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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 31.10.2012, Az.: III ZB 51/12
Anforderungen an die Büroorganisation eines Rechtsanwalts bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 31.10.2012
Referenz: JurionRS 2012, 27034
Aktenzeichen: III ZB 51/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Tübingen - 07.12.2011 - AZ: 7 O 205/11

OLG Stuttgart - 12.06.2012 - AZ: 3 U 5/12

Fundstellen:

BRAK-Mitt 2013, 29

JurBüro 2013, 112

BGH, 31.10.2012 - III ZB 51/12

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Rechtsanwal tgenügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden mit den laut Sendeprotokoll versandten Seiten anzuordnen (BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 14 und vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513). Die entsprechende Prüfung braucht ein Rechtsanwalt dabei nicht selbst vorzunehmen; er kann sie seinem zuverlässigen Personal übertragen.

2.

Sind mehrere fristgebundene Schriftsätze an dasselbe Gericht zu übermiitteln, so hat die Übermittlung für jeden Schriftsatz gesondert zu erfolgen.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Oktober 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2 und 3 wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2012 aufgehoben.

Den Beklagten zu 2 und 3 wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 7. Dezember 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Sache wird zur Entscheidung über die Begründetheit der Berufung sowie über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 9.817,50 €

Gründe

1

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbe-

schwerdegerichts, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Tatsachen für die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist überspannt und damit die Grenzen tatrichterlicher Würdigung überschritten hat. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

2

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Berufung ist zu Unrecht vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen worden. Den Beklagten zu 2 und 3 ist Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

3

Die Umstände für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind glaubhaft gemacht, wenn die vorgelegte eidesstattliche Versicherung (§ 234 ZPO) eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für den in ihr dargestellten Sachverhalt ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, BeckRS 2008, 01358 Rn. 2).

4

a) Die Beklagten zu 2 und 3 haben zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags ausgeführt, die mit der - zur Fristwahrung erforderlichen - Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax betraute Angestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe eine zusätzlich beim Gericht einzureichende Streitverkündungsschrift versehentlich zweimal gesendet, während die Versendung der Berufungsbegründung unterblieben sei; dies sei bei der Prüfung der beiden Sendeberichte nicht aufgefallen.

5

b) Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs damit begründet, aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich nicht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten durch allgemeine Kanzleianweisung vorgeschrieben sei, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax die Versendung an den richtigen Empfänger oder die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen. Ferner fehle es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, bei der gleichzeitigen Versendung von mehreren Schriftsätzen an die gleiche Faxnummer anhand der Seitenzahl und des Ausdrucks der ersten Seite auf dem Faxprotokoll sicherzustellen, dass alle Schriftsätze auch tatsächlich versendet worden sind. Zwar trage der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2 und 3 im Wiedereinsetzungsantrag vor, wie sich die Bearbeitung von Notfristen in seiner Kanzlei darstelle. Darin werde auch aufgeführt, dass die Anzahl der Übertragungsseiten laut dem Versendungsprotokoll des Telefaxgeräts mit der Seitenzahl im Schriftsatz übereinstimme. Erst danach werde die Frist im Fristenkalender gestrichen. Hierbei handele es sich jedoch um die Darstellung der allgemeinen Übung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3. Nicht vorgetragen sei damit, dass er eine allgemeine Anweisung oder im vorliegenden Fall eine Einzelanweisung dergestalt getroffen habe, bei der gleichzeitigen Versendung von mehreren Schriftsätzen an den gleichen Empfänger die Versendung des jeweiligen Schriftsatzes durch Vergleich der Seitenzahl und des Deckblatts des jeweiligen Schriftsatzes mit dem Ausdruck des Faxprotokolls zu prüfen. Auch werde nicht vorgetragen, wie eine entsprechende allgemeine beziehungsweise Einzelanweisung effektiv kontrolliert werde. Insoweit liege ein den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden vor.

6

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist ein Vergleich

der Anzahl der zu übermittelnden mit den laut Sendeprotokoll versandten Seiten anzuordnen (BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 14 und vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513). Die entsprechende Prüfung braucht ein Rechtsanwalt dabei nicht selbst vorzunehmen; er kann sie seinem zuverlässigen Personal übertragen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778).

7

d) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2 und 3 hat dargelegt, wie in seinem Büro die Überwachung des Fristenkalenders und die Überprüfung der Faxprotokolle bei dem Versand fristgebundener Schriftsätze zu erfolgen hat. Die dargestellte Verfahrensweise hält den rechtlichen Anforderungen stand. Die Angestellten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3 sind gehalten, das Übertragungsprotokoll auch im Hinblick auf die übertragenen Seiten mit dem Ausgangsschriftsatz zu vergleichen, um die Vollständigkeit der Sendung zu überprüfen. Sind dabei - wie hier Berufungsbegründung und Streitverkündung - in einer Sache gleich zwei Schriftsätze zu übermitteln, so sind zwei getrennte Telefax-Sendungen zu veranlassen, bei denen diese Überprüfung jeweils gesondert vorzunehmen ist. Einer zusätzlichen Anweisung, besonders darauf zu achten, dass tatsächlich beide Schriftsätze - und nicht etwa einer doppelt - versendet werden, bedarf es, wie die Beschwerdebegründung zutreffend anführt, nicht, weil sich dies von selbst versteht. Damit hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten jedoch hinreichend dargelegt, dass er sein Büro durch Anweisung im Sinne der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle organisiert hat. Ein eigenes Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und 3 durch das Versehen der Angestellten ist damit nicht gegeben, da die Übertragung der Aufgaben an die Kanzleimitarbeiterin nicht zu beanstanden ist und die organisatorischen Voraussetzungen pflichtgemäß getroffen wurden. Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesge-

richts überspannt die Anforderung an die Darlegung und Glaubhaftmachung dieser organisatorischen Voraussetzungen unbeschadet der Frage, ob das Oberlandesgericht unter dem Blickwinkel seiner Rechtsauffassung gehalten gewesen war, den Beklagten zu 2 und 3 Gelegenheit zu geben, ihre Erklärungen in dieser Hinsicht zu ergänzen.

Schlick

Herrmann

Wöstmann

Hucke

Seiters

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