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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.10.2012, Az.: 4 StR 392/12
Notwendige Feststellungen im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bei Bestimmung der Gesamtmenge des Betäubungsmittels für den Angeklagten und für eine andere Person zum Weiterverkauf
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.10.2012
Referenz: JurionRS 2012, 28419
Aktenzeichen: 4 StR 392/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Siegen - 04.05.2012

Fundstellen:

NStZ-RR 2013, 6

NStZ-RR 2013, 81-82

StraFo 2013, 33-35

Verfahrensgegenstand:

unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

BGH, 24.10.2012 - 4 StR 392/12

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 4. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Geldschulden in Höhe von 1.000 Euro bei seinem Bekannten D. . Um diese nicht in bar zurückzahlen zu müssen, transportierte er am 7. Oktober 2011 für diesen zwei Kilogramm Marihuana von H. nach O. . Auf eine telefonische Bitte des D. unterbrach er seine Fahrt in L. und übernahm dort zwei weitere Kilogramm Marihuana, die er für 500 Euro zu einer Adresse in G. verbrachte. Das in H. übernommene Marihuana händigte der Angeklagte zunächst seinem Auftraggeber D. in O. aus. Eines der beiden Kilos kaufte er ihm auf Kommission ab und veräußerte es anschließend mit einem Aufschlag von zwei Euro pro Gramm an eigene Abnehmer weiter. Das Marihuana hatte einen THC-Anteil von 1 %. Mit dem erzielten Gewinn wollte der Angeklagte Schulden bezahlen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. 1.000 Euro zahlte er als Vorkasse für den Erwerb einer größeren Menge Amphetamin an einen Rauschgifthändler in den Niederlanden (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

3

Am 28. Oktober 2011 fuhr der Angeklagte nach Ha. , um dort von seinem niederländischen Lieferanten verabredungsgemäß Amphetamin für sich und D. in Empfang zu nehmen. Die Fahrt wurde von der Polizei überwacht. Nachdem seine niederländischen Geschäftspartner nicht an dem abgesprochenen Treffpunkt erschienen waren, nahm der Angeklagte Kontakt zu ihnen auf und vereinbarte ein Treffen in R. . Dort übernahm er am 29. Oktober 2011 insgesamt 7.231 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Amph-HCl-Anteil von 419,28 Gramm. Das Rauschgift verbaute er anschließend in seinem Fahrzeug und überquerte damit die niederländischdeutsche Grenze. Nach seiner Einreise wurde er festgenommen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

4

Das Landgericht hat die Vorgänge vom 7. Oktober 2011 als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Tat vom 28./29. Oktober 2011 als unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.

II.

5

Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.

6

1.

Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil dem Landgericht bei der Bestimmung der Strafe ein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen ist und eine neue Strafzumessung nur bei gleichzeitiger Aufhebung des Schuldspruchs möglich ist.

7

a)

Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er "nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel trieb und das Handeltreiben unterstützte" (UA 9). Diese Erwägung ist - wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme ergibt (UA 10) - auch in die Bemessung der dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. den §§ 27, 49 StGB entnommenen Strafe mit gleicher Bewertungsrichtung eingeflossen (UA 10). Da die vorhandene Gewinnorientierung des Angeklagten zusätzlich straferschwerend berücksichtigt worden ist, handelt es sich bei dieser Formulierung nicht lediglich um die negative Beschreibung der festgestellten Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350), sondern um eine eigenständige - für den Angeklagten nachteilige - Wertung. Dabei beschränkt sich das Landgericht nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen, sondern misst die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; vom 20. August 1982 - 3 StR 283/82, NStZ 1982, 463 [BGH 11.08.1982 - 2 StR 438/82]; vom 19. November 1992 - 4 StR 549/92, StV 1993, 132; vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Aus den gleichen Gründen ist es auch bedenklich, dass das Landgericht mit negativer Bewertungsrichtung angeführt hat, dass der Angeklagte dem zweiten von ihm unterstützten Auftraggeber "keinen Gefallen" schuldete (UA 10).

8

b)

Der Schuldspruch war mitaufzuheben, weil es das Landgericht unterlassen hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2000 - 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2). Nach den bisherigen Feststellungen drängte es sich auf, die Frage zu erörtern, ob sich der Angeklagte auch des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht hat (zum Konkurrenzverhältnis: Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29a Rn. 173 mwN). Soweit der Angeklagte selbst ein Kilogramm Marihuana erworben und gewinnbringend weiterverkauft hat, erfüllt dies die Voraussetzungen eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Insofern hat sowohl für das Konkurrenzverhältnis als auch die Frage, ob es sich um dieselbe prozessuale Tat handelt, die nicht eindeutig festgestellte zeitliche Abfolge zwischen dem Transport des Marihuanas für D. und dem anschließenden Ankauf Bedeutung. Eine nur auf den Strafausspruch beschränkte Aufhebung könnte unter Umständen dazu führen, dass der neue Tatrichter gehindert ist, durch widerspruchsfreie Feststellungen den richtigen Ausgangspunkt für eine unter Beachtung des Verschlechterungsgebots (§ 358 Abs. 2 StPO) schuldangemessene Ahndung der Tat zu finden (BGH, Urteil vom 3. März 2000 - 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2; Beschluss vom 11. November 1981 - 3 StR 342/81, zitiert bei Holtz MDR 1982, 281, 283). Eine Schuldspruchberichtigung kommt nicht in Betracht, weil die bisherigen Feststellungen nicht vollständig sind und deshalb den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht hinreichend erkennen lassen.

9

2.

Die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 2 der Urteilsgründe ist aufzuheben, weil die getroffenen Feststellungen ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht belegen.

10

a)

Der Senat entnimmt den Feststellungen, dass die von dem Angeklagten in R. übernommene und auf das Bundesgebiet verbrachte Amphetaminzubereitung teilweise für ihn selbst und teilweise für D. bestimmt war. Bei dieser Sachlage kommt eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nur dann in Betracht, wenn in der auf ihn entfallenden und zur Weiterveräußerung bestimmten Teilmenge ein den Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (10 Gramm Amphetaminbase) überschreitender Wirkstoffanteil enthalten war oder aber eine Zurechnung der Gesamtmenge nach den Grundsätzen über die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) erfolgen kann. Letztere setzt dabei auch hier eine wertende Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände voraus, wobei dem jeweiligen Interesse am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und dem Vorhandensein von Tatherrschaft eine indizielle Bedeutung zukommen (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 131/12, Rn. 5; vom 14. August 2002 - 2 StR 249/02, NStZ 2003, 90, 91). Dabei kann ein mittäterschaftliches Handeltreiben anzunehmen sein, wenn der gemeinsame Ankauf der Kostenreduktion und der Erzielung eines günstigen Einkaufpreises dienen sollte (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 1 StR 137/02, NStZ-RR 2003, 57, 58). Das Urteil enthält weder Feststellungen zu dem Anteil des Angeklagten an der Gesamtmenge, noch eine revisionsrechtlicher Überprüfung zugängliche wertende Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge. Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.

11

b)

Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass es bei Amphetaminzubereitungen für die Bestimmung der nicht geringen Menge auf den Amphetaminbase-Anteil ankommt (BGH, Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, NStZ 1986, 33 [BGH 11.04.1985 - 1 StR 507/84]). Das Landgericht hat sich bei seiner Bewertung an dem nicht maßgeblichen Amph-HCl-Gewichtsanteil orientiert, ohne die gebotene Umrechnung in Amphetaminbase vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 2 StR 157/11, Rn. 3; vom 19. Juli 2007 - 3 StR 257/07, Rn. 2 zur Umrechnung bei Amphetaminsulfat).

12

Der Senat lässt offen, ob es sich bei Amphetamin um eine "harte Droge" handelt, deren Gefährlichkeit unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Wirkstoffkonzentration straferschwerend berücksichtigt werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1997 - 2 BvR 509/96 u.a., NJW 1998, 669, 671).

Mutzbauer

Cierniak

Franke

Bender

Quentin

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