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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 10.12.2009, Az.: V ZB 115/09
Wert der Beschwer bei Abweisung einer Klage auf Beseitigung einer die Grenze des Grundstücks überschreitenden baulichen Anlage; Bestimmen des Wertverlust eines Grundstücks durch eine die Grenze überschreitende bauliche Anlage des Nachbarn nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.12.2009
Referenz: JurionRS 2009, 29754
Aktenzeichen: V ZB 115/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Haldensleben - 27.08.2008 - AZ: 17 C 453/07

LG Magdeburg - 26.05.2009 - AZ. 2 S 399/08 (286)

Fundstelle:

NZM 2010, 215

BGH, 10.12.2009 - V ZB 115/09

Redaktioneller Leitsatz:

Der Wert der Beschwer eines Grundstückeigentümers, der mit seiner Klage auf Beseitigung einer die Grenze überschreitenden baulichen Anlage abgewiesen worden ist, bestimmt sich nach dem Wertverlust, den sein Grundstück dadurch erlitten hat.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 10. Dezember 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
den Richter Dr. Klein,
die Richterin Dr. Stresemann und
die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.310 EUR.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Anlässlich der Bebauung des Grundstücks der Beklagten wurde dieses mit Erde aufgeschüttet; zur Abstützung an der Grenze zum Grundstück der Kläger wurden L-Betonsteine verlegt. Diese stehen nach Darstellung der Kläger zwischen 10 und 30 cm auf ihrem Grundstück, so dass sich der Grenzabstand zwischen der Wand ihres Hauses und der durch die Steine gebildeten faktischen Grenze teilweise von 3,20 m auf 2,90 m verringere und die Nutzung des Bauwichs für die Errichtung einer Zisterne und eines Fahrzeugstellplatzes eingeschränkt werde. Zudem fällt nach Darstellung der Kläger im Randbereich der Profilsteine Erde auf ihr Grundstück herüber.

2

Auf dem Grundstück der Beklagten steht weiter eine Kirschlorbeerhecke, deren Blätter teilweise auf das Grundstück der Kläger fallen. Auf der Terrasse am Haus der Beklagten befindet sich eine Außenleuchte, durch deren Lichteinwirkung sich die Kläger gestört fühlen.

3

Die Kläger haben von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, dass ihr Grundstück durch das Laub der Kirschlorbeerhecke wesentlich belastet werde, die L-Profil-Steine von ihrem Grundstück zu entfernen, die Absicherung gegen das Herabfallen von Erde auf ihr Grundstück zu vervollständigen und es zu unterlassen, durch die Lichteinwirkung von der Außenbeleuchtung der Terrasse die Nutzung ihres Wohn- und Schlafzimmers zu beeinträchtigen.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert der Beschwer den Betrag von 600 EUR nicht erreiche. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

5

Das Berufungsgericht meint, dass die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zulässig sei, weil der Wert der Beschwer der Kläger durch die Zurückweisung ihrer Anträge sich auf nicht mehr als 530 EUR belaufen.

6

Die Anträge im Einzelnen hat es wie folgt bewertet: Beseitigung des Laubbefalls 130 EUR, Unterlassen der Lichteinwirkung von der Terrassenbeleuchtung 150 EUR, Verhinderung des Herabfallens von Erdreich 100 EUR und Versetzen der L-Profil-Steine 150 EUR. Den letztgenannten Betrag hat es nach den dabei entstehenden Kosten bestimmt.

III.

7

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

8

1.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 575 ZPO).

9

Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert hier eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht bei seiner Festsetzung des für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Werts der Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) die rechtlichen Grundlagen für die Ausübung des ihm grundsätzlich zustehenden Ermessens gem. §§ 2, 3 ZPO (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20. Oktober 1997, II ZR 334/96, NJW-RR 1998, 573) verkannt hat.

10

Der Wert der Beschwer eines Klägers, der mit seiner Klage auf Beseitigung einer die Grenze überschreitenden baulichen Anlage abgewiesen worden ist, bestimmt sich nach dem Wertverlust, den sein Grundstück dadurch erlitten hat (Senat, Beschl. v. 23. Januar 1986, V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737; Beschl. v. 16. November 2006, V ZR 97/06, [...]; OLGR Hamm 1995, 267; OLGR München 1997, 140), und nicht nach den von dem Berufungsgericht mit einem Betrag von 150 EUR in Ansatz gebrachten Kosten für das Versetzen der Betonstützen. Diese wären allein für die Beschwer der Beklagten maßgebend, wenn sie dem Antrag gemäß verurteilt worden wäre (Senat, BGHZ 124, 313, 317; Beschl. v. 16. November 2006, V ZR 97/06, [...]).

11

2.

Beruht die Schätzung des Werts der Beschwer durch das Berufungsgericht auf einem Rechtsfehler, muss das Rechtsbeschwerdegericht diese selbst vornehmen. Die Rechtsbeschwerde ist danach begründet, weil der Wert der Beschwer der Kläger den Betrag von 600 EUR übersteigt.

12

a)

Der Wertverlust des Grundstücks durch eine die Grenze überschreitende bauliche Anlage des Nachbarn bestimmt sich nach dem Wert der überbauten Fläche und den dadurch bewirkten Beeinträchtigungen bei der Nutzung des nicht überbauten Grundstücksteils (Senat, Beschl. v. 16. Nov. 2006, V ZR 97/06, [...]; OLGR München 1997, 140).

13

b)

Für deren Schätzung kann hier von den Angaben in dem von den Klägern nunmehr vorgelegten notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 über den Kauf ihres Grundstücks ausgegangen werden. Der Wert der überbauten Fläche von 3,15 m2 beträgt bei einem nach dem Kaufpreis bestimmten Wert von 56,24 EUR pro m2 177,16 EUR (gerundet: 180 EUR). Hinzu tritt die Wertminderung durch die Reduzierung des Bauwichs unter den gesetzlichen Mindestabstand von 3 m, die bei vernünftiger Betrachtung weder mit Null (so das Berufungsgericht) noch mit mehreren tausend Euro (so die Rechtsbeschwerde) festgesetzt werden kann. Für die Schätzung des Werts der Beschwer der Kläger ist vielmehr davon auszugehen, dass die Abweisung einer Klage auf Beseitigung eines Überbaus wie eine durch ihre Gestattung abgesicherte Mitbenutzung wirkt. Deren Wert kann auch angesichts der geringen Beanspruchung des Grundstücks der Kläger auf ca. 2% des Werts ihres 660 m2 großen Grundstücks geschätzt werden, wobei der Grundstückswert mit dem 2001 vereinbarten Kaufpreis von 76.000 DM (= 38.858 EUR) in Ansatz gebracht werden kann. Die Beschwer durch die eingeschränkte Nutzbarkeit des Bauwichs ergibt so rechnerisch einen Betrag von 777,16 EUR (abgerundet: 750 EUR), was bereits allein die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt.

14

3.

Für das weitere Verfahren weist der Senat zu dem auf § 921 BGB gestützten Einwand der Beklagten, die L-Betonsteine seien eine Grenzeinrichtung, auf das dafür erforderliche Einverständnis des Nachbarn hin (Senat, BGHZ 143, 1, 5). Zu dem Anspruch der Kläger zur Beseitigung des Laubüberfalls verweist der Senat in Bezug auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen eines solchen Anspruchs auf seine Entscheidung vom 14. November 2003 (BGHZ 157, 33, 40).

Krüger
Klein
Stresemann
Czub
Roth

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