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Bundesfinanzhof
Urt. v. 26.04.2012, Az.: IV R 19/09
Zulässigkeit eines Ergänzungsbescheides
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 26.04.2012
Referenz: JurionRS 2012, 20288
Aktenzeichen: IV R 19/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Münster - 26.02.2009 - AZ: 11 K 3579/06 F

Rechtsgrundlage:

§ 179 Abs. 3 AO

Fundstellen:

BFH/NV 2012, 1569-1570

HFR 2012, 1134-1135

NWB 2012, 2901-2902

NWB direkt 2012, 939-940

StX 2012, 557

Jurion-Abstract 2012, 251068 (Zusammenfassung)

BFH, 26.04.2012 - IV R 19/09

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Ergänzungsbescheid, durch den gem. § 179 Abs. 3 AO eine unterbliebene notwendige Feststellung nachgeholt wird, darf nicht ergehen, wenn hierdurch die Bestandskraft eines ergangenen Feststellungsbescheides durchbrochen würde. Vielmehr darf nur ein lückenhafter Feststellungsbescheid vervollständigt werden. Nachgeholt werden können nur solche Feststellungen, die in den vorausgegangenen Feststellungsbescheiden "unterblieben" sind. Abzugrenzen hiervon sind Fälle, in denen der Feststellungsbescheid unrichtig ist und nur noch unter den hierzu bestehenden Voraussetzungen geändert werden kann.

Gründe

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, war Kommanditist der B-KG und zugleich an der Komplementär-GmbH, der B-GmbH, mit einer Stammeinlage von 300.000 DM (Stammkapital der B-GmbH: 9 Mio. DM) beteiligt. Der --bestandskräftige-- Feststellungsbescheid für die B-KG für das Streitjahr 2001 datiert vom 18. Juli 2003. Ausdrückliche Angaben zu Sonderbetriebseinnahmen oder -ausgaben enthalten weder dieser Bescheid noch die Feststellungserklärung, und zwar weder für den Kläger noch für die anderen Gesellschafter.

2

Im Rahmen einer bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung beanstandete der Prüfer eine Teilwertabschreibung in Höhe von 200.000 DM, die der Kläger im Jahr 2001 in seinem Jahresabschluss auf seine Beteiligung an der B-GmbH vorgenommen hatte. Die Bedenken des Prüfers bezogen sich dabei nicht auf die Höhe der Abschreibung, sondern allein darauf, dass die GmbH-Beteiligung des Klägers zu dessen notwendigem Sonderbetriebsvermögen bei der B-KG gehöre und die Teilwertabschreibung daher dort zu erfassen sei. Der Kläger schloss sich dieser Auffassung an und stellte im September 2005 einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids (§ 179 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO--) zum Feststellungsbescheid 2001 der B-KG und erhob nach Ablehnung dieses Antrags durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) und nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens Klage. Dieser gab das Finanzgericht (FG) Münster mit Urteil vom 26. Februar 2009 11 K 3579/06 F (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 988) statt und verpflichtete das FA zum Erlass eines Ergänzungsbescheids zum Feststellungsbescheid 2001 der B-KG, durch den für den Kläger Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 200.000 DM festgestellt werden.

3

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt das FA eine Verletzung des § 179 Abs. 3 AO.

4

Es beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

1. Zu Recht geht das FG zwar davon aus, dass die übrigen ehemaligen Gesellschafter der nach den Feststellungen des FG vollbeendeten B-KG zum vorliegenden Verfahren nicht nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen waren, da sie durch die Entscheidung darüber, ob im Wege eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu berücksichtigen sind, unter keinem steuerrechtlichen Gesichtspunkt betroffen sein können (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483; BFH-Urteil vom 22. September 2011 IV R 42/09, BFH/NV 2012, 236, jeweils m.w.N.).

8

2. Entgegen der Auffassung des FG hat das FA es aber zu Recht abgelehnt, im Wege eines Ergänzungsbescheids zum Feststellungsbescheid der B-KG für das Streitjahr 2001 Sonderbetriebsausgaben des Klägers festzustellen. Dabei kann dahinstehen, ob --woran im Hinblick auf den nur geringfügigen Anteil des Klägers am Stammkapital der B-GmbH Zweifel bestehen könnten-- die Anteile des Klägers an der B-GmbH seinem notwendigen Sonderbetriebsvermögen bei der B-KG zuzuordnen sind und der streitige Aufwand aus der Teilwertabschreibung deshalb grundsätzlich als Sonderbetriebsausgaben des Klägers im Gewinnfeststellungsverfahren der B-KG zu erfassen wäre. Denn der Erlass eines Ergänzungsbescheids zur Feststellung etwaiger Sonderbetriebsausgaben des Klägers kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil über die Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben des Klägers bereits im Feststellungsbescheid der B-KG entschieden wurde.

9

a) Nach § 179 Abs. 3 AO ist, soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, diese in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Zwar kann ein solcher Bescheid jede Feststellung i.S. der §§ 179, 180 AO betreffen. Er darf jedoch nicht die Bestandskraft eines ergangenen Feststellungsbescheids durchbrechen, sondern nur einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen; nachholbar sind nur solche Feststellungen, die in den vorausgegangenen Feststellungsbescheiden "unterblieben" sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 3. März 2011 IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649, und vom 23. August 2011 IX R 8/11, BFH/NV 2012, 2, jeweils m.w.N.).

10

Die Frage, ob ein Feststellungsbescheid lückenhaft ist, d.h. eine notwendig zu treffende Feststellung (hier: der Sonderbetriebsausgaben des Klägers) nicht enthält, ist durch Auslegung dieses Bescheids zu beantworten. Hierzu ist auch das Revisionsgericht befugt (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1649, m.w.N.). Da ein Verwaltungsakt und damit auch ein Feststellungsbescheid mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO), ist bei dessen Auslegung entsprechend den §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf abzustellen, wie der Adressat des Bescheids (Feststellungsbeteiligter) die Erklärungen der Behörde nach den ihm bekannten Umständen sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1649; ferner BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235, jeweils m.w.N.).

11

b) Nach diesen Grundsätzen war im Streitfall kein Ergänzungsbescheid zu erlassen. Denn der Feststellungsbescheid für die B-KG für das Streitjahr 2001 war nicht unvollständig, sondern allenfalls unrichtig. Er enthält die --ggf. fehlerhafte-- (negative) Feststellung, dass keine Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu berücksichtigen sind.

12

Die mit der Feststellungserklärung einzureichende Anlage FE 1 enthält im Hinblick auf die gebotene Einbeziehung entsprechender Aufwendungen in das Feststellungsverfahren ausdrücklich eine Zeile, in der etwaige Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Mitunternehmers oder Beteiligten einzutragen sind. Wird diese Zeile nicht ausgefüllt, kann das FA dieser Erklärung die Aussage entnehmen, Sonderbetriebsausgaben seien nicht zu berücksichtigen, da nicht angefallen. Dem Nichtausfüllen der für Sonderbetriebsausgaben vorgesehenen Zeile kommt nach Ansicht des Senats insoweit der gleiche Aussagewert zu wie einem in dieser Zeile angebrachten Strich oder dem Eintrag eines Betrags von 0 € (ebenso FG Köln, Urteil vom 29. September 2009 12 K 929/07, EFG 2010, 296; vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 2).

13

Stellt das FA in einem solchen Fall den laufenden Gewinn nach Maßgabe der eingereichten Erklärung, d.h. ohne Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben fest, trifft es damit --auch aus Empfängersicht (hier: des Klägers)-- die (negative) Entscheidung, es sei nicht notwendig, Sonderbetriebsausgaben gesondert und einheitlich festzustellen, weil solche, wie erklärt, nicht angefallen seien. Dass der Feststellungsbescheid aus der Sicht des Klägers nur so verstanden werden konnte, ergibt sich hier insbesondere auch daraus, dass der Kläger seinerzeit selbst davon ausging, der streitige Aufwand aus der Teilwertabschreibung auf seine Beteiligung an der B-GmbH sei nicht als Sonderbetriebsausgaben im Gewinnfeststellungsverfahren der B-KG, sondern in seinem eigenen Jahresabschluss zu erfassen, und er den Aufwand dementsprechend auch (nur) dort geltend gemacht hatte.

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