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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 27.01.2011, Az.: III ZB 30/10
Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsgesuchs wegen eines zurechenbaren Organisationsverschuldens des Prozessbevollmächtigten und damit verbundener Versäumung der Rechtsmittelfrist; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer versäumten Berufungsfrist aufgrund fehlerhafter Adressierung und Eintragung der unrichtigen Telefaxnummer des zuständigen Gerichts durch einmaliges Versagen einer sorgfältig ausgesuchten und instruierten sowie ansonsten stets fehlerfrei arbeitenden Kanzleiangestellten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.01.2011
Referenz: JurionRS 2011, 10503
Aktenzeichen: III ZB 30/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Darmstadt - 24.09.2009 - AZ: 3 O 452/08

OLG Frankfurt am Main - 06.05.2010 - AZ: 22 U 225/09

BGH, 27.01.2011 - III ZB 30/10

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Rechtsanwalt hat bei Versendung von Schriftsätzen per Telekopie durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Dazu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 27. Januar 2011
durch
den Vizepräsidenten Schlick und
die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Tombrink
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2010 - 22 U 225/09 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gegenstandswert: 16.315,08 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit der Vermittlung des Abschlusses einer Lebensversicherung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 1 zur Zahlung von 4.673,62 € nebst Zinsen verurteilt. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Oktober 2009 zugestellt worden. Mit Telefax vom 16. November 2009 haben sie Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Der Schriftsatz war an das "Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hoffstraße 10, 76133 Frankfurt am Main" gerichtet und enthielt im Adressfeld die Telefaxnummer 0721 926-5003. Straßenanschrift, Postleitzahl und Telefaxnummer waren die des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Dort ging das Telefax am Abend des 16. November 2009 ein und wurde am Folgetag ebenfalls per Fernkopie an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet. Zugleich unterrichtete das Oberlandesgericht Karlsruhe die Prozessbevollmächtigten der Klägerin von der fehlerhaften Übersendung. Mit am 30. November 2009 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingegangenem Schriftsatz haben diese die Berufung erneut eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist beantragt.

2

Zur Begründung haben sie vorgebracht, bei der fehlerhaften Adressierung und der Eintragung der unrichtigen Telefaxnummer handele es sich um ein einmaliges Versagen einer sorgfältig ausgesuchten und instruierten sowie ansonsten stets fehlerfrei arbeitenden Kanzleiangestellten. Diese habe vor Ausfertigung der Berufungsschrift die Adresse und Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im aktuellen "Ortsverzeichnis 2008, Gerichte und Finanzbehörden" ermitteln wollen. Infolge einer geringfügigen Unaufmerksamkeit habe sie jedoch die Kontaktdaten des Oberlandesgerichts Karlsruhe übernommen.

3

Bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax kontrollierten die Rechtsanwälte der Kanzlei, dass der jeweilige Schriftsatz auch tatsächlich übermittelt worden sei. Für die Absendung selbst seien ausschließlich die zuständigen Bürokräfte verantwortlich. Diese seien angewiesen, die Telefaxnummer mit dem vorerwähnten Ortsverzeichnis abzugleichen. Erst nach entsprechender Eintragung der vollständigen Anschrift sowie der Faxnummer des Empfangsgerichts drucke die Bürokraft den Schriftsatz aus und lege ihn dem zuständigen Rechtsanwalt zur Unterzeichnung vor. Anschließend werde der Schriftsatz gefaxt und von einem Rechtsanwalt anhand des "O.K.-Vermerks" auf dem automatisch ausgedruckten Faxbericht überprüft. Dabei werde sichergestellt, dass die komplette Empfänger-Faxkennung, das heiße insbesondere die Faxnummer, die Seitenzahl und der Zeitpunkt auf dem Faxbericht ersichtlich seien. Dieser überprüfte Sendebericht sei Grundlage dafür, die jeweilige Frist sodann im Fristenkalender zu streichen.

4

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend entschieden.

6

1.

Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen, weil die Versäumung der Rechtsmittelfrist auf einem der Klägerin zuzurechnenden Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruhe. Die durch die allgemeine Büroanweisung angeordnete Kontrolle des Faxprotokolls von per Telekopie zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen habe keinen Hinweis auf eine falsch eingesetzte Empfängernummer geben können. Sie habe nur eine unvollständige Übermittlung der Anzahl der Seiten oder einen Fehler bei der Nummerneingabe am Faxgerät erkennen lassen. Sei die Faxnummer, wie hier, einem Ortsverzeichnis entnommen, so könne es dabei leicht zu Verwechslungen kommen. Der Abgleich habe deshalb anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können.

7

2.

Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht insbesondere auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

8

Danach muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telekopie durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, [...] Rn. 11 und vom 4. April 2007 - III ZB 109/06, NJW-RR 2007, 1429 Rn. 8 m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05, NJW 2007, 996 Rn. 8; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 Rn. 12; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03, BGHR ZPO § 233 Telekopie 3 und vom 24. April 2002 - AnwZ 7/01, [...] Rn. 5, 7; siehe auch BVerwG, NJW 2008, 932 Rn. 3 [BVerwG 09.01.2008 - BVerwG 6 B 51.07]). Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Faxnummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist deshalb vielmehr anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem beziehungsweise der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 aaO; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2006 aaO und 10. Mai 2006 aaO Rn. 13; BVerwG aaO; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4. April 2007 aaO Rn. 10 und BGH, Beschluss vom 24. April 2002 aaO Rn. 7).

9

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten eine entsprechende allgemeine Anweisung bestanden hätte.

10

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt auch aus dem Beschluss des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2010 (I ZB 3/09, MMR 2010, 375 Rn. 16 f) nichts zu ihren Gunsten. Nach dieser Entscheidung ist das Fehlen einer allgemeinen Anweisung, die Richtigkeit der aus dem Sendebericht ersichtlichen Telefaxnummer des Empfängers anhand eines Verzeichnisses zu kontrollieren, ausnahmsweise unschädlich, wenn der Rechtsanwalt im Einzelfall eine konkrete Anweisung gibt, die in der Rechtsmittelschrift angegebene Faxnummer des Berufungsgerichts noch einmal zu überprüfen und eine allgemeine Weisung besteht, zur Ermittlung der Telefaxnummer des zuständigen Gerichts das Ortsverzeichnis "Gerichte und Finanzbehörden" zu verwenden. Eine Einzelweisung, die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nochmals zu überprüfen, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Kanzleiangestellten im vorliegenden Fall jedoch nicht erteilt.

Schlick
Herrmann
Wöstmann
Seiters
Tombrink

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