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Verkehrsunfall - Wild

 Normen 

§§ 82 ff. VVG

§ 12 AKB

 Information 

1. Allgemein

Bei der Frage der Verpflichtung der Kraftfahrtversicherung zur Übernahme von Kosten eines durch Wild verursachten Verkehrsunfalls sind zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Es ist zu einem Zusammenstoß mit dem Wild gekommen.

  • Der Fahrer hat versucht, dem Wild auszuweichen und es ist dadurch zu einem Verkehrsunfall gekommen. Dies wird im Versicherungsrecht als Ersatz sogenannter Rettungskosten bezeichnet.

2. Zusammenstoß mit dem Wild

In der Kaskoversicherung werden Schäden durch den Zusammenstoß mit Haarwild ersetzt. Die Zuordnung der jeweiligen Wildart zum Haarwild richtet sich dabei nach der Aufzählung in § 2 BJagdG.

Rechtsgrundlage ist § 12 der Allgemeinen Kraftfahrzeugbedingungen (AKB).

Dies bedeutet in der Praxis, dass Schäden aus Wildunfällen mit Federwild, d.h. (Tauben, Fasanen, Wildenten, Wildgänse etc.) nicht ersetzt werden.

Dem Versicherungsschutz unterliegen die durch den Zusammenstoß kausal verursachten Schäden.

3. Rettungskosten

Bei den Rettungskosten wird ein strengerer Maßstab an das Verhalten des Versicherungsnehmers gestellt: Danach sind die durch das Ausweichen entstandenen Kosten nur dann versichert, wenn die Rettungshandlung zur Abwendung des drohenden Schadens objektiv geboten war bzw. der Fahrzeugführer die Rettungshandlung objektiv für geboten halten durfte.

Bei der Beurteilung der objektiven Gebotenheit der Handlung ist grundsätzlich auf die Person des Fahrzeugführers abzustellen. Es ist nicht notwendig, dass dieser gleichzeitig ein sogenannter Repräsentant der Versicherung ist.

Ersetzt werden gemäß §§ 82 ff. VVG nur Kosten, die notwendig waren, um das versicherte Interesse (Fahrzeug oder Insassen) zu schützen. Kosten zur Rettung des Lebens des Wildtieres sind in keinem Fall ersatzfähig. Die Schäden sind gemäß §§ 82 ff. VVG auch dann zu ersetzen, wenn das geschützte Interesse trotzdem beschädigt wurde, der Rettungsversuch daher erfolglos blieb.

Voraussetzung des Schadensersatzes sind:

  • Der Zusammenstoß mit dem Tier stand unmittelbar bevor.

  • Das geschützte Interesse wäre ohne das Ausweichen mit unmittelbarer Wahrscheinlichkeit verletzt worden.

  • Das Ausweichen war objektiv geeignet, den Schaden abzuwehren und der Fahrer durfte diese Handlung nach den Umständen für erforderlich halten.

    Beispiel:

    "Hat ein Motorradfahrer beim Einfahren in eine Rechtskurve aus geringer Entfernung Rehe wahrgenommen, die sich in unmittelbarer Nähe des rechten Straßenrandes hinter einem Busch befinden, und gerät er beim anschließenden Versuch, nach links auszuweichen, von der Straße ab, kann eine objektiv gebotene Rettungshandlung vorliegen und der Teilkaskoversicherer gehalten sein, dadurch entstandene Schäden am Fahrzeug und an der Kleidung des Fahrers als Aufwendungen zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles zu ersetzen" (OLG Saarbrücken 23.11.2022 - 5 U 120/21).

Dies bedeutet in der Praxis, dass die Rettungskosten bei dem Ausweichen für kleinere Tiere, bei denen bei einem Zusammenprall keine Schäden am Fahrzeug zu befürchten sind, nicht ersetzt werden. Als kleinere Tiere gelten z.B. Kaninchen, Hasen, Dachse, Waschbären, Marderhunde oder Füchse.

Dies wurde für den Fall des Fuchses in einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2003 (BGH 25.06.2003 - IV ZR 276/02) bestätigt. Jedoch ist nach der Entscheidung BGH 11.07.2007 - XII ZR 197/05 das reflexartige Ausweichen des Beklagten als Reaktion auf das plötzliche Auftauchen eines Fuchses kein grob fahrlässiges Fehlverhalten.

4. Beweislast

Die Beweislast für den Eintritt eines Wildunfalls obliegt dem Versicherungsnehmer. Nach einem Urteil des OLG Hamm vom 05.05.2004 - 20 U 29/04 greifen bei dem Nachweis eines Wildunfalls Beweiserleichterungen, wie sie z.B. bei dem Versicherungsfall Entwendung entwickelt wurden, für Wildunfälle nicht ein.

Zwar können auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises bei Vorliegen der Voraussetzungen anwendbar sein, aber allgemeine Erfahrungssätze gibt es nicht.

Ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich (jedenfalls) ein unter die Fahrzeugvollversicherung fallender Unfall ereignet hat, und stellt der Versicherer in Abrede, dass ein Wildunfall vorliegt, so kann der Versicherer nach allgemeinen Grundsätzen wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur dann leistungsfrei werden, wenn er - ebenfalls mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO - beweist, dass sich ein Wildunfall nicht ereignet hat.

Sofern weder der Versicherungsnehmer einen Zusammenstoß mit dem Wild beweisen kann noch die Versicherung das Nichtvorliegen eines Wildunfalls, geht dieses non liquet in Bezug auf die Fahrzeugteilversicherung zulasten des Versicherungsnehmers, sodass ihm ein solcher Anspruch nicht zusteht. In der Fahrzeugvollversicherung geht das non liquet zulasten der Versicherung, sodass sie nicht leistungsfrei geworden ist und dem Versicherungsnehmer der geltend gemachte Anspruch - weil sich ein in der Fahrzeugvollversicherung versicherter Unfall unstreitig ereignet hat - dem Grunde nach zusteht (OLG Hamm 20.02.2008 - 20 U 134/07).

 Siehe auch 

Dashcam

Fahrzeugführer - Haftung

Fahrzeughalter - Haftung

Verkehrsunfall - Allgemein

Halm/Engelbrecht/Krahe: Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht; 6. Auflage 2018

Hufnagel: Verkehrsunfälle mit Wildschaden; Deutsches Autorecht - DAR 2009, 109

Lauven: Rechtliche Aspekte bei einem Verkehrsunfall für Wild; Agrarrecht - AgrarR 2002, 346

Schröder: Der Wildunfall und seine Kosten; Praxis Verkehrsrecht - PVR 2001, 296