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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 26.09.2012, Az.: 4 StR 345/12
Vorliegen einer einheitlichen Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bei Bezug der strafrechtlichen Bewertung auf ein und denselben Güterumsatz
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.09.2012
Referenz: JurionRS 2012, 26196
Aktenzeichen: 4 StR 345/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Bochum - 03.05.2012

Fundstelle:

NStZ-RR 2013, 46-47

Verfahrensgegenstand:

zu Ziff. 1. unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu Ziff. 2. unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

BGH, 26.09.2012 - 4 StR 345/12

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 26. September 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. Mai 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die Revision des Angeklagten B. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

    Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, den Angeklagten D. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es bezüglich des Angeklagten B. den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 41.450 €, bezüglich des Angeklagten D. in Höhe eines Betrages von 2.010 € angeordnet. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Während die Revision des Angeklagten B. keinen Erfolg hat, führt das Rechtsmittel des Angeklagten D. zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.

2

Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

3

Hingegen hat das Rechtsmittel des Angeklagten D. Erfolg. Die Annahme des Landgerichts von 17 Bewertungseinheiten mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1, 3 Nr. 1 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens anzunehmen, wenn ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist (BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 - 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31; Senatsurteil vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4; BGH, Beschluss vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810). Alle Betätigungen, die sich auf den Vertrieb desselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittels richten, sind als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, bereits den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen (BGH, jeweils aaO).

5

2. Gemessen daran hat die Strafkammer zwar, im Ansatz zutreffend, die Bildung von Bewertungseinheiten für die vom Angeklagten durchgeführten Einzelverkäufe in Betracht gezogen, soweit die gehandelten Betäubungsmittel einer einheitlichen, größeren Erwerbsmenge entstammten; die Bildung von 17 Bewertungseinheiten beruht indes auf widersprüchlichen und damit rechtsfehlerhaften Erwägungen.

6

a) Das Landgericht hat seine Feststellungen zu den von dem Angeklagten D. durchgeführten Einzelverkäufen auf dessen "vollumfängliche geständige Einlassung" gestützt. Danach erhielt der Angeklagte von dem Mitangeklagten B. jeweils eine Gesamtmenge von bis zu 50 Bubbles in Größen von 0,1 bis 0,3 Gramm Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf und wurde für diese Tätigkeit von B. mit 50 bis 60 € pro Tag entlohnt. Eine neue, ähnlich große Teilmenge Kokain erhielt der Angeklagte erst, wenn er die zuvor in Empfang genommene Menge verkauft hatte. Im Regelfall suchte D. den B. zu diesem Zweck täglich auf, die einer Teilmenge zugehörigen Bubbles reichten indes in einigen Fällen auch mehrere Tage aus, weshalb der Angeklagte in seiner Wohnung ein Lager mit einem kleinen Kokainvorrat unterhielt. Dementsprechend trafen sich die beiden Angeklagten zwar in der Regel täglich, mitunter aber auch erst nach zwei bis drei Tagen, um die Verkäufe abzurechnen. Bei der rechtlichen Würdigung ist die Strafkammer hingegen für den Tatzeitraum vom 11. bis zum 27. September 2011 von insgesamt 17, jeweils an einem Tag verkauften Teilmengen ausgegangen. Der Angeklagte D. sei nach seiner eigenen geständigen Einlassung jeweils an vielen Tagen "vollständig ausverkauft" gewesen. Die Bildung mehrere Tage umfassender Bewertungseinheiten sei nicht in Betracht gekommen, da keine Feststellungen zu den Zeitpunkten und dem Umfang der Betäubungsmittel-Auffüllungen mit kleinen Mengen über einen längeren Zeitraum hinaus hätten getroffen werden können, die eine sichere Grundlage für die Bildung von anderen Handlungsabschnitten hätten ergeben können (UA 52).

7

b) Mit dieser Begründung durfte das Landgericht die Bildung von Bewertungseinheiten, welche die Verkäufe des Angeklagten an mehr als einem Tag umfassten, nicht ablehnen. Zwar gebietet es der Zweifelssatz nicht, von einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit auszugehen, wenn lediglich eine nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass mehrere veräußerte Kleinmengen aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren; auch eine willkürliche Zusammenfassung kommt nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. März 2002 aaO). Vor dem Hintergrund der ausdrücklich als glaubhaft bewerteten geständigen Einlassung des Angeklagten D. , die das Landgericht seinen Feststellungen in vollem Umfang zugrunde gelegt hat, bestanden im vorliegenden Fall jedoch konkrete Anhaltspunkte, die Anlass boten, der Frage nachzugehen, ob in einigen der festgestellten Fälle das vom Angeklagten an mehreren Tagen gewinnbringend weiterveräußerte Kokain aus einer vom Mitangeklagten B. angelieferten Gesamtmenge stammte. Lassen sich, wie die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nahe legen, insoweit genauere Feststellungen mit angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen, hat der Tatrichter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung vorzunehmen. Die von der Rechtsprechung insoweit für die vergleichbare Konstellation von Serientaten entwickelten Grundsätze müssen auch bei der hier gegebenen Situation Anwendung finden, bei der der Gesamtschuldumfang durch die Zahl und die jeweilige Menge der Einzelverkäufe innerhalb eines bestimmten Zeitraums feststeht, ferner konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einzelverkäufe jeweils größeren Einkaufsmengen entstammen und deshalb aus Rechtsgründen zu Bewertungseinheiten zusammengefasst werden müssen, die genaue Zuordnung bestimmter Verkäufe zu bestimmten Erwerbsmengen jedoch Schwierigkeiten bereitet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. März 2002 aaO mwN). Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. März 1999 - 3 StR 636/98, NStZ-RR 1999, 218) besagt nichts anderes: Im damaligen Fall war der Tatrichter jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte jeweils täglich nur die Mengen verkaufte, die er auf Grund einer vorherigen Absprache mit seinem Mittäter von diesem als Gesamtmenge zum Zwecke des Weiterverkaufs an diesem Tag erhalten hatte. So liegt der Fall jedoch hier, wie ausgeführt, gerade nicht.

8

3. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Annahme einer geringeren Zahl von Bewertungseinheiten eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt worden wäre.

III.

9

Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird nicht nur die erforderliche Schätzung vor dem Hintergrund der geständigen Angaben des Angeklagten vornehmen, sondern auch über die Frage der Anordnung von Wertersatzverfall neu befinden müssen.

Mutzbauer

Cierniak

Franke

Quentin

Reiter

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