Rechtswörterbuch

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Versicherungsfall - Beweis

 Normen 

§ 12 AKB

 Information 

1. Einführung

Grundsätzlich ist der Eintritt des Versicherungsfalls nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen vom Versicherungsnehmer zu beweisen.

2. Beweiserleichterung bei Diebstahl

Die Rechtsprechung hat jedoch in den Fällen, in denen der Vollbeweis des Versicherungsfalls nur sehr schwierig geführt werden kann, dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zugebilligt.

Die Beweiserleichterungen sind insbesondere auf Diebstahl-Versicherungsfälle anzuwenden. Danach ist der Versicherungsnehmer nur verpflichtet, einen Sachverhalt darzulegen, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das äußere Bild eines Versicherungsfalls schließen lässt.

Die Beweiserleichterungen können nicht auf den Rückforderungsprozess des Versicherers übertragen werden.

3. Beweiserleichterung bei vorsätzlicher Herbeiführung

Daneben wird bei bestimmten Sachverhalten die vorsätzliche Herbeiführung eines Verkehrsunfalls von den Versicherungsgesellschaften vermutet. Insbesondere folgende Tatsachen begründen den Verdacht auf die vorsätzliche Herbeiführung und den Versuch eines Versicherungsbetrugs:

  • Bei dem Schädiger-Fahrzeug handelt es sich um ein altes, schrottreifes Fahrzeug oder einen Mietwagen.

  • Der Unfall hat sich an einem abgelegenen Ort und/oder während der Nachtzeit/späten Abendzeit ereignet.

  • Der Geschädigte fährt ein über seinen finanziellen Verhältnissen liegenden Fahrzeug-Typ.

  • Vorschäden des Fahrzeugs wurden verschwiegen.

  • Es soll eine fiktive Abrechnung der Schäden erfolgen.

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der Versicherer die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls ohne Beweiserleichterungen grundsätzlich voll zu beweisen hat (BGH 13.04.2005 - IV ZR 62/04). Nur wenn der Gegner den Beweis vereitelt oder erschwert, kommen insoweit Beweiserleichterungen bzw. eine Umkehr der Beweislast infrage.

Der BGH hat mit dem Urteil BGH 01.10.2019 - VI ZR 164/18 den Beweismaßstab für die tatrichterliche Überzeugungsbildung beim Verdacht eines manipulierten Verkehrsunfalls mit der Bestätigung eines BGH-Urteils aus dem Jahr 1977 festgelegt:

"Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln hat der Kläger im Haftpflichtprozess grundsätzlich das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale und damit insbesondere auch des äußeren Tatbestands der Rechtsgutverletzung zu beweisen. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, das die volle Überzeugung des Tatgerichts erfordert. Dagegen ist die Einwendung des Beklagten, der Kläger sei mit dieser Verletzung seines Rechtsguts einverstanden gewesen, vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer darzutun und - ebenfalls nach § 286 ZPO - zu beweisen."

4. Fälle aus der Rechtsprechung

Zum Beweis des Versicherungsfalls in der Kfz-Kaskoversicherung sind u.a. folgende Entscheidungen ergangen:

  • Allein wegen des Fehlens von Originalschlüsseln eines Fahrzeugs kann nicht auf das Vortäuschen eines Diebstahls geschlossen werden. Erst wenn weitere Verdachtsumstände hinzukommen, kann dies für die Frage bedeutsam sein, ob ein Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht wurde (BGH 17.05.1995 - IV ZR 279/94).

  • In der Entscheidung OLG Hamm 11.03.2005 - 20 U 226/04 wurde die Leistungsfreiheit des Versicherers abgelehnt, da der Versicherer nicht nachweisen konnte, dass das (evtl. grob fahrlässige) Verhalten der Klägerin kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles geworden war. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug ohne Mitnahme der im Kofferraum versteckten Fahrzeugpapiere und der (Ersatz)Schlüssel (!) auf einem Parkplatz in Tschechien abgestellt. Das Fahrzeug war kurz darauf gestohlen worden.

    Nach den Ausführungen der Richter ermöglicht oder veranlasst das Zurücklassen von Fahrzeugpapieren im Wagen den Versicherungsfall jedenfalls dann nicht, wenn der Täter sie vor seinem Diebstahlsentschluss nicht im Wagen hat sehen können - dann fehlt es an der Kausalität (BGH 06.03.1996 - IV ZR 383/94). Dass die Diebe vorliegend die Fahrzeugunterlagen im Kofferraum gesehen haben, bevor sie sich für die Entwendung des Fahrzeugs entschieden, war nicht ersichtlich. Das Zurücklassen von Fahrzeugschlüsseln im Auto ist für den Versicherungsfall dann kausal, wenn unstreitig oder vom Versicherer bewiesen ist, dass hierdurch die Entwendung erst ermöglicht oder zumindest gefördert worden ist. Voraussetzung ist regelmäßig die Verwendung der Schlüssel durch den Dieb.

 Siehe auch 

Beweis - allgemein

Beweishilfen

Beweislast im Zivilprozess

Dashcam

Versicherungsvertrag

Versicherungsvertrag - Grobe Fahrlässigkeit

Versicherungsvertrag - Prozess

BGH 15.09.2010 - IV ZR 107/09 (Rechtsschutzdeckung bei Vorwurf des Versicherungsbetrugs gegen den Fahrer durch den Haftpflichtversicherer derselben Versicherungsgesellschaft)

BGH 04.11.1998 - IV ZR 302/97 (Beweis des äußeren Bildes eines KfZ-Diebstahls)

OLG Schleswig 04.03.2010 - 16 U 44/09 (keine grob fahrlässige Herbeiführung durch Nichtabschließen der Nebeneingangstür)

Balzer/Nugel: Observierungen und Datenschutz - Rechtliche Grenzen und Verwertbarkeit von Ermittlungsergebnissen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 3397

Baumgärtner/Küppersbusch: Der Sachverständige im Versicherungsfall - Ein wesentlicher Beitrag zur Betrugsbekämpfung; Der Sachverständige - DS 2005, 257

Diezel: Kfz-Diebstahl - gerichtlicher Irrtum über eine Spurenlage; StrafRechtsReport - StRR 2011, 54

Franzke/Nugel: Unfallmanipulationen im Kraftfahrtbereich; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 2071

Halm/Engelbrecht/Krahe: Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht; 6. Auflage 2018

Heese: Der Versicherungsfall und seine Vortäuschung im deutschen und U.S.-amerikanischen Beweisrecht; Zeitschrift für Zivilprozess - ZZP 2010, 49

Meschkat/Nauert: VVG-Quoten. Leistungskürzung in der Sach- und Kaskoversicherung sowie KH-Regress; 1. Auflage 2008

Römer: Der Kraftfahrzeugdiebstahl als Versicherungsfall: Voraussetzungen und Beweis eines Anspruchs aus der Kaskoversicherung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 1996, 2329

Spielmann: Der Versicherungsfall Einbruchdiebstahl; Versicherungsrecht - VersR 2004, 964