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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 28.04.2010, Az.: 5 StR 487/09
Besetzungsrüge wegen fehlender Mitwirkung eines dritten Berufsrichters; Vertretbarkeit einer weniger restriktiven Anwendung der gesetzlich vorgesehenen beschränkten Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten; Beanstandung der Beweiswürdigung wegen Nichtnachgehens weiterer Fälle von Fehlverhalten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 28.04.2010
Referenz: JurionRS 2010, 16510
Aktenzeichen: 5 StR 487/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Potsdam - 26.09.2008

Fundstellen:

NStZ 2010, 714

NStZ-RR 2013, 198

Verfahrensgegenstand:

Gefährliche Körperverletzung u. a.

BGH, 28.04.2010 - 5 StR 487/09

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 28. April 2010
beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. September 2008 wird - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e

1

Das Landgericht hat die 13 angeklagten Justizvollzugsbediensteten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, in Ausübung des Dienstes bei drei Vorfällen am Morgen und am Nachmittag des 4. und am Morgen des 5. März 1999 in unterschiedlicher Beteiligung den damals als Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg inhaftierten Nebenkläger verletzt zu haben. Die gegen die Freisprüche gerichtete Revision des Nebenklägers, dem nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 6. Januar 2010 angegebenen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erweist sich letztlich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1.

Während das Landgericht für den 4. und 5. März 1999 jeweils morgens Widerstandshandlungen des nach einer Ellenbogenoperation im Februar 1999 psychisch stark dekompensierten, wiederholt aggressiven Nebenklägers festgestellt hat, die mit nicht feststellbar überschießendem körperlichen Einsatz von mehreren der Angeklagten gebrochen wurden, hat das Landgericht für den Nachmittag des 4. März 1999 jegliches Zusammentreffen des Nebenklägers mit einem der Angeklagten ausgeschlossen.

3

2.

Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat an:

4

a)

Die Besetzungsrüge bleibt erfolglos. Angesichts des überaus begrenzten angeklagten Tatgeschehens, der Einfachheit der strafrechtlichen Bewertung und einer namentlich angesichts des Zeitablaufs minderen Straferwartung der Angeklagten ist der tatgerichtliche Beurteilungsspielraum nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG gerade noch nicht überschritten, wenngleich schon nach der Anzahl der Angeklagten, zudem angesichts der Bedeutung der Sache, auch im Lichte des öffentlichen Interesses, und der absehbaren beträchtlichen Beweisprobleme eine Verhandlung unter Mitwirkung eines dritten Berufsrichters sehr viel näher gelegen hätte.

5

b)

Ungeachtet des auch dem Nebenkläger nach § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO zugebilligten Beweisantragsrechts erscheint eine weniger restriktive Anwendung der gesetzlich vorgesehenen beschränkten Ablehnungsgründe auf Beweisanträge des Nebenklägers als beim Angeklagten vertretbar. Diesem vermittelt das Beweisantragsrecht nicht nur in gleicher Weise wie dem Nebenkläger eine Stärkung der aktiven Einflussmöglichkeiten auf den Umfang der Beweisaufnahme, sondern auch eine Konkretisierung seines Rechts auf ein faires Verfahren und damit auf eine gewisse "Waffengleichheit" sowie eine Ergä6nzung der für ihn streitenden Unschuldsvermutung.

6

3.

Die den Freisprüchen zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nach den für das Revisionsgericht geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden. Angesichts der hinreichend deutlich dokumentierten überaus begrenzten konkreten Belastungsbeweise für die angeklagten Fälle stellt es keine beachtliche Lücke in der Beweisführung des Landgerichts dar, dass Erkenntnisse über weitere Fälle des Fehlverhaltens von Justizvollzugsbediensteten der gleichen Station nicht näher abgehandelt worden sind; sie wurden von der Presse erst fünf Jahre nach dem hier angeklagten Tatgeschehen angeprangert, haben indes offenbar zu keinen weiteren Anklageerhebungen geführt. Etwaige auch massivere weitere Verdachtsfälle gegen hier Angeklagte konnten bei der gegebenen tatbezogenen Beweislage ersichtlich keine Überführung im Sinne der - spät erhobenen und noch sehr viel später verhandelten - Anklage erbringen. Bei der aus dem Urteil erkenntlichen eklatanten Schwäche der maßgeblichen Zeugenaussage des Nebenklägers mussten auch keine näheren Erwägungen darüber angestellt werden, ob einzelne Angeklagte mit ihrem anklagebezogenen festgestellten Verhalten in den Fällen 1 und 3 der Anklage nicht doch die Grenzen zulässigen Vollzugsverhaltens auch im Rahmen gebrochenen Widerstandes des Nebenklägers überschritten haben könnten.

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