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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.12.2010, Az.: IV ZR 249/09
Notwendigkeit der Geltendmachung der prozessualen Einrede der Schiedsvereinbarung vor einer sachlichen Einlassung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.12.2010
Referenz: JurionRS 2010, 29998
Aktenzeichen: IV ZR 249/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln, 86 O 35/05 vom 18.01.2007

OLG Köln - 16.12.2008 - AZ: 9 U 47/07

Rechtsgrundlagen:

§ 1032 Abs. 1 ZPO

Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO

BGH, 15.12.2010 - IV ZR 249/09

Redaktioneller Leitsatz:

Gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO muss der Beklagte vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügen, dass die Klage wegen vorrangiger Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unzulässig sei.

Tenor:

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte zu 1) 45% und die Beklagte zu 2) 55%.

Streitwert: bis 320.000 €

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, das jeweils zwischen den Mitgliedern des Rückversicherer-Pools und dem Coverholder Inter Community Reinsurance Agency (ICRA) abgeschlossene "Memorandum of Agreement", aus dem die Klägerin einen Ausgleichsanspruch ableitet, unterliege niederländischem Recht. Nach diesem ist sowohl die in den "Memoranda of Agreement" vereinbarte Schiedsklausel (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 - XI ZR 41/09, WM 2010, 2032 Rn. 26, 28) als auch der zur Bestimmung des Gerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO maßgebliche Erfüllungsort zu beurteilen.

3

1.

Die Nichtzulassungsbeschwerde lässt offen, ob der - vom Berufungsgericht nach deutschem Recht beurteilten - Schiedsklausel nach niederländischem Recht Bindungswirkung im Verhältnis der Pool-Mitglieder untereinander zukommen kann. Sie verweist nur darauf, dass dies nicht auszuschließen sei. Allein ein derartiger Hinweis, der nur die Rüge beinhaltet, zu einer Sachverhaltsvariante, für die es auf eine bestimmte Rechtsfrage ankomme, seien keine Feststellungen getroffen worden, begründet aber noch keinen Zulassungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, NJW 2003, 831 unter II 2 b bb und BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, NJW 1992, 2026 unter B I 2 b bb).

4

Im Übrigen haben die Beklagten die prozessuale Einrede des Schiedsvertrages nicht rechtzeitig erhoben. Maßgeblich ist insoweit deutsches Recht, weil es um die Frage der Rechtsschutzgewährung durch die deutschen staatlichen Gerichte geht (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 3721, 3730 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 7 Rn. 2, Kap. 45 Rn. 12). Nach § 1032 Abs. 1 ZPO muss der Beklagte vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügen, dass die Klage wegen vorrangiger Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unzulässig sei. Auch wenn die Einrede der Schiedsvereinbarung nicht an eine bestimmte Form gebunden ist, muss der Beklagte vor Stellung der Anträge deutlich machen, dass er eine Sachentscheidung durch das staatliche Gericht ablehnt (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1032 Rn. 1; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1032 Rn. 1). Dies ist mit Blick auf den vom Gesetzgeber erstrebten Gleichlauf mit § 39 ZPO geboten (vgl. dazu BT-Drucks. 13/5274, S. 38; BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - III ZR 262/00, BGHZ 147, 394, 396 f.). Die Beklagten haben die Rüge der Schiedsvereinbarung nicht vor ihrer sachlichen Einlassung erhoben. Sie haben im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Klageabweisung beantragt, ohne sich auf die - in ihrer Klageerwiderung am Rande erwähnte - Schiedsvereinbarung zu beziehen.

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2.

Eine Zulassung kommt auch nicht in Betracht, soweit das Berufungsgericht die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b 2. Spiegelstrich EuGVVO verneint hat. Dieser Rechtsfrage kommt nicht etwa deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich voraussichtlich in einem künftigen Revisionsverfahren die Notwendigkeit ergeben könnte, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen (vgl. dazu BVerfGE 82, 159, 196). Die Annahme einer Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift erfordert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt (vgl. nur Urteil vom 23. April 2009 - Rs. C-533/07, Falco Privatstiftung und Rabitsch, NJW 2009, 1865). Nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde ist schon nicht ersichtlich, dass die Pool-Mitglieder untereinander eine solche, zudem entgeltliche Leistung erbracht haben (vgl. dazu EuGH aaO Rn. 31). Daher besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass Art. 5 Nr. 1 Buchst. b 2. Spiegelstrich EuGVVO hier nicht einschlägig ist. Infolgedessen bestünde in einem künftigen Revisionsverfahren keine Pflicht, den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 2. März 2006 - IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806 [BGH 02.03.2006 - IX ZR 15/05] Rn. 27; BVerfG, GRUR 2010, 999 [BVerfG 30.08.2010 - 1 BvR 1631/08] Rn. 47 [BVerfG 30.08.2010 - 1 BvR 1631/08]).

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3.

Schließlich hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht ausgeführt, dass eine niederländische Rechtspraxis besteht, die der Annahme des Berufungsgerichts, der Erfüllungsort für die streitige Zahlungsverpflichtung liege nach Buch 6, Art. 115 ff. des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs am Sitz des Gläubigers, entgegenstehen könnte. Nachdem die Parteien zum Erfüllungsort nach niederländischem Recht in den Instanzen nicht kontrovers vorgetragen haben, gab es für das Berufungsgericht keine Veranlassung, eine derartige besondere, in einem Rückversicherer-Pool geltende Rechtspraxis zu ermitteln. Um sich nunmehr auf eine solche berufen zu können, hätten die Beklagten diese - ungeachtet weiterer Voraussetzungen - in der Nichtzulassungsbeschwerde zumindest darlegen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, NJW 1992, 2026 unter B I 2 b bb). Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass der Erfüllungsort - wie von den Beklagten angenommen - an ihrem Sitz in Italien gelegen sein könnte.

7

4.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Dr. Kessal-Wulf
Felsch
Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski
Lehmann

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