Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.11.2010, Az.: VI ZB 47/10
Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr bei Auftragserteilung zur Prozessvertretung des Beklagten vor Inkrafttreten des § 15a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.11.2010
Referenz: JurionRS 2010, 27988
Aktenzeichen: VI ZB 47/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Berlin - 06.10.2009 - AZ: 27 O 620/09

KG Berlin - 06.08.2010 - AZ: 2 W 194/09

BGH, 16.11.2010 - VI ZB 47/10

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Nach § 15a RVG kann eine obsiegende Partei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr verlangen. Diese Norm ist durch Art. 7 IV Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 S. 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BGH ist § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden.

  2. 2.

    Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 IV VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 16. November 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Galke,
die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und
die Richterin von Pentz
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. August 2010 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 1 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 1 hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Gegenstandswert der Beschwerde: 235,83 €

Gründe

I.

1

Die Kläger haben den Beklagten wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Widerruf und Feststellung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger zu 1 zu 4/9 und dem Kläger zu 2 zu 5/9 auferlegt. Hierauf gestützt hat der Beklagte die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 2.064,65 € nebst Zinsen gegen die Kläger beantragt und dabei die Verfahrensgebühr mit dem 1,3-fachen Satz in Höhe von 891,80 € zuzüglich Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Der Rechtspfleger beim Landgericht hat dem Antrag des Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Oktober 2009 entsprochen. Er hat die vom Kläger zu 1 an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 917,62 € und die vom Kläger zu 2 an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.147,03 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers zu 1 hat das Kammergericht die in Ansatz gebrachte 1,3-fache Verfahrensgebühr anteilig um die Hälfte der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr gekürzt und die vom Kläger zu 1 an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 681,79 € reduziert. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte den Antrag auf Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.

II.

2

1.

Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass für die mit dem Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens identische außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Diese sei nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG anzurechnen. Daran ändere auch § 15a RVG nichts, weil diese Bestimmung wegen der zumindest entsprechend anwendbaren Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auf das vorliegende Verfahren keine Anwendung finde. Der Auftrag zur Rechts-/Prozessvertretung des Beklagten sei vor Inkrafttreten des § 15a RVG (5. August 2009) erteilt worden. Bei § 15a RVG handle es sich um eine Gesetzesänderung und nicht um eine bloße Klarstellung des wahren Willens des Gesetzgebers.

3

2.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 575 ZPO) hat Erfolg. Sie macht zutreffend geltend, dass der Beklagte von den Klägern gemäß § 15a RVG die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr verlangen kann.

4

§ 15a RVG ist durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 11 ff. m.w.N. zum Streitstand; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, AGS 2010, 106 unter III.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, [...] Rn. 6; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 unter III. 1. und vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, [...] Rn. 9 f. z.V.b.). Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.

5

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO.

Galke
Wellner
Pauge
Stöhr
von Pentz

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.