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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 26.10.2010, Az.: V ZB 141/10
Verfahrenskostenhilfeanspruch eines nach Schweden abgeschobenen, serbischen Staatsangehörigen für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens gegen die Anordnung der Abschiebungshaft in Deutschland trotz fehlender Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.10.2010
Referenz: JurionRS 2010, 29626
Aktenzeichen: V ZB 141/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Aurich - 21.04.2010 - AZ: 1 T 122/10

nachgehend:

BGH - 07.04.2011 - AZ: V ZB 141/10

Rechtsgrundlage:

§ 1 PKH-VV

BGH, 26.10.2010 - V ZB 141/10

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 26. Oktober 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richterin Dr. Stresemann,
die Richter Dr. Czub und Dr. Roth und
die Richterin Dr. Brückner
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist serbischer Staatsangehöriger. Er ist am 12. März 2010 bei der Einreise zusammen mit seinem Sohn aus den Niederlanden nach Deutschland festgenommen worden, da er nicht über ausreichende Aufenthaltspapiere verfügte. Er ist in Schweden mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet und hat angegeben, er betreibe in Schweden zusammen mit seinem Sohn ein Asylverfahren. Daneben habe er schon seit Jahren in den Niederlanden mit Ehefrau, Sohn und Tochter um Asyl nachgesucht. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. März 2010 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von höchstens drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 21. April 2010 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 28. April 2010 nach Schweden zurückgeschoben worden.

2

Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, für die er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nicht vorgelegt, wohl aber einen Kontoauszug der JVA Hannover, aus dem sich ergibt, dass er am 19. April 2010 dort über 33,15 € verfügt hat.

II.

3

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist unbegründet.

4

1.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 (V ZB 214/09, zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden, dass ein Betroffener grundsätzlich auch nach seiner Abschiebung (oder Zurückschiebung) die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem durch § 1 PKH-VV festgelegten Formular abgeben oder eine gleichgestellte Unterlage vorlegen muss. Zur näheren Begründung wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

5

2.

Eine solche Erklärung hat der Betroffene nicht vorgelegt. Soweit er auf seine in der Beschwerdeinstanz vorgelegte formgerechte Erklärung Bezug genommen hat, ist dies - wie der Senat ebenfalls in dem zitierten Beschluss entschieden hat - nicht ausreichend, weil sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Abschiebung nach Schweden geändert haben können. Eine Erklärung, die den aktuellen Verhältnissen Rechnung trägt, ist dann unerlässlich, es sei denn, er macht glaubhaft, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz der geänderten Lebensumstände im Ergebnis nicht verändert haben. Daran fehlt es.

6

Diese Angaben sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Betroffene unter Vorlage eines Kontoauszuges der JVA Hannover vom 19. April 2010 dargelegt hat, dass er vor seiner Abschiebung nur über 33,15 € verfügt hat. Das besagt nichts über seine jetzigen Lebensumstände und finanziellen Verhältnisse.

7

3.

Von der Abgabe der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes abzusehen.

8

a)

Der Betroffene eines Freiheitsentziehungsverfahrens vor deutschen Gerichten hat zwar einen aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerfGE 85, 337, 345 [BVerfG 12.02.1992 - 1 BvL 1/89]; 88, 118, 123; 108, 341, 347). Der Zugang zu den Gerichten und zu den im Verfahrensrecht vorgesehenen Rechtsmittelverfahren darf ihm nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 81, 123, 129 [BVerfG 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88]). Diesen Anforderungen ist auch bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die die Situation einer unbemittelten Person weitgehend der Situation eines Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes angleichen soll, zu beachten (vgl. BVerfGE 67, 245, 248 [BVerfG 18.07.1984 - 1 BvR 1455/83]). Sie stehen aber dem Zwang zur Verwendung des mit § 1 PKH-VV festgelegten Formulars für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Beteiligten mit Aufenthalt in einem anderen Staat nicht entgegen. Denn auch solchen Beteiligten steht Verfahrenskostenhilfe nur zu, wenn sie bedürftig sind und dies in der von dem Gesetzgeber festgelegten Form darlegen. Diese Darlegung wird durch den Formularzwang auch bei Abgabe der Erklärung im Ausland nicht erschwert.

9

b)

Es mag allerdings Fälle geben, in denen der Betroffene in dem Staat, in den er abgeschoben worden ist, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen, etwa infolge einer Inhaftierung, gehindert ist, die Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars oder durch eine gleichwertige Bescheinigung des Aufenthalts oder des Heimatstaats abzugeben. Wie dann zu verfahren ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass es sich in dem Fall des Betroffenen so verhält.

Krüger
Stresemann
Czub
Roth
Brückner

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