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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.12.2010, Az.: IX ZB 238/09
Berechnung der Summe der Forderungsbeträge aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger bei Anmeldung einer Forderung durch einen widerstreitende Interessen vertretenden Insolvenzverwalter
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.12.2010
Referenz: JurionRS 2010, 30038
Aktenzeichen: IX ZB 238/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Essen - 10.08.2009 - AZ: 164 IN 123/08

LG Essen - 28.09.2009 - AZ: 7 T 470/09

Fundstelle:

ZInsO 2011, 131-132

BGH, 16.12.2010 - IX ZB 238/09

Redaktioneller Leitsatz:

Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO ist jeder persönliche Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
den Richter Vill,
die Richterin Lohmann,
die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
am 16. Dezember 2010
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 28. September 2009 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Verwalter) ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. W. GmbH (fortan: Schuldnerin). Er ist zugleich Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH. Die Schuldnerin war als Einkaufsgesellschaft für die H. GmbH tätig. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der H. GmbH meldete der Verwalter im vorliegenden Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eine Forderung von 42.656.245,60 € an. Die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin) meldete eine Forderung von 28.196.510,00 € an. Beide Forderungen sind nicht zur Tabelle festgestellt worden.

2

Die Gläubigerin hat beantragt, eine Gläubigerversammlung einzuberufen, in der über die Entlassung des Verwalters, hilfsweise über die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters beraten und entschieden werden soll. Hintergrund des Antrags sind Meinungsverschiedenheiten über den Fortbestand eines zwischen der Schuldnerin und der H. GmbH geschlossenen "Depotvertrages" sowie über Verwertungskosten. Der Verwalter ist dem Antrag entgegen getreten. Mit Beschluss vom 10. August 2009 hat das Insolvenzgericht den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin weiterhin die Einberufung einer Gläubigerversammlung mit dem Ziel der Beschlussfassung über eine Entlassung des Verwalters erreichen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 75 Abs. 3, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

4

1.

Gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Gläubigerversammlung (u.a.) dann einzuberufen, wenn dies von einem oder mehreren nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern beantragt wird, deren Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts zwei Fünftel der Summe erreichen, die sich aus den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Forderung der Gläubigerin erreicht der Höhe nach nicht das Quorum von zwei Fünftel aller angemeldeten nicht nachrangigen Insolvenzforderungen.

5

2.

Die Rechtsbeschwerde zieht dies nicht in Zweifel. Sie meint jedoch, die Forderungen der vom Verwalter vertretenen H. GmbH hätten bei der Bemessung des Quorums nicht berücksichtigt werden dürfen, weil der Verwalter gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, verstoßen habe; ein Vertretungsverbot folge auch aus dem Rechtsgedanken der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des § 136 Abs. 1 AktG und des § 47 GmbHG. Dann betrage der Gesamtbetrag der angemeldeten Forderungen nicht, wie das Insolvenzgericht gemeint habe, 103.313.042,18 €, sondern nur 60.656.796,58 €. Die angemeldeten Ansprüche der Gläubigerin bildeten einen Anteil von 46,5 % und begründeten damit ein Antragsrecht gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO.

6

a)

Damit wirft die Rechtsbeschwerde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Senat hat bereits entschieden, dass "Insolvenzgläubiger" gemäß § 38 InsO jeder persönliche Gläubiger ist, der einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Für die Stellung als Insolvenzgläubiger im Sinne von § 75 InsO kommt es nicht darauf an, ob dieser Anspruch angemeldet, anerkannt o-der bestritten worden ist, schon weil es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts ist, vor der Entscheidung über die Einberufung einer Gläubigerversammlung sämtliche bestrittene Forderungen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 14. Oktober 2004 - IX ZB 114/04, NZI 2005, 31 f). Erst recht gilt dies für die Frage eines Interessenkonflikts, dessen Auswirkungen auf den Bestand einer angemeldeten Forderung im Verfahren nach § 75 InsO sicherlich nicht geklärt werden können.

7

b)

Der Zulässigkeitsgrund der Divergenz (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) ist ebenfalls nicht erfüllt. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz ist dann gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (BGHZ 151, 42, 45; 151, 221, 226). Die Gläubigerin verweist auf ein Senatsurteil vom 24. Januar 1991 (IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 270 f), in dem es um einen Konkursverwalter ging, der für das von ihm verwaltete Vermögen Verträge mit einer Gesellschaft geschlossen hatte, an welcher er wirtschaftlich beteiligt war. Der Senat hat im (nur obiter erwähnten) Fall des Verwalters, der mehrere Verwaltungen mit widerstreitenden Interessen führt, die Einsetzung eines Sonderverwalters für erforderlich gehalten, aber gerade nicht angenommen, dass unter Verstoß hiergegen vom Verwalter selbst abgeschlossene Rechtsgeschäfte nichtig seien. Stattdessen hat er auf mögliche Aufsichtsmaßnahmen des Konkursgerichts verwiesen (BGHZ 113, 262, 271) und eine persönliche Haftung des Verwalters (§ 82 KO) erörtert (BGHZ 113, 262, 275 ff). Die angefochtene Entscheidung steht hiermit im Einklang. Auch das Ergebnis, zu dem sie gekommen ist, trifft zu. Der einzelne Gläubiger kann nach gefestigter Rechtsprechung des Senats weder Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts noch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters erzwingen (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2009, ZIP 2009, 529 Rn. 7 [BGH 05.02.2009 - IX ZB 187/08], 10 m.w.N.). Handelt der Verwalter zum Nachteil des verwalteten Vermögens, hat der benachteiligte Gläubiger gegebenenfalls Anspruch auf Ersatz des ihm hieraus entstandenen Schadens (§ 60 InsO). Das Gesetz mutet ihm zu, insoweit den Ausgang des Insolvenzverfahrens abzuwarten.

8

3.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Kayser
Vill
Lohmann
Fischer
Pape

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