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Bundesfinanzhof
Urt. v. 23.08.2011, Az.: IX R 66/10
Versteuerung der Wertsteigerung eines zeitweise im Betriebsvermögen gehaltenen Grundstücks bei Anschaffung dessen im Privatvermögen und Veräußerung daraus
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 23.08.2011
Referenz: JurionRS 2011, 27698
Aktenzeichen: IX R 66/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Niedersachsen - 26.10.2010 - AZ: 12 K 266/09

Rechtsgrundlage:

§ 23 EStG

Fundstellen:

BFHE 234, 335 - 339

BB 2011, 3057-3058

BFH/NV 2012, 94-95

BFH/PR 2012, 38

BStBl II 2013, 1002-1004

DB 2011, 2577-2578

DStR 2011, 2191-2193

DStRE 2011, 1490

DStZ 2011, 881

DWW 2012, 118

EStB 2011, 431-432

FR 2012, 279

FR 2012, 179-180

GStB 2012, 6

HFR 2012, 33-35

ImmoStR 2012, 30-31

KÖSDI 2011, 17691

KSR direkt 2012, 2

NJW 2012, 1104

NJW-RR 2012, 349-351

NWB 2011, 3914

NWB direkt 2011, 1220

NZM 2012, 40-41

StB 2011, 417

StBp 2012, 26-27

StBW 2011, 1131

StC 2012, 7

StuB 2011, 923

StX 2011, 724-725

WPg 2011, 1207-1208

ZAP 2012, 319

ZAP EN-Nr. 193/2012

ZfIR 2011, 897

BFH, 23.08.2011 - IX R 66/10

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1.

    Wer ein Grundstück innerhalb des maßgebenden Veräußerungszeitraums im Privatvermögen anschafft und aus dem Privatvermögen wieder veräußert, muss die Wertsteigerungen im Privatvermögen seit der Anschaffung versteuern, auch wenn er das Grundstück zeitweise im Betriebsvermögen gehalten hat.

  2. 2.

    Der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft ist in diesem Fall um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn (als Unterschied zwischen Einlage- und Entnahmewert) zu korrigieren.

Gründe

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.

2

Der Kläger erwarb im Mai 1997 ein Hausgrundstück.

3

Im März 2000 übertrug er es unentgeltlich auf die Klägerin.

4

Das Gebäude verfügte über ein Erdgeschoss (50,52 %), welches selbst genutzt wurde, und ein Obergeschoss (49,48 %), welches die Klägerin zum 1. Mai 2003 in ihr Betriebsvermögen einlegte.

5

Zum 30. November 2004 entnahm die Klägerin das genannte Obergeschoss wieder ihrem Betriebsvermögen und überführte es in ihr Privatvermögen.

6

Mit Vertrag vom November 2006 wurde das --zwischenzeitlich in Wohnungseigentum umgewandelte-- Obergeschoss veräußert.

7

In der Steuererklärung für das Streitjahr (2006) erklärten die Kläger einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 3.605 €. Dagegen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr einen Gewinn von 112.205 €, den er wie folgt ermittelte:

- Veräußerungspreis
- abzüglich Anschaffungskosten und weiterer Herstellungskosten
- zuzüglich Absetzung für Abnutzung
- zuzüglich Teilwert der Einlage
- abzüglich Teilwert der Entnahme
Gewinn.
8

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

9

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 636 veröffentlichten Urteil ab.

10

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§ 23 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) rügen. Wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes die Entnahme aus einem Betriebsvermögen ein Anschaffungsvorgang sei, dann müsse es sich zwangsläufig auch um eine Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG handeln, so dass zwei zu besteuernde Veräußerungen vorlägen, einmal gemäß § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG die fiktive Veräußerung (in 2004) und einmal gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG die tatsächliche Veräußerung (in 2006). Im Jahr 2004 hätte sich eine Versteuerung gemäß § 23 EStG ergeben müssen, mit der Folge entsprechend höherer Anschaffungskosten im Privatvermögen ab 2004.

11

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 2006 auf 0 € herabzusetzen.

12

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

13

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Gewinn der Klägerin gemäß § 23 Abs. 1, 3 EStG zutreffend bestimmt, insbesondere zu Recht die Einlage des streitbefangenen Obergeschosses in das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Mai 2003 sowie seine Entnahme zum 30. November 2004 nicht als Veräußerung beurteilt.

14

1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG) i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (in der für das Streitjahr --2006-- geltenden Fassung) sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Unter Anschaffung oder Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zu verstehen.

15

Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ausführlich Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384; vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248).

16

2. Im Streitfall besteht das gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäft --nach der Anschaffung im Mai 1997-- in der Veräußerung im November 2006, d.h. innerhalb von zehn Jahren. Die zwischenzeitliche Aufteilung in Wohnungseigentum ändert nichts an der Nämlichkeit, d.h. der wirtschaftlichen Identität (vgl. BFH-Urteile vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135; vom 19. Juli 1983 VIII R 161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26) von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.

17

a) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut stellt eine Einlage in das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers und so auch die Einlage in das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Mai 2003 mangels Rechtsträgerwechsels keine Veräußerung dar (so auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383; Risthaus, Der Betrieb --DB-- 2000, Beilage Nr. 13, Anm. zu Tz. 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383; Seitz, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2001, 277, 283).

18

Aus § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG ergibt sich nichts anderes, wenn --wie im Streitfall-- der Einlage keine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen folgt. Die Einlage in ein Betriebsvermögen wird nur für den Fall der Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gleichgestellt, dass ohne die Veräußerungsfiktion --nach der Einlage zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG)-- eine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen zu einer Versteuerung der im Betriebsvermögen entstandenen Wertsteigerungen führt. Folge der Veräußerungsfiktion ist, dass nicht nur die im betrieblichen Bereich entstandenen stillen Reserven, sondern entsprechend dem gesetzlichen Zweck auch die vorher im Zeitraum zwischen Anschaffung und Einlage entstandenen Wertveränderungen (insoweit über § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erfasst werden.

19

b) Auch die Entnahme aus dem Betriebsvermögen zum 30. November 2004 ist mangels Rechtsträgerwechsels keine Veräußerung (vgl. Tz. 5 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383; Risthaus, DB 2000, Beilage Nr. 13, Anm. zu Tz. 5 und 35 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383).

20

Zwar gilt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG als Anschaffung auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme. Diese Fiktion einer Anschaffung entfaltet im Streitfall aber keine Wirkung. Denn die ursprüngliche tatsächliche Anschaffung des Jahres 1997 wirkt fort, da --wie dargelegt-- die Voraussetzungen der Veräußerungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG nicht erfüllt sind. Entsprechend sind die ursprünglichen Anschaffungskosten zugrunde zu legen und der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft ist um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn zu korrigieren (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383 Tz. 35 Satz 2; Risthaus, DB 2000, Beilage Nr. 13, Anm. zu Tz. 35 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 23 EStG Rz 247). Allein diese --wortlautkonforme-- Auslegung stellt sicher, dass --wie es die Zwecksetzung von § 23 Abs. 1 EStG verlangt-- alle zwischen Anschaffung und Veräußerung im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven erfasst werden. Demgegenüber sind Gründe dafür, weshalb die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG die frühere Anschaffung verdrängen sollte, nicht ersichtlich. Im Gegenteil ergibt sich gerade aus der Regelung der Veräußerungsfiktion in § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG die Intention des Gesetzes, alle Wertveränderungen im Zeitraum zwischen tatsächlicher Anschaffung und tatsächlicher Veräußerung zu erfassen, gleichviel, ob das Wirtschaftsgut zeitweise im Betriebsvermögen gehalten worden ist. Deshalb sind die Gesetzesformulierungen in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG nicht lückenhaft, sondern ergeben eine dem Gesetzeszweck entsprechende folgerichtige Besteuerung (a.A. Hartmann/Meyer, Die steuerliche Betriebsprüfung 2000, 214 (218); Seitz, DStR 2001, 277, 284; Glenk in: Blümich, § 23 EStG Rz 140; Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 67).

21

Auch die Gesetzesmaterialien lassen nicht erkennen, dass die Anschaffungsfiktion durch Entnahme aus dem Betriebsvermögen die ursprüngliche tatsächliche Anschaffung zurücktreten lässt und so die Wertveränderungen zwischen Anschaffung und Einlage des Wirtschaftsguts der Besteuerung entziehen soll. Im Gegenteil: Dem Charakter der Vorschrift als Missbrauchsvermeidungsvorschrift für zu niedrige Entnahmewerte (BTDrucks 14/23, 179) entspricht es gerade, dass § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG ergänzend zu dem eigentlichen Besteuerungstatbestand in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingreift. Ist die Besteuerung der stillen Reserven durch die Entnahmebesteuerung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sowie die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sichergestellt, bedarf es der ergänzenden Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht. Soll § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG verhindern, dass die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne durch Einlagen in ein Betriebsvermögen unterlaufen wird (BTDrucks 14/2070, S. 19), so wäre es sinnwidrig, die Wertveränderungen zwischen Anschaffung und Einlage nicht zu erfassen.

22

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Ermittlung des streitigen Veräußerungsgewinns durch das FG gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 1, 4 EStG als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits nicht zu beanstanden.

23

Zutreffend hat das FG den Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft auch um die Wertveränderungen korrigiert, die im betrieblichen Bereich erfasst worden sind. Wird für die Zeit der Betriebsvermögenseigenschaft des Objekts ein Gewinn versteuert, weil der Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme den Teilwert der Einlage übersteigt, so gehört dieser Gewinn gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in den Anwendungsbereich des § 23 EStG, weil er nicht auf den Zeitraum entfällt, in dem das Objekt im Privatvermögen war (ebenso: Tz. 35 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383; Risthaus, DB 2000, Beilage Nr. 13, Anm. zu Tz. 35 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1383; Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 91; HHR/Musil, § 23 EStG Rz 247).

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