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Bundesfinanzhof
Urt. v. 20.01.2016, Az.: II R 29/14
Grunderwerbsteuerliche Behandlung der Vereinbarung des Ausscheidens der Kommanditisten einer grundbesitzenden KG gegen eine von der KG zu leistenden Abfindung
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 20.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 11681
Aktenzeichen: II R 29/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Nürnberg - 27.03.2014 - AZ: 4 K 1355/12

Fundstellen:

BFHE 253, 267 - 271

BB 2016, 725

BFH/NV 2016, 680-682

BFH/PR 2016, 197

BStBl II 2016, 358-360

DB 2016, 573-574

DB 2016, 7

DStR 2016, 599-600

DStRE 2016, 441

DStZ 2016, 259-260

ErbStB 2016, 137-138

EStB 2016, 139-140

GmbHR 2016, 442-443

GmbH-StB 2016, 99-100

GmbH-Stpr. 2016, 311-312

GStB 2016, 23

HFR 2016, 359-360

KÖSDI 2016, 19758

MittBayNot 2017, 16-17

NWB 2016, 755

NWB direkt 2016, 261

NZG 2016, 520

StB 2016, 86

SteuerStud 2017, 210

SteuerStud 2017, 215-216

SteuK 2016, 237

StuB 2016, 401

StX 2016, 173-174

Ubg 2016, 237-238

UVR 2016, 135

ZfIR 2016, 249

BFH, 20.01.2016 - II R 29/14

Amtlicher Leitsatz:

Die Vereinbarung, dass die Kommanditisten einer grundbesitzenden KG bis auf einen gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf den verbleibenden Kommanditisten übertragen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erst der Vollzug der Vereinbarung.

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 27. März 2014 4 K 1355/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) sowie A und B waren Gesellschafter einer im Juni 2005 von ihnen gegründeten GmbH. Die GmbH war ohne Kapitalbeteiligung Komplementärin einer grundbesitzenden KG, deren Kommanditisten zu gleichen Teilen die Klägerin, A und B waren. Die KG wird nach dem Gesellschaftsvertrag beim Ausscheiden eines Gesellschafters von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.

2

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. November 2011 übertrugen A und B ihre Geschäftsanteile an der GmbH mit Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2011 auf die Klägerin. Ferner wurde in dem Vertrag vereinbart, dass A und B mit Wirkung zum selben Zeitpunkt aus der KG ausscheiden und die Klägerin als alleinige Kommanditistin in der KG verbleibt. Als Gegenleistung für die Übertragung der GmbH-Anteile und zur Erfüllung der Ansprüche von A und B gegen die KG auf Ausscheidungsguthaben vereinbarten die Gesellschafter, dass der aus mehreren Eigentumswohnungen bestehende Grundbesitz der KG in S, F und N auf A und B übertragen werde. Soweit für die Übertragung der Eigentumswohnungen nach § 12 des Wohnungseigentumsgesetzes Verwalterzustimmungen erforderlich waren, wurden diese vor dem 31. Dezember 2011 erteilt. Der Grundbesitz der KG in Sch sollte in der KG verbleiben.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ... —FA—) stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 die Besteuerungsgrundlagen für die am 23. November 2011 "beurkundete und verwirklichte Übertragung" von mindestens 95 % der Anteile der KG gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gesondert fest. Er berücksichtigte dabei auch den Grundbesitz in S, F und N als Grundstücke, deren Werte der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen seien, und stellte ferner fest, dass der Erwerb gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG zu Anteilen in Höhe von 33,34 % steuerbegünstigt ist. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4

Den Antrag der Klägerin vom 27. April 2012, den Bescheid vom 21. Dezember 2011 aufzuheben, lehnte das FA mit Bescheid vom 3. Mai 2012 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA vertrat weiterhin die Ansicht, am 23. November 2011, an dem der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei, habe der Grundbesitz in S, F und N noch zum Vermögen der KG gehört.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, durch den Vertrag vom 23. November 2011 habe die Klägerin zwar die Tatbestandsmerkmale einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Der Grundbesitz in S, F und N sei aber bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 GrEStG seien somit nicht erfüllt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1499 veröffentlicht.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Mit der Unterzeichnung der notariellen Urkunde vom 23. November 2011 sei der Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Zu diesem für die Besteuerung maßgebenden Zeitpunkt habe auch der Grundbesitz in S, F und N zum Vermögen der KG gehört.

7

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

9

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, 4 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat den Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 1. August 2012 im Ergebnis zu Recht aufgehoben und das FA verpflichtet, den Feststellungsbescheid vom 21. Dezember 2011 aufzuheben.

10

1. Der Feststellungsbescheid ist bereits deshalb rechtswidrig, weil der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch den Abschluss des Vertrags vom 23. November 2011 nicht verwirklicht wurde.

11

a) Nach dieser Vorschrift unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Die Vereinbarung, dass ein Gesellschafter einer Personengesellschaft aus dieser gegen eine von der Personengesellschaft zu leistende Abfindung ausscheidet, erfüllt nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Eine solche Vereinbarung begründet keinen Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Personengesellschaft. Vielmehr wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern mit dem Ausscheiden gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ggf. i.V.m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs kraft Gesetzes zu. Dies kann zur Verwirklichung des Tatbestands der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Geschäft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führen. Ein Anspruch auf Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft wird demgegenüber begründet, wenn die Übertragung der Beteiligung eines Gesellschafters an der Personengesellschaft auf einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vereinbart wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 25. November 2015 II R 35/14, abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de).

12

b) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind somit aufgrund des Vertrags vom 23. November 2011 nicht erfüllt. Durch diesen Vertrag wurde kein Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Beteiligungen von A und B an der KG begründet. Vielmehr sollten A und B gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden. Das FA hat daher zu Unrecht auf diesen Zeitpunkt eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG vorgenommen. Der Feststellungsbescheid kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die gesonderte Feststellung auf den Zeitpunkt erfolgen sollte, zu dem A und B aus der KG ausgeschieden sind. Zum einen wird in dem Bescheid lediglich das Datum 23. November 2011 erwähnt. Zum anderen ist das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im gerichtlichen Verfahren davon ausgegangen, dass die gesonderte Feststellung auf diesen Tag erfolgt ist. Es hat daher im Einzelnen seine Ansicht begründet, dass die Grundstücke in S, F und N zu diesem Zeitpunkt der KG im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn noch zuzurechnen gewesen seien.

13

c) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG für den Erlass eines Feststellungsbescheids auf den Zeitpunkt, zu dem A und B aus der KG ausgeschieden sind, sind im Übrigen nicht gegeben. Von dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG wird kein außerhalb des Bezirks des FA liegendes Grundstück betroffen. Die Grundstücke in S, F und N sind bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht zu berücksichtigen.

14

aa) Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivil-recht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück "gehört" der Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2014 II R 26/12, BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402 [BFH 11.12.2014 - II R 26/12], [BFH 11.12.2014 - II R 26/12] Rz 18).

15

bb) Bei der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG war der Grundbesitz in S, F und N der KG grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr zuzurechnen. Bei dem durch den Vertrag vom 23. November 2011 begründeten Anspruch von A und B auf Übertragung der Grundstücke handelt es sich um einen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 110; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 1 Rz 40; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 1 Rz 153). Die für die Übertragung der Eigentumswohnungen erforderlichen Verwalterzustimmungen waren bereits vor dem 31. Dezember 2011 erteilt worden.

16

Im Hinblick auf den in der KG verbleibenden Grundbesitz in Sch sind die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG für den Erlass eines Feststellungsbescheids nicht erfüllt, weil sich dieser Grundbesitz nicht außerhalb des Bezirks des FA befindet. Das FA ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anlage 3 lfd. Nr. 53 Buchst. e der Verordnung über Organisation und Zuständigkeiten in der Bayerischen Steuerverwaltung vom 1. Dezember 2005 (BStBl I 2006, 167) u.a. für die Grunderwerbsteuer für den Bezirk des Finanzamts Sch zuständig. Der Grundbesitz in Sch befindet sich somit nicht außerhalb des Bezirks des FA (vgl. Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 17 Rz 21). Eine widersprüchliche Beurteilung der nach § 17 Abs. 3 GrEStG gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen durch mehrere Finanzämter ist ausgeschlossen. Auf die Zuständigkeit für die Feststellung der Grundbesitzwerte gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes kommt es im Hinblick auf die Frage, ob von dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ein Grundstück betroffen ist, das außerhalb des Bezirks des Finanzamts liegt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, nicht an. Diese Werte sind nach § 17 Abs. 3a GrEStG nicht in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG aufzunehmen.

17

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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