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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 26.05.2011, Az.: 4 StR 173/11
Ausschließliche Maßgeblichkeit eines in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens für die Entscheidungsfindung folgt aus den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit; Umfang der Maßgeblichkeit eines in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.05.2011
Referenz: JurionRS 2011, 18493
Aktenzeichen: 4 StR 173/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Aachen - 29.11.2010

Fundstelle:

NStZ-RR 2014, 134

Verfahrensgegenstand:

Versuchter Totschlag u.a.

BGH, 26.05.2011 - 4 StR 173/11

Redaktioneller Leitsatz:

Auch bei einem vorbereitend schriftlich erstatteten Sachverständigengutachten ist allein der Inhalt des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens für die Entscheidungsfindung maßgebend; nur hierauf kann das Urteil beruhen.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers
am 26. Mai 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. November 2010

    1. a)

      im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen Sachbeschädigung entfällt,

    2. b)

      im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und den Pkw des Angeklagten eingezogen. Gegen das Urteil richtet sich die auf Beanstandungen des Verfahrens und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Diese hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

2

1.

Die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Fehlerhaftigkeit der Urteilsfeststellungen zur Geschwindigkeit des vom Angeklagten gesteuerten Pkws im Zeitpunkt der Kollision mit dem Fußgänger geltend macht, hat keinen Erfolg. Denn aus den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit sowie der Notwendigkeit, gegebenenfalls auch erst in der Hauptverhandlung angefallene Erkenntnisse in das Gutachten einzubeziehen, folgt, dass allein der Inhalt des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens für die Entscheidungsfindung maßgebend ist. Nur hierauf kann das Urteil beruhen (Beschluss vom 12. Februar 2008 - 1 StR 649/07, NStZ 2008, 418 mwN). Den Inhalt des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens kann das Revisionsgericht aber, wenn er - wie hier - von dessen Wiedergabe im Urteil abweichen soll, nur durch eine in der Revision nicht zulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung feststellen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rn. 14 mwN). Hieran ändert auch die Mitteilung der "Zusammenfassung der mündlichen Gutachten-Erstattung" in der Revisionsbegründungsschrift nichts.

3

2.

Soweit die Revision die Bejahung des Tötungsvorsatzes durch das Schwurgericht angreift, hat sie weder mit der Verfahrens- noch mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen hierzu sind rechtsfehlerfrei getroffen; weitere Darlegungen zum Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes vermisst der Senat nicht. Jedoch hat das Schwurgericht keine Feststellungen zum Vorsatz bezüglich der Sachbeschädigungen getroffen. Da der Senat im Hinblick auf die sorgfältige Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil ausschließt, dass hierzu weitere Feststellungen möglich sind, lässt er diesen Schuldspruch entfallen.

4

3.

Der Schuldspruch im Übrigen und auch die Maßregel- sowie die Einziehungsanordnung weisen keinen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Trotz der - auch nach dem Wegfall der Sachbeschädigung - nicht überhöhten Strafe kann der Senat aufgrund der sehr knapp und lediglich mit allgemein gehaltenen Erwägungen begründeten Ablehnung eines sonstigen minder schweren Falls im Sinne des § 213 StGB nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht eine geringere Strafe verhängt hätte, wenn es einen der vertypten Milderungsgründe zur Heranziehung des minder schweren Falles "verbraucht" und anschließend den Strafrahmen des § 213 StGB wegen des weiteren vertypten Milderungsgrundes nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert hätte. Diese Prüfung hat das Landgericht - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 4. April 2011 ausgeführt hat - nicht vorgenommen.

Ernemann
Mutzbauer
Cierniak
RiBGH Dr. Franke ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann
Bender

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