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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 23.11.2010, Az.: 3 StR 385/10
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Registrierung des Täters mit nur wenigen als Aggressionsdelikt zu qualifizierenden Delikten im Bundeszentralregister
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.11.2010
Referenz: JurionRS 2010, 30845
Aktenzeichen: 3 StR 385/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Bückeburg - 11.06.2010

Rechtsgrundlagen:

§ 21 StGB

§ 63 StGB

Fundstelle:

RPsych (R&P) 2011, 30-31

Verfahrensgegenstand:

Gefährliche Körperverletzung

BGH, 23.11.2010 - 3 StR 385/10

Redaktioneller Leitsatz:

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag -
am 23. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 11. Juni 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Anlasstat im Zustand (erheblich) verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB begangen hat und bei ihm auch die weitere Anordnungsvoraussetzung eines länger dauernden Zustands im Sinne von § 63 StGB gegeben ist. Indes hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat.

3

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die eine außerordentlich beschwerende Maßnahme darstellt, darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169 mwN; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 63 Rn. 14 f.). Diese Voraussetzungen hat das sachverständig beratene Landgericht zwar bejaht. Das angefochtene Urteil genügt aber den Anforderungen nicht, die an die Begründung dieser Bewertung zu stellen sind.

4

Soweit das Landgericht von einem hohen Risiko der Begehung weiterer ähnlicher Delikte wie den früheren Taten des Angeklagten ausgeht, bleibt offen, auf welche strafbare Handlungen des Angeklagten in der Vergangenheit sich diese Annahme bezieht und welchen Vortaten das Landgericht einen Symptomwert für seine Prognose beimisst. Dies kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Zahlreiche Voreintragungen des Angeklagten im Bundeszentralregister weisen nur niedrige Geldstrafen aus, denen ganz unterschiedliche Vergehen und ersichtlich keine Aggressionsdelikte zugrunde liegen. Nur in wenigen Fällen ist der Angeklagte für Taten bestraft worden, die (auch) aggressives Verhalten zum Gegenstand haben könnten (z. B. Sachbeschädigung, Raub, Bedrohung). Dies kann indes schon deshalb nicht zuverlässig beurteilt werden, weil das Urteil die den in Betracht kommenden Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalte in keinem Fall mitteilt. Wegen Körperverletzung ist der Angeklagte bisher nicht vorbestraft. Deshalb ist auch die Annahme des Landgerichts nicht hinreichend belegt, es bestehe ein hohes Risiko weiterer Delikte wie der Anlasstat und ähnliche aggressive Impulshandlungen seien bei dem Angeklagten krankheitsbedingt auch in Zukunft zu erwarten. Hinzu kommt, dass die gegenständliche Tat im Rahmen einer persönlichen Beziehung der Geschädigten mit dem Angeklagten geschehen ist und von diesem aus Eifersucht auf einen früheren Partner der Geschädigten begangen wurde. Auch damit hat sich das Landgericht bei der Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit des Angeklagten nicht erkennbar auseinandergesetzt (vgl. MünchKommStGB/van Gemmeren, § 63 Rn. 43).

5

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die dargestellten Rechtsfehler zum Maßregelausspruch zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf daher zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus neuer Verhandlung und Entscheidung. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils bleiben von den aufgezeigten rechtlichen Mängeln unberührt und können deshalb bestehen bleiben.

6

Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die Erwartung autodestruktiver Handlungen, wie sie nach den bisherigen Feststellungen beim Angeklagten besteht, bei der Beurteilung seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit keine Rolle spielen kann.

Becker
Pfister
Sost-Scheible
Hubert
Mayer

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