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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.12.2010, Az.: III ZR 10/10
Vorsatz i.R.d. § 264a Strafgesetzbuch (StGB) bei Verschweigen der Gewährung von Sondervorteilen an einen Komplementär und gleichzeitigen Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer in einem Prospekt
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.12.2010
Referenz: JurionRS 2010, 30047
Aktenzeichen: III ZR 10/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG München I - 23.01.2008 - AZ: 20 O 8752/07

OLG München - 18.12.2009 - AZ: 20 U 2361/08

BGH, 16.12.2010 - III ZR 10/10

Redaktioneller Leitsatz:

Im Zivilrecht gehört zum Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, so dass bei einem Verbotsirrtum die Haftung entfällt.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 16. Dezember 2010
durch
den Vizepräsidenten Schlick und
die Richter Dörr, Dr. Herrmann, Seiters und Tombrink
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Dezember 2009 - 20 U 2361/08 -, soweit dieses den Beklagten zu 2 betrifft, gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

1

Der Kläger erwarb durch auf Abschluss einer "Beitrittsvereinbarung" gerichtete Erklärung vom 27. Dezember 1999 eine Beteiligung an der C. Gesellschaft mbH & Co. Dritte KG in Höhe von 80.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Der Beitritt wurde - dem von der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft herausgegebenen Prospekt entsprechend - über die Beklagte zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Treuhandkommanditistin nach einem im Prospekt Teil B abgedruckten Vertragsmuster "Treuhandvertrag und Mittelverwendungskontrolle" vorgenommen. Zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos aus der Filmvermarktung war im Emissionsprospekt vorgesehen, dass für einen Anteil von 80 % der Produktionskosten Sicherheiten bestehen sollten, etwa in Form von Ausfallversicherungen. Nachdem Produktionen nicht den erwünschten wirtschaftlichen Erfolg hatten, erwies sich der Versicherer, die N. Inc., nach Eintreten der Versicherungsfälle als zahlungsunfähig. Insgesamt erhielt der Kläger aus der Beteiligung Ausschüttungen von 26,3 %, das sind 10.757,58 €.

2

Der Kläger hat die Treuhandkommanditistin und den Beklagten zu 2, Mehrheitsgesellschafter der Komplementärin und seinerzeit zugleich Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der I. - und T. gesellschaft mbH (im Folgenden: IT GmbH), Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus den Beteiligungen auf Rückzahlung des eingezahlten Betrags von - unter Berücksichtigung der genannten Ausschüttungen - noch 32.190,94 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagten ihm den Steuerschaden zu ersetzen hätten, der ihm durch eine etwaige nachträgliche Aberkennung von Verlustzuweisungen entstehe, und dass sie ihn von Ansprüchen freistellen müssten, die die Beteiligungsgesellschaft, deren Gläubiger oder Dritte gegen ihn wegen seiner Stellung als Kommanditisten richten könnten.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Zahlungsantrag gegen die Beklagte zu 1 entsprochen und ihr gegenüber die begehrte Feststellung zur Aberkennung von Verlustzuweisungen getroffen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen, einen weiteren im Berufungsverfahren gestellten Klageantrag abgewiesen und die Revision zugelassen. In Bezug auf die Beklagte zu 1, die das zugelassene Rechtsmittel eingelegt hat, ist das Verfahren nach § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, nachdem durch Beschlüsse des Insolvenzgerichts vom 30. Juli 2010 und 5. August 2010 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Beklagten zu 1 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist. Mit seiner zunächst nur gegenüber dem Beklagten zu 2 (im Folgenden: Beklagter) begründeten Revision begehrt der Kläger dessen Verurteilung auf deliktsrechtlicher Grundlage.

II.

4

1.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision des Klägers liegen im Streitfall nicht mehr vor. Denn der Senat hat in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 (III ZR 321/08, WM 2010, 1537 Rn. 35 ff) im Einzelnen dazu Stellung genommen, welche Anforderungen an den Vorsatz für die Annahme eines Kapitalanlagebetrugs nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und für eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu stellen sind. Die von der Revision gewünschte Überprüfung führt zu keinem anderen Ergebnis.

5

2.

Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.

6

a)

Das Berufungsgericht verneint eine Haftung des Beklagten, weil es an hinreichendem Vortrag und Beweis für den erforderlichen Vorsatz fehle. Der Einwand des Beklagten, er sei davon ausgegangen, dass der Gesamtbetrag der im Investitionsplan ausgewiesenen Weichkosten nicht überschritten werde und dass lediglich im Prospekt vorgesehene und auch erbrachte Leistungen vergütet würden, sei beachtlich und nicht widerlegt. Da es eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verpflichtung, über die Abweichung einzelner Budgetposten vom Investitionsplan aufzuklären, zur Zeit des Beitritts des Klägers im Jahr 1999 noch nicht gegeben habe, der Beklagte außerdem fachkundigen Rechtsrat eingeholt habe und bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2008 (III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129) in einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen die in Rede stehende Aufklärungspflicht verneint worden sei, fehle es jedenfalls an der subjektiven Tatseite eines Anlagebetrugs beziehungsweise einer vorsätzlichen Beihilfe dazu und einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

7

b)

Die Revision beanstandet dies unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten.

8

aa)

Zum einen vertritt sie die Auffassung, dem Beklagten sei die unrichtige Prospektierung der Vertriebsprovisionen bewusst gewesen. Auch wenn er die Komplementärin für befugt gehalten haben möge, die fragliche Mehrvergütung aus dem Budgettopf für Werbung zu bezahlen, könne er nicht geglaubt haben, die Anleger durch eine unrichtige Darstellung der Vertriebsprovisionen in die Irre führen zu dürfen.

9

Die Erheblichkeit des für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal des § 264a StGB; der Täter muss die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen. Ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die das Revisionsgericht bis zur Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2245; Beschluss vom 2. Februar 2010 - VI ZR 254/08, [...] und BeckRS 2010, 07412 Rn. 2). Wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats, die seit dem Jahr 2004 die an Prospektverantwortliche zu stellenden Anforderungen im Zusammenhang mit der Darstellung von Weichkosten präzisiert und fortentwickelt hat, zu dem Ergebnis gelangt, angesichts der Einholung von Rechtsrat und einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen, die eine entsprechende Aufklärungspflicht verneint hätten, fehle die subjektive Tatseite für eine strafbare Handlung, ist dies eine rechtlich nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung. Auch der VI. Zivilsenat hat dies in einem vergleichbaren Fall ebenso gesehen (Beschluss vom 2. Februar 2010 - VI ZR 254/08 aaO).

10

bb)

Zum anderen rügt die Revision die unzureichenden Ausführungen des Berufungsgerichts zum Vorsatz, soweit es um die unterlassene Aufklärung über die personelle und kapitalmäßige Verflechtung der IT GmbH mit der Komplementärin in der Person des Beklagten geht. Zwar liege das Berufungsgericht im Ergebnis auf der Linie des Senatsurteils vom 15. Juli 2010 (III ZR 321/08 aaO). Die Revision beanstandet aber insoweit die Zugrundelegung eines unrichtigen Verschuldensmaßstabs. Da es um die Verletzung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes gehe, sei die sogenannte Schuldtheorie anzuwenden, nach der nur ein unvermeidbarer Verbotsirrtum den Täter entlaste. In dieser Beziehung habe das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Da der Senat in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 befunden habe, ein Prospektverantwortlicher habe nicht ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen dürfen, dass die der IT GmbH gewährten Sondervorteile für die Anleger ohne Interesse seien (III ZR 321/08, aaO Rn. 41), könne ein Irrtum des Beklagten nicht unvermeidbar sein. Dass er insoweit unter Offenlegung der Fakten Rechtsrat eingeholt hätte, habe er nicht einmal behauptet.

11

Diese Überlegungen stellen die angefochtene Entscheidung nicht in Frage.

12

(1)

Im Ausgangspunkt zutreffend bezieht sich die Revision auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach im Zivilrecht zum Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört, so dass bei einem Verbotsirrtum die Haftung entfällt, während bei Anwendung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes ein Verbotsirrtum nur dann entlastet, wenn er unvermeidbar ist (§ 17 StGB; vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, NJW 1985, 134, 135 m.w.N.).

13

(2)

Im vorliegenden Fall ging es um die bis zum Senatsurteil vom 29. Mai 2008 (III ZR 59/07 aaO) noch nicht behandelte und vom Kläger auch erst danach aufgeworfene Frage, ob die mit der Komplementärin bestehende Verflechtung der IT GmbH und die mit ihr verknüpften Sondervorteile auch dann prospektpflichtig sind, wenn der Prospekt über die der Komplementärin gewährten Sondervorteile hinreichend und zutreffend aufklärt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, WM 2010, 1641 Rn. 11-14) und die der IT GmbH gewährten Sondervorteile betragsmäßig in diesen enthalten sind. Der Senat hat diese von ihm bejahte Frage in seinen Urteilen vom 29. Mai 2008 (aaO Rn. 25) und 12. Februar 2009 (III ZR 90/08, NJW-RR 2009, 613 Rn. 25) zunächst nur knapp behandelt und gegen erhobene Einwände in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 (III ZR 336/08, aaO Rn. 23-25) eingehend hierzu Stellung genommen.

14

Der Senat hat offen gelassen, ob insoweit das Verschweigen einer nachteiligen Tatsache im Sinne des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt und der objektive Tatbestand dieser Norm erfüllt ist (Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 321/08, aaO Rn. 36). Er hat sich auch nicht näher dazu geäußert, ob dem Beklagten, der die Angabe für nicht prospektpflichtig gehalten hatte, ein Tatbestandsirrtum oder ein Verbotsirrtum unterlaufen ist. Auch wenn man - was nicht zweifelsfrei ist - von einem Verbotsirrtum ausgeht, hält der Senat einen entsprechenden Irrtum des Beklagten für unvermeidbar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte fachkundigen Rechtsrat eingeholt. Auch wenn sich die dieser Feststellung zugrunde liegende Behauptung des Beklagten weitgehend darauf bezog, dass der Prospekt mit Beratung von renommierten fachkundigen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern herausgegeben worden sei, und die Beratung nicht gezielt die hier in Rede stehende Frage zum Gegenstand hatte, entschuldigt dies den Beklagten hinreichend. Zwar hatte er nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen des Klägers als möglicher Hintermann eine Verantwortung für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Prospekts. Als juristischer Laie hatte er aber vor dem Hintergrund der Einschaltung von Beratern und des seinerzeitigen Stands der Rechtsprechung keinen hinreichenden Anlass anzunehmen, er müsste, um sich nicht strafbar zu machen, über Sondervorteile der IT GmbH informieren, die vollständig in den prospektierten Sondervorteilen der Komplementärin enthalten waren und daher - bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise - von den Anlegern zur Kenntnis genommen werden konnten. Dass er in dieser Hinsicht eine darüber hinausgehende Kenntnis gehabt hätte, zeigt die Revision nicht auf.

Schlick
Dörr
Herrmann
Seiters
Tombrink

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