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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.07.2012, Az.: II ZB 4/12
Streitwert und Rechtsmittelbeschwer bei Verurteilung eines geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer KG zur Gewährung von Einsicht in Namen und Anschriften der Mitgesellschafter
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.07.2012
Referenz: JurionRS 2012, 22634
Aktenzeichen: II ZB 4/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Düsseldorf - 20.04.2011 - AZ: 10 O 89/10

OLG Düsseldorf - 20.01.2012 - AZ: I-6 U 142/11

BGH, 24.07.2012 - II ZB 4/12

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Person bemist sich nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (st. Rspr., siehe nur BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 3 m.w.N.).

  2. 2.

    Es überschreitet nicht das dem Berufungsgericht eingeräumte Ermessen, wenn es die Beschwer eines zur Herausgabe einer Gesellschafterliste verurteilten geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft mit nicht mehr als 600 EUR bemisst.

  3. 3.

Die Beschwer ist auch nicht deshalb höher zu bemessen, weil die Prozessbevollmächtigten der Kläger die erlangten Informationen nutzen können, um neue Mandate zu akquirieren.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe, Dr. Reichart und den Richter Sunder

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2012 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: bis zu 300 €

Gründe

I.

1

Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Der Kläger ist dem Fonds im Jahre 1998 als Kommanditist beigetreten. Mit seiner Klage hat er, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der Einsicht in die Listen der Namen und der Anschriften der Mitgesellschafter des Fonds sowie der Möglichkeit begehrt, Ablichtungen gegen Erstattung der dadurch anfallenden Aufwendungen der Beklagten zu fertigen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung der Beklagten mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Zuvor hatte es die Beklagte unter Setzung einer Frist zur Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss wegen Nichterreichens der Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Gegen den Verwerfungsbeschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft; sie ist aber nicht zulässig, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

3

1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (st. Rspr., siehe nur BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 3 m.w.N.). Diese zur Auskunftserteilung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Verurteilung zur Einsichtsgewährung in Unterlagen (BGH, Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 86 f.; Beschluss vom 5. März 2001 - II ZB 11/00, WM 2001, 827 f.).

4

b) Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht von dem nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) nicht festgestellt hat (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 4 m.w.N.). Denn der Sinn des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Rechtsbeschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom Berufungsgericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Diese Beschränkung begrenzt zugleich die Möglichkeit des Rechtsbeschwerdegerichts, Tatsachen zu berücksichtigen, die erstmals im Verfahren der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2007 - XII ZB 133/06, NJW-RR 2007, 724 Rn. 5).

5

2. Gemessen hieran ist die Bewertung der Beschwer durch das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht alle maßgeblichen Tatsachen verfahrensfehlerfrei berücksichtigt. Zur Begründung bezieht sich der Senat insoweit auf die Ausführungen im Beschluss vom 15. Juni 2011 (WM 2011, 1335 Rn. 7 [BGH 15.06.2011 - II ZB 20/10]-12) in dem Parallelverfahren II ZB 20/10, in dem die dortige Beklagte, ein Schwesterfonds der hiesigen Beklagten, inhaltsgleichen Vortrag gehalten hat.

6

Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde geben zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

7

a) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Beklagte insoweit unmittelbar wirtschaftlich betroffen sei, als ihre gesellschaftsrechtliche Konstruktion durch die begehrte Einsichtnahme entwertet werde, vermag ihr dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Berufungsgericht hat die Entwertung der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion ermessensfehlerfrei für nicht werterhöhend gehalten. Abgesehen davon, dass die Beklagte die wirtschaftliche Entwertung ihrer gesellschaftsrechtlichen Konstruktion lediglich behauptet, ohne sie in irgendeiner Form nachvollziehbar darzulegen, geschweige denn glaubhaft zu machen, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, wieso der wirtschaftliche Wert der Beklagten durch die Bekanntgabe der Namen ihrer unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter beeinträchtigt werden sollte.

8

b) Dass die von der Beklagten geltend gemachte Gefahr, die Prozessbevollmächtigten des Klägers beabsichtigten, die Namen der Kommanditisten und Treugeber zur Akquirierung neuer Mandate und zur "Erhöhung der Schlagkraft" zu nutzen, für die Wertfestsetzung unbeachtlich ist, hat der Senat bereits im Beschluss vom 15. Juni 2010 (II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 10 [BGH 15.06.2011 - II ZB 20/10]) unter Berücksichtigung der auch am dortigen Verfahren vorgelegten Unterlagen als ermessensfehlerfrei gewertet.

9

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Höhe der von der Beklagten behaupteten Kosten der Gewährung der Einsichtnahme verfahrensfehlerfrei für nicht substantiiert gehalten. Abgesehen davon fehlt es auch insoweit an jeglicher Glaubhaftmachung. Die Rechtsbeschwerde blendet in diesem Zusammenhang im Übrigen weiter aus, dass sie das Anfertigen von Ablichtungen nur Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür anfallenden Aufwendungen schuldet. Wegen des Erstattungsanspruchs ist die Beklagte durch die im Zusammenhang mit der Gestattung der Anfertigung der Ablichtungen entstehenden Kosten wirtschaftlich nicht belastet.

Bergmann

Strohn

Caliebe

Reichart

Sunder

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