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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 01.12.2011, Az.: IX ZB 190/11
Gehörsverletzung wegen der Nichtberücksichtigung von Schriftsätzen durch das Beschwerdegericht
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 01.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 30778
Aktenzeichen: IX ZB 190/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Wilhelmshaven - 20.10.2010 - AZ: 10 IK 227/04

LG Oldenburg - 20.05.2011 - AZ: 6 T 278/11

Fundstelle:

WM 2012, 50

BGH, 01.12.2011 - IX ZB 190/11

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

am 1. Dezember 2011 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Treuhänderin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 20. Mai 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

In dem am 20. September 2004 eröffneten vereinfachten Insolvenzverfahren ist die Rechtsbeschwerdeführerin als Treuhänderin bestellt. Mit Verfügung des Insolvenzgerichts vom 4. Juni 2010 forderte das Insolvenzgericht sie auf, den Sachstand des Verfahrens mitzuteilen. Sowohl auf diese Anfrage als auch auf Erinnerungen des Gerichts vom 7. Juli und 17. August 2010 reagierte die Treuhänderin nicht. Mit Schreiben vom 9. September 2010 setzte das Insolvenzgericht ihr deshalb unter Androhung eines Zwangsgeldes von 500 € eine Frist von zwei Wochen zur Beantwortung der Sachstandsanfrage. Auch hierauf blieb sie zunächst weiter untätig, so dass am 20. Oktober 2010 die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 500 € erfolgte. Danach gingen am 27. Oktober und am 17. November 2010 zwei Schriftsätze der Treuhänderin bei dem Insolvenzgericht ein, in denen sie sich zum Stand des Verfahrens äußerte.

2

Ohne diese Schriftsätze zu erwähnen, hat das Insolvenzgericht der Beschwerde der Treuhänderin vom 17. November 2010 am 19. April 2011 nicht abgeholfen. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Treuhänderin ihren Antrag, den Zwangsgeldbeschluss aufzuheben, weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, § 58 Abs. 2 Satz 3, § 292 Abs. 3 Satz 2 InsO in Verbindung mit Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung an das Beschwerdegericht.

4

1. Die Festsetzung des Zwangsgeldes nach § 58 Abs. 2 InsO ist nach einhellig vertretener Auffassung, die vom Bundesgerichtshof geteilt wird, aufzuheben, wenn der Insolvenzverwalter - entsprechendes gilt für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren - die nach § 58 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht geforderte Handlung vornimmt, bevor die Entscheidung über die Zwangsgeldfestsetzung rechtskräftig wird (HK-InsO/Eickmann, 6. Aufl., § 58 Rn. 12; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 28; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2009, § 58 Rn. 17; Uhlenbruck, InsO 13. Aufl., § 58 Rn. 33). Zweck der Zwangsgeldfestsetzung ist es, pflichtgerechtes Verhalten des Verwalters zu erzwingen, nicht aber eine begangene Pflichtwidrigkeit zu sanktionieren (BGH, Beschluss vom 14. April 2005 - IX ZB 76/04, ZInsO 2005, 483, 484). Ist dieser Zweck erreicht, besteht für die weitere Durchsetzung des Zwangsgeldes keine Veranlassung mehr.

5

2. Vorliegend macht die Rechtsbeschwerdeführerin geltend, in ihren Schriftsätzen vom 27. Oktober und 16. November 2010 den Sachstand, wie vom Insolvenzgericht gefordert, mitgeteilt zu haben. Diese Schriftsätze sind nach Erlass der Entscheidung des Insolvenzgerichts, aber lange Zeit vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu den Akten gelangt. Gleichwohl hat das Beschwerdegericht sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Es ist damit dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch der Treuhänderin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht gerecht geworden. Die Beschwerdeentscheidung kann daher keinen Bestand haben.

III.

6

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil der genaue Inhalt der Auflage des Insolvenzgerichts vom 4. Juni 2010, die sich nicht bei den Akten befindet, unbekannt ist. Das Beschwerdegericht wird deshalb nach Vorlage der entsprechenden Verfügung festzustellen haben, ob die Schriftsätze der Beschwerdeführerin ausreichen, um der ihr vom Insolvenzgericht erteilten Auflage nachzukommen.

Kayser

Raebel

Pape

Grupp

Möhring

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