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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.10.2010, Az.: V ZR 47/10
Vereinbarung eines Wiederkaufrechts in einem Grundstückskaufvertrag; Verhältnismäßigkeit der Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand vereinbarten Wiederkaufsrechts
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 29.10.2010
Referenz: JurionRS 2010, 28707
Aktenzeichen: V ZR 47/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hamburg - 29.05.2009 - AZ: 303 O 174/07

OLG Hamburg - 12.02.2010 - AZ: 1 U 112/09

BGH, 29.10.2010 - V ZR 47/10

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richterin Dr. Stresemann,
die Richter Dr. Czub und Dr. Roth und
die Richterin Dr. Brückner
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Februar 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Mit notariellem Kaufvertrag aus dem Jahr 1935 erwarb die Klägerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ein Grundstück von der beklagten Stadt. Sie verpflichtete sich, auf diesem Großwohnhäuser mit billigen Wohnungen für die minderbemittelte Bevölkerung zu errichten und bei deren Vergabe die früheren Mieter des Gängeviertels, Kriegsbeschädigte und die minderbemittelten werktätigen Arbeitnehmer des Hafens zu bevorzugen.

2

In Nr. 13 des Kaufvertrages wurde ein Wiederkaufsrecht der Beklagten vereinbart, welches bis zum 31. Dezember 2009 nur unter näher bestimmten Voraussetzungen, in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 jedoch uneingeschränkt ausgeübt werden durfte. Der Wiederkaufspreis entsprach dem vereinbarten Kaufpreis ohne Zinsen. Für die vertragsgemäß errichteten Gebäude sollte eine Entschädigung von zwei Dritteln des gemeinen Werts geleistet werden, den die Gebäude bei Ausübung des Wiederkaufsrechts hatten.

3

Im Frühjahr 2006 schlossen die Parteien eine notarielle Vereinbarung, durch die sich die Beklagte verpflichtete, gegen Zahlung eines Ablösebetrages von 895.573,21 € auf die Wiederkaufsrechte zu verzichten. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung unter anderem Nutzungsbeschränkungen, eine Mietpreisbindung sowie ein neues, durch eine Vormerkung gesichertes Wiederkaufsrecht für den Fall eines Verstoßes der Klägerin gegen die neu übernommenen Verpflichtungen. Die Ablösevereinbarung wurde vollzogen.

4

Nach der Veröffentlichung eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 2006 (V ZR 252/05), in dem die Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand für die Dauer von 90 Jahren vereinbarten Wiederkaufsrechts mehr als 30 Jahre nach dessen Begründung für unzulässig erachtet worden war, erklärte die Klägerin die Anfechtung der Ablösevereinbarung mit der Begründung, sie habe sich irrtümlich vorgestellt, dass die Beklagte über ein durchsetzbares Wiederkaufsrecht verfüge.

5

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Ablösebetrages.

Ferner möchte sie festgestellt wissen, dass die Beklagte das Grundstück aufgrund der Vereinbarung aus dem Jahr 2006 nicht wiederkaufen kann, und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der zur Sicherung dieses Wiederkaufsrechts eingetragenen Auflassungsvormerkung zu bewilligen.

6

Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne sich weder ganz von den mit der Ablösevereinbarung eingegangenen Verpflichtungen befreien noch eine Reduzierung des Ablösebetrages verlangen. Das in dem Grundstückskaufvertrag aus dem Jahr 1935 vereinbarte Wiederkaufsrecht sei weder sittenwidrig noch wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Bestimmungen unwirksam. Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des Übermaßverbots, welches sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts beachten müsse, an der Ausübung des Wiederkaufsrechts gehindert gewesen. Dieses habe nicht zu einer unzumutbaren Lastenverteilung zum Nachteil der Klägerin geführt. Der Zweck des Wiederkaufsrechts, es der Beklagten einerseits zu ermöglichen, das Grundstück nach 75 Jahren zurückzuerwerben und so Bodenwertsteigerungen der Allgemeinheit zu erhalten, sie andererseits hierzu aber nicht, wie bei einem Erbbaurecht, zu verpflichten, sei nicht zu beanstanden. Die Ausübungsfrist von 75 Jahren habe auch den Interessen der Klägerin gedient, da sie sichergestellt habe, dass sich deren Investitionen über die Nutzungsdauer des Bauwerks amortisierten. Dass die Klägerin bei Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht den vollen, sondern nur 2/3 des Verkehrswerts der von ihr errichteten Gebäude habe beanspruchen können, halte sich, wie der Vergleich mit der Regelung in § 27 Abs. 2 ErbbauRG zeige, im Rahmen zulässiger Vereinbarungen. Auch sei der Wiederkaufspreis nicht zu beanstanden, da er der gesetzlichen Auslegungsregel entspreche. Bei einer schwerwiegenden Äquivalenzstörung sei es der Klägerin möglich gewesen, einen Inflationsausgleich für den 30 Jahre seit Vereinbarung des Wiederkaufsrechts übersteigenden Zeitraum (1965 bis 2006) zu verlangen. Dass sie einen solchen bei den Verhandlungen über die Ablösevereinbarung nicht eingefordert habe, berechtigte sie nicht, sich von dieser zu lösen.

II.

8

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Klägerin an die Ablösevereinbarung gebunden ist, weil eine nach § 313 Abs. 2 BGB relevante gemeinsame Fehlvorstellung der Parteien über deren Grundlagen nicht vorliegt.

9

1.

a)

Zu Recht hält das Berufungsgericht das in Nr. 13 Abs. 3 des Kaufvertrages aus dem Jahr 1935 vereinbarte Wiederkaufsrecht, welches der Beklagten im Jahr 2010 unbedingt zustand (nachfolgend: unbedingtes Wiederkaufsrecht), für wirksam.

10

aa)

Entgegen der Auffassung der Revision ist das unbedingte Wiederkaufsrecht nicht deshalb nichtig, weil es über die in § 462 Satz 1 BGB genannte Höchstfrist von 30 Jahren hinaus ausgeübt werden konnte. Diese Frist begrenzt die Ausübung eines Wiederkaufsrechts nur in den Fällen, in denen eine Frist nicht vereinbart worden ist. Sie hindert die Vertragsparteien nicht, längere Ausübungsfristen festzulegen (Senat, Urteil vom 21. April 1967 - V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 392); diese treten dann an die Stelle der gesetzlichen Frist (§ 462 Satz 2 BGB).

11

bb)

Nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass das unbeschränkte Wiederkaufsrecht nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 Abs. 1 BGB).

12

(1)

Mit diesem Recht hatte sich die Beklagte vorbehalten, den Grundstücksverkauf nachträglich in ein der Bestellung eines Erbbaurechts auf 75 Jahre vergleichbares Nutzungsverhältnis umzugestalten. Es ermöglichte ihr, im Jahr 2010 zu entscheiden, ob sie das Grundstück gegen Zahlung des Wiederkaufspreises und der vereinbarten Entschädigung für die von der Klägerin errichteten Gebäude zurückerwerben oder ob sie hiervon wegen der damit verbundenen Übernahme älterer und möglicherweise für sie nicht attraktiver Wohnhäuser absehen wollte. Ein solches Wahlrecht ist für sich genommen nicht verwerflich. Dass der Wiederkaufsberechtigte im Zweifel die für ihn wirtschaftlich günstigere Alternative wählen und insbesondere Bodenwertsteigerungen abschöpfen wird, ist weder zu missbilligen noch führt es - sofern die Bedingungen des Wiederkaufs angemessen sind - zu einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung oder zu einer sonst unzumutbaren Belastung des Käufers (aA Kämmerer/Martini, BauR 2007, 1337, 1348). Dieser vermag zu erkennen und sich von Anfang darauf einzustellen, dass er das Grundstück nach der vereinbarten Frist, hier nach 75 Jahren, möglicherweise an den Verkäufer zurückübereignen muss, also bis zu der Entscheidung des Verkäufers über die Ausübung des Wiederkaufsrechts in wirtschaftlicher Hinsicht eher einem Erbbauberechtigten als einem Eigentümer gleichsteht. Dabei kann die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts statt eines Erbbaurechts auch für den Käufer vorteilhaft sein; beispielsweise ist er nur als Eigentümer in der Lage, das Grundstück als Kreditsicherheit zu nutzen. Dass er im Gegensatz zu einem Erbbauberechtigten den vollen Kaufpreis zahlt, wird durch den Wiederkaufspreis kompensiert. Wird das Wiederkaufsrecht ausgeübt, hat der Käufer dem Verkäufer als Gegenleistung für die Nutzung des Grundstücks die Nutzungen des Kaufpreises überlassen und damit einen dem Erbbauzins vergleichbaren Wert aufgewandt.

13

(2)

Das Wiederkaufsrecht stellte sich auch nicht deshalb als sittenwidrig dar, weil als im Jahr 2010 zu zahlender Wiederkaufspreis der 1935 vereinbarte Kaufpreis ohne Wertsicherungsklausel bestimmt worden ist. Im Grundsatz ist es nicht unbillig, den Preis, zu welchem verkauft worden ist, als Wiederkaufspreis zu vereinbaren, da dies der Zweifelsregelung des § 456 Abs. 2 BGB (§ 497 Abs. 2 BGB aF) entspricht. Allerdings läge die Annahme eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nahe, wenn die Beklagte bei Ausübung des Wiederkaufsrechts nur den (in Euro umgerechneten) Nominalbetrag des Kaufpreises als Wiederkaufspreis hätte zahlen müssen, wenn also der - vorhersehbare - inflationsbedingte Wertverlust des Geldes über einen Zeitraum von 75 Jahren zu Lasten der Klägerin gegangen wäre. So verhielt es sich hier, anders als das Berufungsgericht meint, aber nicht.

14

Bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 1935 konnten die Parteien im Hinblick auf die Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts davon ausgehen, dass der Wiederkaufspreis auch ohne Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel dem seit Abschluss des Kaufvertrages gesunkenen Geldwert entsprechend aufgewertet werden würde. Das Reichgericht nahm bei einem Wiederkaufsrecht, wenn nicht Anhaltspunkte für das Gegenteil vorlagen, nämlich an, dass die Vertragsschließenden dem zum Wiederverkauf verpflichteten Käufer einen angemessenen Gegenwert für die Rückübereignung gewähren wollten, und wertete Wiederkaufspreise deshalb ohne weiteres auf (vgl. RGZ 119, 188; RG, JW 1927, 979; LZ 1925, 711). Infolge dieser Rechtsprechung entsprach es noch über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien hinaus allgemeiner Auffassung, dass Veränderungen des Geldwertes in der Weise zu berücksichtigen seien, dass ein in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Auslegungsregel des § 456 Abs. 2 BGB (§ 497 Abs. 2 BGB aF) festgesetzter Wiederkaufspreis die gleiche Kaufkraft wie der Kaufpreis haben müsste (vgl. Palandt/Pinzger, BGB, 1939, § 497 Anm. 4 aE sowie Staudinger/Ostler, BGB, 10. Aufl. [1937], § 497 Anm. 10). Dies lässt den Schluss zu, dass der Wiederkaufspreis nach übereinstimmender Vorstellung beider Parteien der allgemeinen Geldentwicklung angepasst werden sollte.

15

(3)

Mangels einer von dem unbedingten Wiederkaufsrecht ausgehenden unbilligen Belastung der Klägerin kommt ein Verstoß gegen die guten Sitten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung einer Monopolstellung in Betracht. Zudem hat das Berufungsgericht eine solche Stellung der Beklagten auf dem Hamburger Grundstücksmarkt nicht feststellen können; Verfahrensrügen hierzu sind von der Klägerin nicht erhoben worden.

16

cc)

Sonstige Nichtigkeitsgründe sind von dem Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint worden. An den Vorgaben, die sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB für städtebauliche Verträge ergeben, war das Wiederkaufsrecht ebenso wenig zu messen wie an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (früher § 9 Abs. 1 AGBG), da diese Vorschriften bei Abschluss des Kaufvertrages nicht existierten. Entgegen der Auffassung der Revision verstieß das Wiederkaufsrecht auch nicht gegen kartellrechtliche Vorschriften. Hätte die Beklagte das Grundstück - kartellrechtlich unbedenklich - mit einem Erbbaurecht zugunsten der Klägerin belastet, wäre es dem Grundstücksmarkt in vergleichbarer Weise wie durch das vereinbarte Wiederkaufsrecht entzogen gewesen.

17

b)

Zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, die Beklagte sei nicht aufgrund ihrer sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Bindungen gehindert gewesen, das Wiederkaufsrecht im Jahr 2010 auszuüben.

18

aa)

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat die Beklagte allerdings nicht nur die Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB), sondern insbesondere auch die Einhaltung des Übermaßverbots zu beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung das gesamte Handeln der öffentlichen Verwaltung, und zwar auch dann, wenn sie, wie hier, die Gestaltungsformen des Privatrechts wählt. Er verlangt, die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rechts auf das nach dessen Zweck erforderliche und angemessene Maß zu beschränken sowie unzumutbare Härten im Einzelfall zu vermeiden. Die Beklagte ist daher verpflichtet, vor der Ausübung eines ihr im Bereich des Verwaltungsprivatrechts zustehenden Rechts im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und inwieweit es geltend gemacht werden soll (Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, WM 2010, 1861 Rn. 18 mwN). Auf dieser Grundlage hat der Senat entschieden, dass ein Wiederkaufsrecht, welches die zweckentsprechende Nutzung eines zum Zwecke der Ansiedlung einer Familie verbilligt veräußerten Grundstücks sicherstellen soll, mehr als 30 Jahre nach seiner Begründung nicht mehr ausgeübt werden kann (Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 252/05, WM 2006, 2046).

19

bb)

Hieraus kann die Klägerin indessen nichts für sie Günstiges herleiten. Der mit der Beklagten geschlossene Kaufvertrag ist zwar dem Verwaltungsprivatrecht zuzuordnen, weil er, wie die Bauverpflichtung der Klägerin und die Belegungsbindung deutlich machen, wohnungs- und sozialpolitischen Zwecken diente. Die Ausübungsfrist von 75 Jahren war hier aber nicht unverhältnismäßig.

20

Nach welcher Zeitdauer die Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand vereinbarten Wiederkaufsrechts unverhältnismäßig ist, hängt entscheidend von dessen Zweck ab (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608, 1610). Dient es der Sicherung der Zweckbindung einer Subvention, muss seine Dauer in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Subvention zulässigerweise verfolgten Zweck stehen. Die Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, deren Einhaltung durch ein solches Wiederkaufsrecht typischerweise gewährleistet wird, dürfen dem Käufer nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum auferlegt werden; bei Grundstücken, die zum Zwecke der Errichtung von Einfamilienhäusern an Einzelpersonen verkauft werden, ist eine 30 Jahre übersteigende Dauer in aller Regel als unverhältnismäßig anzusehen.

21

Das hier vereinbarte unbedingte Wiederkaufsrecht diente dagegen weder der Sicherung einer Subvention noch der Durchsetzung von Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen. Es hielt der Beklagten unabhängig von dem Verhalten der Klägerin die Möglichkeit offen, nach 75 Jahren die Rückübereignung des Grundstücks zu näher festgelegten Konditionen zu verlangen. Ein solches Wiederkaufsrecht war in dem der Senatsentscheidung vom 21. Juli 2006 (V ZR 252/05, WM 2006, 2046) zugrunde liegenden Vertrag nicht enthalten; dort hatte sich die beklagte Körperschaft des öffentlichen Rechts vielmehr entschieden, das Grundstückseigentum endgültig auf die Käufer zu übertragen, sofern diese die ihnen auferlegten Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen beachteten.

22

Der unterschiedliche Zweck der Wiederkaufsrechte geht mit einer jeweils anderen Funktion der Ausübungsfrist einher. Von einem Wiederkaufsrecht, das eine Subvention sichert, kann, wenn der Subventionszweck verfehlt wird, jederzeit Gebrauch gemacht werden. Die Ausübungsfrist bildet die zeitliche Grenze, bis zu der dies möglich ist. Je länger sie ist, desto belastender wirkt das Wiederkaufsrecht für den Käufer, weil er während dieser Zeit die Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen beachten muss, die das Wiederkaufsrecht sichert, wenn er nicht Gefahr laufen will, das Eigentum an dem Grundstück zu verlieren.

23

Bei der hier vereinbarten Frist von 75 Jahren handelt es sich demgegenüber um den Zeitpunkt, zu dem das unbedingte Wiederkaufsrecht erstmals ausgeübt werden durfte. Je länger sie war, desto länger blieb die Klägerin Eigentümerin des Grundstückes und desto länger konnte sie dessen Nutzungen sowie die ihrer Investitionen ziehen. Umgekehrt bedeutete eine geringere Dauer eine größere Belastung, weil sich damit der Zeitraum verkürzte, in dem die Klägerin vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts geschützt war. Ihre Rechtsstellung hätte sich also nicht verbessert, sondern verschlechtert, wenn die Beklagte berechtigt gewesen wäre, das unbedingte Wiederkaufsrecht bereits nach 20 Jahren auszuüben. Führt ein längerer Zeitraum, bis zu dem ein Wiederkaufsrecht erstmals ausgeübt werden kann, aber nicht zu einer größeren und damit ab einem bestimmten Zeitpunkt unverhältnismäßigen Belastung des Käufers, lassen sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zeitlicher Hinsicht keine Beschränkungen für dessen Ausübung ableiten.

24

2.

Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass das in Nr. 11 Abs. 2 vereinbarte bedingte Wiederkaufsrecht, sofern es überhaupt Gegenstand der Ablösevereinbarung gewesen ist, bei der Festlegung des Ablösebetrages allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt hat, so dass etwaige Fehlvorstellungen über dessen Wirksamkeit eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 2 BGB nicht zu begründen vermögen.

25

3.

Zu Recht sieht das Berufungsgericht schließlich auch eine mögliche Fehlvorstellung der Klägerin hinsichtlich der Höhe des Wiederkaufspreises als irrelevant an. Zwar sind die Parteien ausweislich der Präambel der Ablösevereinbarung davon ausgegangen, dass der Wiederkaufspreis lediglich 85.000 Reichsmark = 43.459,81 Euro betragen hätte, also nicht an die Inflation anzupassen gewesen wäre, was nach dem Vortrag der Klägerin bei Zugrundelegung von Lebenshaltungskostenindizes zu einem Wiederkaufspreis von 308.550 € geführt hätte. Der Einwand, dass die seit 1935 eingetretene Geldentwertung Berücksichtigung finden müsse, ist aber derart naheliegend, dass die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden ist, es falle in den Risikobereich der Klägerin, wenn sie vor Abschluss der Ablösevereinbarung keine solche Anpassung verlangt bzw. einen Anpassungsanspruch bei den Verhandlungen über den Ablösebetrag nicht berücksichtigt haben sollte. Die Berechtigung einer solchen Forderung erschließt sich, wenn nicht schon aus dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages herrschenden Rechtsverständnis (siehe oben II. 1. a) bb) (2)), so doch ohne weiteres aus der ganz überwiegenden Auffassung, dass grundlegende Geldwertveränderungen seit der Vereinbarung des Wiederkaufspreises nach § 313 BGB zu berücksichtigen sind (vgl. MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 5. Aufl., § 456 Rn. 11; Staudinger/Mader, BGB [1995], § 497 aF Rn. 20; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., § 456 Rn. 13). Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

III.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger
Stresemann
Czub
Roth
Brückner

Von Rechts wegen

Verkündet am 29. Oktober 2010

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