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar ist. Zwar mag wie hier geschehen die Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts die fehlende Sachverhaltsdarstellung dann ersetzen können, wenn dort der Sachverhalt umfassend dargestellt ist (BayObLG, NJW RR 1998, 1014, 1015 zu § 25 FGG [Vorgängerregelung von § 69 Abs. 2 FamFG]). Aber daran fehlt es hier. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts war die Haftanordnung wegen Fristablaufs bereits erledigt. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Betroffene in dem Beschwerdeverfahren darauf reagiert hat, z.B. mit einem Antrag nach § 62 Abs. 1 FamFG, ist nicht zu erkennen, weil in der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht der bei ihm gestellte Antrag wiedergegeben und auch nicht ausgeführt ist, dass die Betroffene keinen Antrag gestellt hat.

IV.

6

Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele

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