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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.11.2011, Az.: 3 StR 358/11
Aufhebung des Urteils wegen nicht erfolgter Berücksichtigung eines Strafbefehls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.11.2011
Referenz: JurionRS 2011, 31190
Aktenzeichen: 3 StR 358/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Düsseldorf - 09.06.2011

Verfahrensgegenstand:

Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

BGH, 29.11.2011 - 3 StR 358/11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Voraussetzung für eine Zurückverweisung nach §§ 354 Abs. 1b, 460, 462 StPO ist, dass es im weiteren Verfahren ausschließlich um die Bildung einer erstmals festzusetzenden oder neu zu bestimmenden Gesamtstrafe geht, mithin die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB an sich vorliegen.

  2. 2.

    Einen Härteausgleich vorzunehmen fällt nicht in den Regelungsbereich der §§ 460 ff. StPO; sie ist vielmehr dem Tatgericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. November 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Juni 2011 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 21. Oktober 2010 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Senat hatte dieses Urteil mit Beschluss vom 1. März 2011 auf die Revision des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten, die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen und das weitergehende Rechtsmittel verworfen.

2

Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dessen auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat erneut Erfolg.

3

1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

"Das angegriffene Urteil ist insoweit rechtsfehlerhaft, als es sich nicht zu den Auswirkungen eines nach der ersten tatgerichtlichen Entscheidung, am 15. November 2010, ergangenen rechtskräftigen Strafbefehls (Geldstrafe von 20 Tagessätzen á 10,-- € wegen Betruges - UA S. 8) verhält. Bei dem Strafbefehl handelt es sich im Verhältnis zu dem vorliegend angegriffenen Urteil um eine frühere Verurteilung im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB. Eine Gesamtstrafenfähigkeit ist grundsätzlich gegeben, da die vorliegend abzuurteilende Tat vor dieser früheren Verurteilung begangen wurde. Ob die Strafe aus der früheren Verurteilung bereits erledigt ist, teilt die Strafkammer nicht mit. Das Revisionsgericht kann daher nicht beurteilen, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden oder - im Falle der Erledigung der Strafe aus der früheren Verurteilung - ein Härteausgleich vorzunehmen gewesen (vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 55 Rdnr. 21 mwN) wäre."

4

Dem stimmt der Senat zu.

5

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt - worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht (§ 354 Abs. 2 StPO). Die neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch konnte nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es im weiteren Verfahren ausschließlich um die Bildung einer erstmals festzusetzenden oder neu zu bestimmenden Gesamtstrafe geht, mithin die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB an sich vorliegen (KK-Kuckein, 6. Aufl., § 354 Rn. 26i; KK-Appl, 6. Aufl., § 460 Rn. 4). Dies ist aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen; denn die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 15. November 2010 bereits vollständig vollstreckt wurde. In diesem Fall wäre keine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden, sondern ein Härteausgleich vorzunehmen. Diese Entscheidung fällt nicht in den Regelungsbereich der §§ 460 ff. StPO; sie ist vielmehr dem Tatgericht nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten.

6

3. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat im Übrigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht hat sich allerdings rechtsfehlerhaft lediglich an die Feststellungen zur Sache aus dem ersten tatgerichtlichen Urteil gebunden gesehen und zu den persönlichen Verhältnissen sowie der Schuldfähigkeit des Angeklagten insgesamt auf einer neuen Beweisaufnahme beruhende Feststellungen getroffen. Der Senat hatte jedoch trotz Aufhebung des Strafausspruchs die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten; auch sie waren deshalb für die neu zur Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer bindend. Der Angeklagte ist durch diesen Rechtsfehler indessen nicht beschwert; denn das Landgericht hat keine neuen ihm nachteiligen Feststellungen getroffen, die denjenigen des Ersturteils widersprechen.

7

4. Der Senat hält die Feststellungen erneut aufrecht, da sie durch den zur Aufhebung und Zurückverweisung führenden Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des § 55 StGB nicht betroffen werden. Er weist - ebenfalls erneut - darauf hin, dass dem neuen Tatgericht deshalb lediglich ergänzende Feststellungen - etwa zu der Vollstreckung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 15. November 2010 - erlaubt sind, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.

Becker

Pfister

Hubert

Schäfer

Mayer

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