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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 27.03.2012, Az.: 2 StR 476/11
Voraussetzungen für die Annahme niedriger Beweggründe im Rahmen einer Verurteilung wegen Mordes
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.03.2012
Referenz: JurionRS 2012, 17045
Aktenzeichen: 2 StR 476/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Gera - 24.05.2011

Rechtsgrundlage:

§ 211 StGB

Fundstellen:

NStZ 2012, 443

StraFo 2012, 274-275

Verfahrensgegenstand:

Mord

BGH, 27.03.2012 - 2 StR 476/11

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 24. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, ohne dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen noch bedarf.

2

1.

Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die Tötung aus niedrigen Beweggründen begangen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Schwurgerichtskammer ist davon ausgegangen, der Angeklagte sei aus Wut und Verärgerung über seine fristlose Kündigung bzw. Nichterklärung dieser Kündigung in das Pflegeheim eingedrungen, um durch Verletzung einer dort untergebrachten Person einen "Störfall" in der Pflegeeinrichtung herbeizuführen. Zur mit bedingtem Vorsatz getragenen Tötungshandlung an dem Tatopfer, einer 87-jährigen, an Demenz erkrankten Bewohnerin, sei es erst gekommen, nachdem der Angeklagte sich aus einem in der Hauptverhandlung nicht näher feststellbaren Grund, etwa weil das Tatopfer Geräusche von sich gegeben habe, veranlasst gesehen habe, dieses nunmehr "ruhig zu stellen". Darin liege ein eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat. Ein auf einer derartigen Motivation beruhendes Handeln stehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte willkürlich eine unbeteiligte Person zum Opfer gemacht habe, sittlich auf tiefster Stufe und sei deshalb als besonders verwerflich und verachtenswert anzusehen (UA S. 48).

3

Dies rechtfertigt die Annahme niedriger Beweggründe nicht. Das Landgericht hat den konkreten Anlass, der den Angeklagten bewogen hat, das Tatopfer mit bedingtem Tötungsvorsatz zu würgen, in der Hauptverhandlung nicht feststellen können. Ohne Kenntnis dieses Umstands aber lässt sich ein "eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat", wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme niedriger Beweggründe führen kann, nicht belegen. Dass ein Angeklagter aus Verärgerung über seine Kündigung willkürlich eine unbeteiligte (und darüber hinaus wehrlose) Person zum Opfer macht und deshalb tötet, könnte zwar grundsätzlich Grundlage für die Annahme niedriger Beweggründe sein; doch bezieht sich die entsprechende Feststellung des Landgerichts zur Motivation und zum Vorgehen des Angeklagten auf einen der Tötung vorangehenden Zeitpunkt, zu dem er noch ohne Tötungsvorsatz handelte. Sie kann deshalb hier zur Begründung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht herangezogen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände, die den Angeklagten nach vorangegangenem, lediglich mit Körperverletzungsvorsatz getragenem ersten Übergriff auf das Tatopfer bewogen haben, sein Handeln nunmehr mit billigender Inkaufnahme des Todes fortzusetzen. Hierzu aber hat das Landgericht gerade keine sicheren, tragfähigen Feststellungen treffen können.

4

2.

Die fehlerhafte Annahme niedriger Beweggründe zieht - trotz an sich nicht zu beanstandender Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tötung - die Aufhebung der Entscheidung insgesamt nach sich. Der Senat sieht mit Blick auf die besondere Bedeutung des Tathergangs für die Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe im konkreten Fall auch davon ab, Feststellungen, etwa zum objektiven Tatgeschehen, bestehen zu lassen.

Ernemann
Fischer
Berger
Krehl
Eschelbach

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