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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 29.08.2011, Az.: II B 86/10
Schlüssige Darlegung des Gegenstands des finanzgerichtlichen Verfahrens als ein Antrag auf Erstattung von Versicherungsteuer
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.08.2011
Referenz: JurionRS 2011, 29252
Aktenzeichen: II B 86/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG München - 16.06.2010 - AZ: 4 K 2019/08

Fundstellen:

BFH/NV 2012, 286-288

IStR 2012, 8

BFH, 29.08.2011 - II B 86/10

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nicht schlüssig dargelegt. Insoweit hätten diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden müssen, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297; vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 48 f.). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

3

a) Aus dem Vorbringen des Klägers, das Finanzgericht (FG) habe die Streitsache aufgrund des von ihm geltend gemachten Antrags auf Erstattung von 118,67 € lediglich unvollständig erledigt (zu diesem Verfahrensmangel vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 104, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 241), ergibt sich kein Verfahrensmangel. Es ist nicht schlüssig dargelegt, dass Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ein Antrag auf Erstattung von Versicherungsteuer in Höhe von 118,67 € war.

4

aa) Zwar hatte der Kläger mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 an das Finanzamt X (FA) einen Antrag auf Erstattung von 118,67 € gestellt. In seinem Bescheid vom 8. Mai 2008 hat das FA diesen Antrag als einen solchen auf Änderung der Steueranmeldung des Beigeladenen in Höhe eines --die Versicherungsteuer für die Hausratversicherung des Klägers betreffenden-- Betrags von 15,76 € ausgelegt und diesen Antrag abgelehnt. Allein dieser Bescheid vom 8. Mai 2008 war Verfahrensgegenstand des Einspruchsbescheids vom 5. Juni 2008, durch den das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen hat.

5

bb) Nach dem Wortlaut seines Klageantrags hatte der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 8. Mai 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2008 und ferner die Erstattung von Versicherungsteuer in Höhe von insgesamt 64,21 € (15,76 € Versicherungsteuer für Hausratversicherung und 48,45 € Versicherungsteuer für Berufshaftpflichtversicherung) beantragt. Diesen Klageantrag hat das FG zum einen als Verpflichtungsbegehren dahin ausgelegt, die Versicherungsteueranmeldung des Beigeladenen betreffend die Hausratversicherung des Klägers für den Anmeldezeitraum September 2007 um 15,76 € herabzusetzen. Hinsichtlich des die Versicherungsteuer für die Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von 48,45 € betreffenden Klagebegehrens hat das FG zutreffend angenommen, dass es an dem für eine zulässige Verpflichtungsklage erforderlichen erfolglosen Vorverfahren (§ 44 FGO) fehlt und die Klage insoweit unzulässig ist.

6

cc) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil das FG das Klagebegehren als Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) hätte behandeln müssen. Nach dieser Vorschrift ist zwar eine Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht innerhalb einer angemessenen Frist sachlich entschieden worden ist. Abgesehen davon, dass der Kläger einen entsprechenden Klageantrag gar nicht gestellt hat, ist eine vor Abschluss des Vorverfahrens erhobene Klage auch nur dann nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig, wenn spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Untätigkeit der Finanzbehörde gerügt wird (BFH-Urteil vom 24. April 2007 I R 33/06, BFH/NV 2007, 2236, m.w.N.). Vorliegend hat jedoch weder das FG festgestellt noch hat der Kläger vorgetragen, eine solche Rüge erhoben zu haben.

7

b) Soweit der Kläger aus der Vorentscheidung den Eindruck gewinnt, das FG habe sein Anliegen nicht ernst genommen, ist ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Vortrag eines Beteiligten aus materiell-rechtlichen oder formellen Gründen ganz oder teilweise außer Betracht lassen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2004 VII B 295/03, BFH/NV 2004, 1415; vom 27. September 2006 VI B 59/06, BFH/NV 2007, 88).

8

2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist teilweise nicht schlüssig dargelegt, teilweise ist die Beschwerde insoweit unbegründet.

9

Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes bedarf es substantiierter Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, bedarf es einer substantiierten, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH orientierten Auseinandersetzung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom 21. Januar 2005 VIII B 93/03, BFH/NV 2005, 894; vom 3. Dezember 2008 VII B 65/08, BFH/NV 2009, 707, jeweils m.w.N.).

10

a) Die grundsätzliche Bedeutung der vom Kläger herausgestellten Frage, ob die Erhebung der Versicherungsteuer durch Private als Verstoß gegen Art. 108 GG zu beurteilen ist, ist nicht substantiiert dargelegt.

11

Es fehlen bereits nähere Ausführungen dazu, welche rechtlichen Gegebenheiten zu einer verfassungswidrigen "Erhebung" der Versicherungsteuer durch private Versicherungsunternehmen führen sollen und inwiefern der Versicherer dem Versicherten hoheitlich gegenüber tritt. Zudem setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht mit der in § 7 Abs. 1 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) getroffenen Regelung auseinander, wonach der Versicherungsnehmer Steuerschuldner ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG) und der Versicherer für die Versicherungsteuer haftet (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG). Der letzteren Regelung ist zu entnehmen, dass der Versicherer Entrichtungsschuldner ist; seine Zahlungspflicht ist nicht als Haftungsschuld nachrangig, sondern als Entrichtungsschuld vorrangig (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 II R 88/66, BFHE 111, 359, BStBl II 1974, 310). Diese Regelungen vermitteln dem Versicherer offensichtlich keine öffentlich-rechtliche Stellung gegenüber dem Versicherungsnehmer. Vielmehr befindet sich der Versicherer aufgrund seiner gemäß § 8 Abs. 1 VersStG bestehenden Verpflichtung zur Steueranmeldung (die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht, § 168 Satz 1 der Abgabenordnung) ausschließlich in einer öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung gegenüber der Finanzverwaltung.

12

Soweit die Beschwerdebegründung im Zusammenhang mit der Erhebung der Versicherungsteuer rügt, dass gegenüber dem Versicherten als Steuerschuldner kein Steuerbescheid ergeht und es ihm gegenüber auch ansonsten an einem hoheitlichen Tätigwerden fehle, ist auch eine mögliche Unvereinbarkeit dieser Rechtslage mit Art. 108 GG nicht schlüssig dargetan. Insoweit hätte es näherer Darlegung bedurft, in welcher Hinsicht die gesetzliche Ausgestaltung der Versicherungsteuer als eine den Versicherer treffende Entrichtungssteuerschuld mit Art. 108 GG unvereinbar sein soll. Insbesondere wäre auch darzulegen gewesen, aus welchem Rechtsgrund der Gesetzgeber verpflichtet sein soll, über die in §§ 7 und 8 VersStG getroffenen Regelungen hinaus auch das Verhältnis zwischen Versicherer und Versichertem durch weitere Vorschriften zu regeln.

13

b) Auch die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob der Schuldner der Versicherungsteuer (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG) aufgrund der Steuerentrichtung durch das Versicherungsunternehmen in seinem Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt ist, ist nicht schlüssig dargelegt.

14

Der Kläger hat nicht substantiiert die Gründe bezeichnet, die unter Berücksichtigung der Rechtsstellung des Versicherers als Entrichtungsschuldner eine Verletzung des Versicherten in seinem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz begründen sollen. Zu solchen Ausführungen hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil das FG dem Rechtsschutzbegehren des Klägers zutreffend dadurch Rechnung getragen hat, dass es --unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890; vgl. auch Heuermann in HHSp, § 168 AO Rz 8), die das Recht des Arbeitnehmers zur Anfechtung der Lohnsteuer-Anmeldung durch den Arbeitgeber bejaht-- die Befugnis eines Versicherungsnehmers (als Schuldner der Versicherungsteuer, § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG) sowohl zur Anfechtung der Steueranmeldung des Versicherers als auch zur Erhebung einer auf Änderung der Versicherungsteuer-Anmeldung gerichteten Verpflichtungsklage bejaht hat. Mit dem Vorbringen des Klägers, die Anwendung dieser zum Lohnsteuerabzug ergangenen Rechtsprechung sei "fragwürdig" und es bestünden materiell-rechtliche Unterschiede zwischen der Versicherungsteuer und dem Lohnsteuerabzug, ist eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht schlüssig dargelegt.

15

c) Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob die Festsetzung und Erhebung der Versicherungsteuer gegen Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1) verstößt, ist nicht klärungsbedürftig.

16

Der V. Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 23. November 2010 V B 119/09 (BFH/NV 2011, 460) im Einzelnen ausgeführt, dass die Versicherungsteuer unter Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht den Charakter einer Mehrwertsteuer hat. Der beschließende Senat folgt diesen zutreffenden Erwägungen. Unter der Geltung des Art. 401 MwStSystRL, der mit Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG wörtlich übereinstimmt, kann nichts anderes gelten. Aus dem Hinweis des Klägers auf den seiner Auffassung nach unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der Begriffe "Mehrwertsteuer" und "Umsatzsteuer" ergibt sich kein weiterer Klärungsbedarf. Im Bedeutungsgehalt beider Begriffe besteht ersichtlich kein Unterschied.

17

d) Die vom Kläger herausgestellte erhebliche fiskalpolitische Breitenwirkung der von ihm bezeichneten Rechtsfragen begründet für sich allein nicht deren grundsätzliche Bedeutung (vgl. Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 93, m.w.N.).

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