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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.05.2012, Az.: X ZR 5/11
Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 15.05.2012
Referenz: JurionRS 2012, 17028
Aktenzeichen: X ZR 5/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Potsdam - 17.03.2010 - AZ: 8 O 409/09

OLG Brandenburg - 22.12.2010 - AZ: 3 U 61/10

Fundstellen:

ErbR 2013, 53-55

NWB 2012, 2752

ZEV 2013, 213-215

BGH, 15.05.2012 - X ZR 5/11

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Voraussetzung für das Vorliegen einer gemischten Schenkung ist zunächst, dass dem Beschenkten objektiv eine Leistung des Schenkers zugewandt wird, die den Wert der versprochenen Gegenleistung überwiegt. Hierfür reicht eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten aus. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Gegenleistungen bedarf es insbesondere nicht eines Überwiegens des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen. Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistung beträgt.

2.

Auch der subjektive Tatbestand setzt nicht voraus, dass bei einer gemischten Schenkung der unentgeltliche Charakter überwiegt. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Verhältnis zwischen dem Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz, dann begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien.

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2012 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das am 22. Dezember 2010 verkündete Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger macht als Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht gegen den Beklagten Ansprüche auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin geltend.

2

Der Kläger hat der Schwiegermutter des Beklagten, Frau A. P. , die in der Zeit vom 27. November 2003 bis zu ihrem Tod am 10. April 2009 in einem Altenheim gelebt hat, Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 17.080,45 € geleistet.

3

Frau P. war Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Mit notariellem Vertrag vom 23. November 2000 übertrug Frau P. bei gleichzeitiger Begründung von Wohnungseigentum an der Wohnung im Erdgeschoss und an der Wohnung im Dachgeschoss ihres Hauses einen Miteigentumsanteil von 49/100 sowie Wohnungseigentum an der Wohnung im Dachgeschoss nebst entsprechendem Grundstücksanteil zu einem Preis von 100.100 DM an den Beklagten. Mit notariellem Vertrag vom 10. Juni 2004 übertrug sie den restlichen 51/100 Miteigentumsanteil verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Erdgeschoss an den Beklagten zu einem Kaufpreis von 18.500 €.

4

Der Vertrag vom 23. November 2000 enthält in § 5 die folgende Regelung:

"Ein Teilbetrag in Höhe von DM 66.480,00 wird auf die vom Käufer bisher erbrachten Leistungen für die Instandsetzung und Renovierung der Wohnung im Dachgeschoss angerechnet. Für den Restkaufpreis in Höhe von DM 33.240 übernimmt der Käufer auf Lebenszeit des Verkäufers alle für den Verkäufer anfallenden Kosten für das gesamte Grundstück. Diese sind insbesondere die Kosten für Heizung, Wasser, Strom, Müllabfuhr, Gartenpflege und Winterdienst sowie Steuern, Versicherungen und Grundbesitzabgaben. Damit ist der ganze Kaufpreis belegt. Auszahlungen an den Verkäufer erfolgen nicht."

5

In § 5 des Vertrags vom 10. Juni 2004 heißt es:

"Der Kaufpreis beträgt € 18.500. Der Kaufpreis wird mit den von dem Erwerber bisher erbrachten Leistungen für die Instandsetzung und Renovierung der Wohnung sowie erbrachter Pflegeleistungen verrechnet. Auszahlungen an den Veräußerer erfolgen nicht."

6

Der Kläger hat zu den Stichtagen 23. November 2000 und 10. Juni 2004 ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks eingeholt. Danach betrug der Wert des Anteils von 49/100 56.350 € und derjenige des Anteils von 51/100 75.480 €. Durch Aufteilung des Grundstücks hat der Beklagte zudem einen Bauplatz geschaffen mit einem Grundstückswert von 34.580 €.

7

Nach Auffassung des Klägers stellen die notariellen Verträge zwischen Frau P. und dem Beklagten gemischte Schenkungen dar.

8

Der Kläger hat Ansprüche der Frau P. gegen den Beklagten aus §§ 528, 812 ff. BGB auf sich übergeleitet. Der hiergegen erhobene Widerspruch und die anschließende Klage des Beklagten blieben ohne Erfolg.

9

Der Kläger stützt sein Klagebegehren vorrangig auf Herausgabe der durch den Vertrag vom 10. Juni 2004 und hilfsweise der durch den Vertrag vom 23. November 2000 erlangten Zuwendung und verlangt Zahlung von 17.080,45 € nebst Zinsen.

10

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte tritt dem entgegen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat Erfolg.

12

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Beide notarielle Verträge stellten sich nicht als gemischte Schenkungen dar. Eine gemischte Schenkung liege vor, wenn bei einem einheitlichen Vertrag, bei dem der Wert der Leistung des einen dem Wert der Leistung des anderen nur zum Teil entspreche, die Vertragsparteien dies wüssten und übereinstimmend wollten. Bei einem auffallenden groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung könne im Einzelfall auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung geschlossen werden. Auch unter dieser Voraussetzung sei allerdings von einer gemischten Schenkung nur dann auszugehen, wenn der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwiege. Dies sei dann der Fall, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des effektiven Werts des Geschenks betrage.

13

Dies treffe für beide notarielle Verträge nicht zu. Gegenstand der durch den Vertrag vom 10. Juni 2004 erfolgten Zuwendung sei eine unsanierte Eigentumswohnung gewesen. Für den Wert des nicht sanierten Objekts sei nach dem Vortrag des Klägers von den von ihm eingeholten Wertgutachten auszugehen, wonach der Wert des Objekts am Wertermittlungsstichtag 10. Juni 2004 insgesamt 148.000 € betragen habe. Davon entfielen auf den übertragenen Miteigentumsanteil 51% = 75.480 €. Weiter seien der auf die Erdgeschosswohnung entfallende Anteil von Aufwendungen für die Sanierung der Außenanlagen sowie die Sanierungskosten für die Erdgeschosswohnung abzuziehen. Der Wert des übertragenen Grundstücksanteils belaufe sich demnach auf 21.251 €. Dieser Betrag stehe in keinem groben Missverhältnis zu dem im notariellen Vertrag angegebenen Kaufpreis von 18.500 €. Auch sei die vom Beklagten tatsächlich erbrachte Gegenleistung nicht wesentlich geringer zu bewerten als der im Vertrag angegebene Betrag von 18.500 €. Allerdings könnten insoweit die Sanierungsaufwendungen, die der Beklagte erbracht habe, nicht berücksichtigt werden, weil sie entweder als Aufwendungen des Beklagten auf sein eigenes Vermögen oder als bereicherungsrechtlich rückabzuwickelnde Zuwendungen an die Schwiegermutter anzusehen seien. Zu berücksichtigen seien jedoch die Leistungen des Beklagten, die dieser erbracht habe, um die Herstellung der Vermietbarkeit zu erreichen. Diese hätten mehr als 12.000 € betragen. Hinzu komme ein Betrag von 5.500 DM, den der Beklagte seiner Schwiegermutter für Pflegekosten und als Taschengeld zugewandt habe. Der Betrag der tatsächlichen Gegenleistung übersteige danach die Hälfte des tatsächlichen Werts des Objekts. Es bestehe damit kein besonders grobes Missverhältnis, bei dem auf der Hand läge, dass die Parteien bei der Übertragung die Vorstellung gehabt hätten, diese erfolge überwiegend unentgeltlich.

14

Auch hinsichtlich der Übertragung der Dachgeschosswohnung liege keine gemischte Schenkung vor. Auch hier ergebe der Vortrag des Klägers nicht, dass die tatsächliche Gegenleistung nicht mindestens die Hälfte des tatsächlichen Werts des Objekts betragen habe. Der Kläger selbst unterstelle einen Sanierungsaufwand in Höhe von 23.317,06 DM, den der Beklagte getragen habe. Addiere man dazu die vom Beklagten gemäß § 5 des Vertrages übernommenen Grundstückskosten (für Heizung, Wasser, Strom etc.) mit 33.240 DM, so ergebe sich ein Betrag, der mehr als die Hälfte des vom Kläger angenommenen Werts des Objekts ausmache.

15

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Herausgabe des Werts der Schenkungen nicht verneint werden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen nicht, das Vorliegen von gemischten Schenkungen zu verneinen. Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistung beträgt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 X ZR 45/10, NJW 2012, 605 = FamRZ 2012, 207).

16

1. Voraussetzung ist zunächst, dass dem Beschenkten objektiv eine Leistung des Schenkers zugewandt wird, die den Wert der versprochenen Gegenleistung überwiegt (vgl. BGH, Urteile vom 21. Mai 1986 IVa ZR 171/84, NJW RR 1986, 1135, vom 18. Mai 1990 V ZR 304/88, WM 1990, 1790 [BGH 18.05.1990 - V ZR 304/88]). Hierfür reicht eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten aus. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Gegenleistungen bedarf es insbesondere nicht eines Überwiegens des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen; der Wert der geschenkten Zuwendung muss also nicht mindestens das Doppelte etwaiger Gegenleistungen betragen.

17

Anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schenker bei einer gemischten Schenkung aufgrund eines Herausgabeanspruchs die vollständige Herausgabe des Geschenks in Natur gegen Rückgewähr der Gegenleistung verlangt. Diese Form der Rückabwicklung kann der Schenker nur verlangen, wenn der unentgeltliche Charakter des Vertrags überwiegt, die Zuwendung des Schenkers also den doppelten Wert im Vergleich zur Gegenleistung hat (st. Rspr. seit BGH, Urteil vom 27. November 1952 IV ZR 146/52, NJW 1953, 501; vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 X ZR 42/97, NJW 1999, 1626). Dieses Kriterium hat damit nur für die Rückabwicklung Bedeutung. Überwiegt der unentgeltliche Charakter nicht, kann gleichwohl eine Schenkung vorliegen mit der Folge, dass der Schenker dann mit seinem Herausgabeanspruch nur einen Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und Gegenleistung verlangen kann.

18

2. Auch der subjektive Tatbestand setzt nicht voraus, dass bei einer gemischten Schenkung der unentgeltliche Charakter überwiegt.

19

a) Dieser Tatbestand ist in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Gesamtumstände des Falls festzustellen, wobei derjenige die Beweislast trägt, der sich auf die Schenkung beruft.

20

b) Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Verhältnis zwischen dem Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz, dann begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche widerlegbare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 6. März 1996 IV ZR 374/94, NJW RR 1996, 754). Auch unter diesem Gesichtspunkt trifft daher die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, eine gemischte Schenkung sei nur festzustellen, wenn die Zuwendung des Schenkers den doppelten Wert der Gegenleistung erreiche.

21

III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht unter Zugrundelegung vorstehender Grundsätze den Sachverhalt erneut tatrichterlich zu beurteilen haben wird. Seine bisherigen Feststellungen tragen das Ergebnis nicht.

22

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

23

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte keine Sanierungskosten in Ansatz bringen kann. Für die bis zum 10. Juni 2004 erbrachten Aufwendungen gelten die vertraglichen Regelungen in den notariellen Verträgen und sind diese Aufwendungen auf den jeweils vereinbarten Kaufpreis verrechnet worden. Bei den nach dem 10. Juni 2004 entstandenen Sanierungskosten, handelt es sich um Aufwendungen, die der Beklagte auf sein eigenes Vermögen erbracht hat.

24

Soweit das Berufungsgericht gleichwohl bei der Ermittlung des "Gesamtwerts des Objekts" zum Stichtag 10. Juni 2004 einen Anteil der Kosten der Außensanierung und die Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnung in Abzug gebracht hat, ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage und aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen dies geschehen ist. Nach dem ansonsten vom Berufungsgericht herangezogenen Wertgutachten betrug der Verkehrswert des Hausgrundstücks zum Wertermittlungsstichtag 23. November 2000 115.000 € und zum Wertermittlungsstichtag 10. Juni 2004 148.000 €. Dazu wird in dem Wertgutachten ausgeführt, dass für den ersten Bewertungsstichtag trotz des Ausbaus und der Renovierung der Wohnung im Dachgeschoss insgesamt ein einfacher Bau und Ausstattungsstandard des Hauses und zu dem zweiten Bewertungsstichtag aufgrund der inzwischen erfolgten baulichen Maßnahmen ein mittlerer Ausstattungsstandard zugrunde gelegt worden sei.

Weder aufgrund dieser Ausführungen noch aufgrund der übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht danach beim gegenwärtigen Sachstand Anlass für den Abzug von Sanierungskosten von dem zugrunde gelegten "Gesamtwert des Objekts". Das könnte dafür sprechen, dass jedenfalls bei dem Vertrag vom 10. Juni 2004 eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz zwischen Zuwendung und Gegenleistung vorliegt.

Keukenschrijver

Mühlens

Gröning

Grabinski

Schuster

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. Mai 2012

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