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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 22.12.2011, Az.: VIII B 146/11
Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 33789
Aktenzeichen: VIII B 146/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Düsseldorf - 05.09.2011 - AZ: 1 V 2325/11 A(E)

Fundstellen:

BFH/NV 2012, 575-576

EStB 2012, 91

GmbHR 2012, 77

StBW 2012, 148

BFH, 22.12.2011 - VIII B 146/11

Gründe

1

Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt) ist unbegründet. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) den Antragstellern und Beschwerdegegnern wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 18. Mai 2011 Aussetzung der Vollziehung bewilligt.

2

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juni 2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882; vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, m.w.N.).

3

b) Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise hat die Vorinstanz derartige ernstliche Zweifel zutreffend bejaht. Die Frage, ob im Veranlagungszeitraum 2008 zugeflossene Erstattungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) als Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2010 zu erfassen sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Gegen die durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2010 eingefügte Neufassung des Gesetzes, die gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer --wie hier-- noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken, z.B. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, erhoben (vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 5. September 2011 1 V 2325/11 A(E) Deutsche Steuer-Zeitung 2011, 775; FG Münster, Beschluss vom 27. Oktober 2011 2 V 913/11 E, Betriebs-Berater 2011, 2966; ähnlich Zimmermann, Erfassung der Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 651; Markl/Hölzl, Und (noch) kein Ende - die Steuerpflicht von Erstattungszinsen - Zweifel am Nichtanwendungsgesetz, Buchführung, Bilanz und Kostenrechnung 2011, 270; kritisch auch Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG - Herrscht nun endlich Klarheit?, Finanzrundschau --FR-- 2011, 545). Demgegenüber wird die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und die Rechtmäßigkeit von deren Erstreckung auf noch "offene Altfälle" von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 1. Juni 2011 2 V 35/11, EFG 2011, 1687 [FG Schleswig-Holstein 14.07.2011 - 2 V 35/11]; FG Münster, Urteil vom 16. Dezember 2010 5 K 3626/03 E, EFG 2011, 649 [FG Münster 16.12.2010 - 5 K 3626/03 E]; FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2011 6 K 703/08 K,G, [...]; Mitschke, Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der Entstrickungsregelungen des JStG 2010, FR 2011, 706; unklar Stöcker, Steuerpflicht von Erstattungszinsen - Abzug von Nachzahlungszinsen, Der AO-Steuerberater 2010, 80).

4

c) Der BFH hat über diese Fragen noch nicht entschieden. Die Senatsentscheidung vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 (BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503) trifft zu dieser Problematik keine Aussage und die zu der hier aufgeworfenen Frage beim BFH anhängigen Verfahren VIII R 1/11 (Vorinstanz FG Münster in EFG 2011, 649) und VIII R 36/10 (Vorinstanz FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2010 10 K 2720/09, EFG 2010, 723) sind noch offen.

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Insgesamt gesehen bedürfen diese umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht endgültig geklärten Fragen weiterer eingehender Prüfung. Ihre abschließende Beurteilung muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

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