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Bundesfinanzhof
Urt. v. 20.12.2012, Az.: V R 37/11
Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei Verwendung bezogener Leistungen für eine unentgeltliche Entnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 bis 3 UStG; Folgen eines Warenbezugs zum Eigenkonsum bei unternehmerisch ausgeübtem "Empfehlungsmarketing"
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 20.12.2012
Referenz: JurionRS 2012, 36225
Aktenzeichen: V R 37/11
ECLI: [keine Angabe]

Fundstellen:

BFH/NV 2013, 781-782

HFR 2013, 529-530

StBW 2013, 435

BFH, 20.12.2012 - V R 37/11

Redaktioneller Leitsatz:

Der Unternehmer, der bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG zu verwenden, ist auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er mit einer Eigenbedarfsbestellung mittelbar bezweckte, eine Provisionsberechtigung zu erlangen und damit Provisionen für Weiterempfehlung zu erzielen, die als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze der Umsatzsteuer unterlagen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, erbrachte in den Streitjahren 2005 bis 2007 entgeltliche Leistungen im Rahmen eines sog. Empfehlungsmarketings für den Vertrieb der Produkte der Firma X. Die Lieferung dieser Produkte erfolgte ausschließlich durch X. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin von X Provisionen in dem Umfang, in dem Warenlieferungen aufgrund von Bestellungen durch andere Teilnehmer des Vertriebssystems erfolgten, die die Klägerin angeworben hatte. Um dem Grunde nach provisionsberechtigt zu sein, musste sie darüber hinaus selbst Waren im Umfang einer bestimmten Mindestbestellmenge erwerben. Der Weiterverkauf dieser Waren war der Klägerin nicht gestattet. Sie konnte die von ihr selbst bezogenen Waren entweder als Proben und Testmuster (z.B. bei der Anwerbung weiterer Vertriebsteilnehmer) oder für eigene Konsumzwecke und damit für ihren privaten Bedarf verwenden. Durch handschriftliche Vermerke kennzeichnete die Klägerin die Warenbezüge, die sie für Proben und als Testmuster verwendete. Die Klägerin ging davon aus, dass sie als Unternehmer entgeltliche Leistungen erbracht habe und daher aus dem Bezug von Waren von X zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

2

Demgegenüber erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), den geltend gemachten Vorsteuerabzug in den für die Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheiden nur teilweise an. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Im finanzgerichtlichen Verfahren ergingen für alle Streitjahre Änderungsbescheide, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurden, und mit denen das FA an der Versagung des Vorsteuerabzugs nur insoweit festhielt, als die von X bezogenen Waren entsprechend ihren Aufzeichnungen nicht als Proben und Testmuster, sondern für den privaten Bedarf ihrer Gesellschafter verwendet worden waren.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin nach Erlass der Änderungsbescheide weiter geltend machte, dass sie zum Vorsteuerabzug auch insoweit berechtigt sei, als sie Waren von X für den privaten Bedarf ihrer Gesellschafter bezogen hatte, ab. Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 762 veröffentlicht. Die Klägerin sei insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da sie in diesem Umfang bereits beim Leistungsbezug beabsichtigt habe, die von X bezogenen Waren ausschließlich und unmittelbar für unentgeltliche Entnahmen nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) zu verwenden. Sie habe im Zeitpunkt des Empfangs der monatlichen Lieferung von X entschieden, welche Ware sie als Proben/Testmuster und welche Ware sie für den Eigenbedarf zu verwenden beabsichtigte und dabei die Waren, die als Proben/ Testmuster bezogen worden seien, besonders gekenn-zeichnet. Die Klägerin habe den streitbefangenen Warenbezug für den Eigenverbrauch der Gesellschafter dadurch ermittelt, dass der monatliche Wareneinkauf (ausgenommen Kosmetika) ins Verhältnis zur Mindestbestellmenge gesetzt worden sei. Diesen Warenanteil habe sie auf den Abrechnungen als Eigenbedarf gekennzeichnet und regelmäßig noch im selben Monat konsumiert. Im Hinblick auf den Grundsatz der direkten und unmittelbaren Zuordnung sei es unerheblich, dass die Klägerin mit der Eigen-bedarfsbestellung mittelbar bezweckt habe, ihre Provisionsbe-rechtigung herzustellen und damit steuerpflichtige Umsätze zu erzielen. Die möglicherweise auch durch kurzzeitigen Eigen-konsum erlangte Kenntnis vom Nutzen und der Wirkungsweise der Nahrungsergänzungsmittel könne für die unternehmerische Tätig-keit von Bedeutung sein. Anders sei es jedoch, wenn die Ge-sellschafter im Rahmen der Gesundheitsvorsorge Nahrungser-gänzungsmittel dauerhaft konsumierten, um so das eigene Wohl-befinden zu erhöhen. Diese direkt und unmittelbar privat ver-anlassten Leistungsbezüge könnten von vornherein keinen Ein-gang in die wirtschaftliche Tätigkeit finden.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, für die sie Verletzung materiellen Rechts anführt. Das FG habe übersehen, dass sie ohne den Wareneinkauf keine Umsätze erbringen könne. Bei dem von ihr ausgeübten Empfehlungsmarketing sei der Selbstverbrauch keine nichtunternehmerische Nutzung. Der zum Eigenkonsum erfolgte Wareneinkauf sei "conditio sine qua non" für die Provisionserzielung. Ein noch unmittelbarer Zusammenhang sei kaum vorstellbar. Der Wareneinkauf zum Eigenverbrauch und zur anschließenden Weiterempfehlung sei ihre wirtschaftliche Tätigkeit. Das FG habe ignoriert, dass sie keine Provisionen erziele, wenn der Mindestwareneinkauf unterbleibe. Empfehlungsmarketing könne nur aufgrund eines fortwährenden Eigenkonsums der empfohlenen Produkte ausgeübt werden. Dies sei der wesentliche Grund dafür, dass X auf einen Wareneinkauf zum Selbstverbrauch bestehe.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 11. Juli 2011 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge von 38,73 EUR (2005), 109,53 EUR (2006) und 147,97 EUR (2007) berücksichtigt werden.

7

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen entnehme, und ein Verbraucher seien gleich zu behandeln. Die Höhe der umsatzsteuerpflichtigen Provision habe sich nicht nach der Menge der bestellten Waren, sondern nach Zahl und Art der gesponserten Partner bestimmt. Den Vertragsbestimmungen der X sei nicht zu entnehmen, dass die Klägerin gezwungen sei, die bezogenen Waren selbst zu verbrauchen. Auf mittelbare Zielsetzungen komme es nicht an. Ein dauerhafter Konsum der empfohlenen Produkte sei nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

10

1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Unternehmer nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.

11

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche und steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

12

b) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG und ab 2007 Art. 9 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL--) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258, BFH/NV 2012, 681, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- und des BFH).

13

Beabsichtigt der Unternehmer demgegenüber bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu verwenden, ist er auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn nach seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen würden (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2010 V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, [BFH 09.12.2010 - V R 17/10] und vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, [BFH 13.01.2011 - V R 12/08] jeweils Leitsatz 1). Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der mit Urteil vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 230 Rdnrn. 70 ff.) entschieden hat, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht besteht, wenn die Gegenstände oder Dienstleistungen für unentgeltliche Umsätze oder für andere Tätigkeiten als die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen bestimmt sind.

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2. Diesen Grundsätzen entsprechend hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, als sie Waren nicht als Proben und Testmuster, sondern für den privaten Verbrauch ihrer Gesellschafter bezogen hat.

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a) Das FG hat die Versagung des Vorsteuerabzugs in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats darauf gestützt, dass der Unternehmer, der bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG zu verwenden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und es im Hinblick auf den Grundsatz der direkten und unmittelbaren Zuordnung unerheblich ist, dass die Klägerin mit der Eigenbedarfsbestellung mittelbar bezweckte, die Provisionsberechtigung zu erlangen und damit Provisionen für Weiterempfehlung zu erzielen, die als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze der Umsatzsteuer unterlagen.

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Dabei ist aufgrund der Vermerke der Klägerin beim Warenbezug davon auszugehen, dass bereits beim Leistungsbezug feststand, in welchem Umfang sie Waren für die Konsumzwecke ihrer Gesellschafter bezog. Daher ist im Hinblick auf diesen Teil des Wareneinkaufs von einem Warenerwerb in der Absicht einer bei den Gesellschaftern erfolgenden Privatverwendung auszugehen.

17

b) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Die Klägerin meint, sie sei aus dem Warenerwerb, den sie ihren Gesellschaftern für deren privaten Bedarf zur Verfügung gestellt habe, zum Vorsteuerabzug berechtigt, da für sie ohne Einhaltung der Mindestabnahmemenge der Produkte der X bereits dem Grunde nach keine Provisionsberechtigung bestanden habe. Zwar bestand für die Klägerin eine Mindestabnahmeverpflichtung, ohne deren Einhaltung sie keine Provisionseinnahmen erzielen konnte. Hieraus ergab sich jedoch nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) keine Verpflichtung, die bezogenen Waren für den Konsum ihrer Gesellschafter zu verwenden. Die Waren konnten ebenso als Proben und Testmuster zur Gewinnung weiterer Teilnehmer für das Vertriebssystem verwendet werden. Der Klägerin war lediglich die entgeltliche Abgabe an andere untersagt. Dass die Klägerin die von X zwingend zu beziehenden Waren unter Umständen nicht ausschließlich für die Gewinnung weiterer Vertriebsmitglieder verwenden konnte und ggf. deshalb ihren Gesellschaftern für Verbrauchszwecke zur Verfügung stellte, begründet keinen hinreichenden unmittelbaren Zusammenhang zur wirtschaftlichen Tätigkeit.

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Ebenso führt die Überlegung der Klägerin, sie müsse Eigenkonsum betreiben, um die Gegenstände im Rahmen des Empfehlungsmarketings überzeugend bewerben zu können, zu keinem anderen Ergebnis. Denn insoweit hätte es auch ausgereicht, Waren der X als Proben und Testmuster zu konsumieren.

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