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Vorkaufsrecht

 Normen 

§§ 463 - 473 BGB

§ 1094 BGB

§§ 24 ff. BauGB

§ 2034 BGB

§ 577 BGB

 Information 

1. Allgemein

Ein Vorkaufsrecht ist die einer Person zustehende Befugnis, einen Kaufgegenstand von dem Verkäufer (Vorkaufsverpflichteter) zu erwerben, wenn der Verkäufer den Gegenstand an einen anderen Käufer verkauft.

Gemäß der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen bestehen drei Formen von Vorkaufsrechten:

  • Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht (§§ 463 - 473 BGB)

  • Das dinglich gesicherte Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff. BGB)

    Hinweis:

    Bei einer Teilung des Grundstücks bleibt das Vorkaufsrecht an allen Teilen des Grundstücks bestehen (OLG Celle 03.03.2010 - 4 W 44/10).

  • Die aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs bestehenden Vorkaufsrechte:

    • das Vorkaufsrecht der Gemeinden gemäß §§ 24 ff. BauGB

    • das Vorkaufsrecht der Mieter gemäß § 577 BGB

    • das Vorkaufsrecht der Miterben gemäß § 2034 BGB

    • die für die Bundesländer bestehenden Vorkaufsrechte:

      • die Vorkaufsrechte der Bundesländer bei Baudenkmälern (Landesdenkmalgesetze)

      • das Vorkaufsrecht der Bundesländer zum Zecke des Naturschutzes (§ 66 BNatSchG)

      • die Vorkaufsrechte der Bundesländern bei Waldgrundstücken (z.B. § 17 ThürWaldG)

2. Form

Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts erforderliche Einigung muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden (BGH 08.04.2016 - V ZR 73/15).

3. Durchführung des Vorkaufsfalls

Mit der Erklärung der Ausübung des Vorkaufsrechts entsteht zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis. Für den Vorkaufsberechtigten bedeutet dies, dass er bei einer Pflichtverletzung des zur Anteilsübertragung Verpflichteten einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann.

Der Vorkaufsberechtigte muss den zwischen den Beteiligten vereinbarten Kaufpreis zahlen.

Aber: Nach der Rechtsprechung des BGH gehören Bestimmungen in Kaufverträgen über die Verteilung der Maklerkosten, die sich nicht im üblichen Rahmen halten, wesensgemäß nicht zum Kaufvertrag und verpflichten daher den Vorkaufsberechtigten nicht. Auch lässt sich die Höhe der Maklerprovision nicht damit rechtfertigen, dass der Makler zusätzliche Leistungen erbracht hat, die über die übliche Tätigkeit eines Maklers hinausgingen. Ist die Zahlung einer unüblich hohen Maklerprovision im Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer vereinbart und ist der Vorkaufsberechtigte im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts deshalb nicht verpflichtet, die Maklerprovision in der vereinbarten Höhe zu erstatten, besteht für den Vorkaufsberechtigten auch keine Verpflichtung, eine auf die übliche Höhe reduzierte Maklerprovision zu zahlen (BGH 12.05.2016 - I ZR 5/15).

4. Die Vorkaufsrechte im Einzelnen

4.1 Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht

Rechtsgrundlage des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts sind die §§ 463 bis 473 BGB.

Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht ist durch u.a. folgende Eigenschaften gekennzeichnet:

  • Es kann für alle verkaufsfähigen Gegenstände bestellt werden.

  • Es verpflichtet nur den Besteller des Vorkaufsrechts.

  • Berechtigt ist nur der Inhaber des schuldrechtlichen Anspruchs.

  • Eine dingliche Sicherung ist nur bei Grundstücken und nur durch eine Vormerkung möglich.

  • Eine Kaufpreisbegrenzung ist möglich.

  • Das Vorkaufsrecht ist in der Insolvenz wirkungslos.

  • Es kann nur für einen Verkaufsfall bestellt werden.

4.2 Das dingliche Vorkaufsrecht

4.2.1 Eigenschaften

Das dingliche Vorkaufsrecht ist durch u.a. folgende Eigenschaften gekennzeichnet:

  • Es kann nur für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte bestellt werden.

  • Verpflichtet wird der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts.

  • Berechtigt ist nur eine konkrete Person (subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht) oder der jeweilige konkrete Eigentümer (subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht) eines anderen Grundstücks (auch Wohnungseigentum) oder grundstücksgleichen Rechts.

  • Die dingliche Sicherung erfolgt durch Eintragung im Grundbuch.

  • Das Vorkaufsrecht wirkt auch in der Insolvenz.

  • Eine Kaufpreisbegrenzung ist nicht möglich.

  • Es kann für mehrere Verkaufsfälle bestellt werden.

4.2.2 Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlagen des sachenrechtlichen / dinglichen Vorkaufrechts sind die §§ 1094 ff. BGB, ergänzend sind gemäß § 1098 Abs. 1 BGB die für das schuldrechtliche Vorkaufsrecht geltenden §§ 463 bis 473 BGB anwendbar.

4.2.3 Erlöschen

Das Vorkaufsrecht erlischt bei Vorliegen eines Verkaufsfalls mit der Ausübung bzw. der Nichtausübung durch den Berechtigten. Etwas anderes gilt, wenn das Verkaufsrecht für mehrere Verkaufsfälle bestellt wurde:

4.2.4 Vorkaufsrecht für mehrere Vorkaufsfälle

Das Verkaufsrecht kann durch eine ausdrückliche Vereinbarung für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden (§ 1097 BGB).

Hierbei muss die Ausdehnung auf mehrere Verkaufsfälle im Grundbuch eingetragen werden, wobei die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genügt (OLG Hamm 11.06.2012 - I-22 U 25/12).

Erstreckt sich das Vorkaufsrecht auf mehrere Grundstücke und stehen diese zum Verkauf an, so kann der Berechtigte die Ausübung des Vorkaufsrechts auf eines bzw. einige der Grundstücke beschränken (BGH 23.06.2006 - V ZR 17/06).

4.2.5 Ausrichtung des Vorkaufsrechts auf den Erwerb eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an dem Grundstück

Es ist möglich, ein dingliches Vorkaufsrecht auf den Erwerb eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an dem belasteten Grundstück zu beschränken. Voraussetzung ist auch in dieser Fallgestaltung, dass eine entsprechende Verpflichtung besteht und dass der zu verschaffende Miteigentumsanteils hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist. Dabei können an einem Grundstück auch mehrere auf den Erwerb von Miteigentumsanteilen an dem belasteten Grundstück gerichtete subjektiv-dingliche Vorkaufsrechte im gleichen Rang begründet werden (BGH 11.07.2014 - V ZR 18/13).

4.2.6 Einbringung des Grundstücks in eine Gesellschaft als Vorkaufsfall

Eine das Vorkaufsrecht auslösende kaufähnliche Vertragsgestaltung kann nach der Entscheidung BGH 27.01.2012 - V ZR 272/10 auch dann gegeben sein, "wenn der Verpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft einbringt und anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten überträgt (...). Maßgeblich ist auch hier, ob ein interessengerechtes Verständnis der gewählten Vertragsgestaltung zu dem Ergebnis führt, dass allen formellen Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließenden auf eine Eigentumsübertragung (auch) der vorkaufsbelasteten Sache gegen Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet war (...); mehrere Verträge sind dabei in ihrem Zusammenhang zu betrachten."

4.3 Das Vorkaufsrecht der Gemeinden

Siehe den Beitrag "Vorkaufsrecht der Gemeinde".

4.4 Das Vorkaufsrecht der Länder

Siehe den Beitrag "Vorkaufsrecht der Länder".

4.5 Das Vorkaufsrecht des Mieters

Siehe den Beitrag "Vorkaufsrecht des Mieters".

4.6 Das Vorkaufsrecht der Miterben

Siehe den Beitrag "Vorkaufsrecht der Miterben".

5. Abgrenzung schuldrechtliches / dingliches Vorkaufsrecht

Einer Vereinbarung, ein dingliches Vorkaufsrecht zu bestellen, kann nicht ohne Weiteres eine Abrede über eine gleichartige schuldrechtliche Verpflichtung entnommen werden:

Das dingliche Vorkaufsrecht ist ein eigenständiges Sachenrecht, das ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht nicht voraussetzt. Die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts beruht (wie bei anderen dinglichen Rechten) auf der Vereinbarung über dessen Bestellung. Diese hat einen anderen Inhalt als die schuldrechtliche Verpflichtung über die Gewährung des Rechts zum Vorkauf. Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht kann zwar neben einem dinglichen Vorkaufsrecht begründet werden, was aber einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien bedarf (BGH 22.11.2013 - V ZR 161/12).

6. Berechnung des Schadensersatzes bei Nichtübertragung

Es kommt für die Schadensberechnung nicht auf den Wert an, den das Vorkaufsrecht gehabt hat. Der Schaden ist vielmehr in der Weise zu berechnen, dass die (hypothetische) Vermögenslage bei einer wirksamen Übertragung des Vorkaufsrechts und dessen Ausübung mit der Vermögenslage zu vergleichen ist, in welcher der Geschädigte sich zur Zeit des Schadensersatzanspruchs befindet (BGH 19.04.2013 - V ZR 113/12).

7. Auswirkungen einer Vertragsaufhebung

Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags. Ein Kaufvertrag ist erst dann wirksam zustande gekommen, wenn die für den Vertrag erforderlichen Genehmigungen erteilt sind.

Bis zu diesem Zeitpunkt können die Kaufvertragsparteien den Kaufvertrag wieder aufheben, mit der Folge, dass auch das Vorkaufsrecht entfällt.

Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts aber erst einmal vor, ändert eine Aufhebung des Kaufvertrages nichts an dem Bestehen des Vorkaufsrechts (BGH 01.10.2010 - V ZR 173/09).

 Siehe auch 

Probe - Kauf auf

Wiederkauf

BGH 01.10.2010 - V ZR 173/09 (Ausübung des Vorkaufsrechts bei Rücktritt des Verkäufers von dem Vertrag)

BGH 17.12.2008 - VIII ZR 13/08 (Vorkaufsrecht des Mieters bei unter Zwangsverwaltung stehendem Objekt)

BGH 15.06.2005 - VIII ZR 271/04 (Nichtigkeit eines das Vorkaufsrecht beeinträchtigenden Vertrages)

BGH 25.04.2005 - 224/03 (Ersteigerung des das Gesellschaftsvermögen bildenden Grundstücks durch einen Gesellschafter)

BGH 12.11.2004 - V ZR 322/03 (Voraussetzungen der Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts)

BGH 13.06.1990 - IV ZR 87/89

BGH 20.05.1983 - V ZR 291/81

Amann: Das dingliche Vorkaufsrecht an Grundstücken: eine Belastung ohne Ende?; Zeitschrift für die notarielle Beratungs-und Beurkundungspraxis - NotBZ 2010, 201

Lemke: Immobilienrecht; 2. Auflage 2014

Postel: Das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht; Natur und Recht - NuR 2006, 555

Schreiber: Vorkaufsrechte; Jura 2001, 196

Wais: Form und Vorkaufsrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2017, 1569

Watoro: Das Vorkaufsrecht nach § 17 ThürWaldG; Zeitschrift für die notarielle Beratungs-und Beurkundungspraxis - NotBZ 2007, 393