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Verbrauchsgüterkaufvertrag

 Normen 

§§ 474 - 479 BGB

RL 2019/771

RL 2019/770

 Information 

1. Allgemein

Der Verbrauchsgüterkaufvertrag ist eine Sonderform des Kaufvertrages bzw. des Verbrauchervertrages.

Es ist zwischen einem Verbrauchsgüterkaufvertrag und sonstigen Kaufverträgen zu unterscheiden: Ein Verbrauchsgüterkaufvertrag liegt gemäß §§ 474 BGB vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Eine Sonderform des Verbrauchsgüterkaufs ist der Verbrauchsgüterkauf über Waren mit digitalen Elementen, siehe insofern die gesonderten Ausführungen in diesem Beitrag.

Als Verkäufer ist auch eine Person zu sehen, die als Vermittler gegen Rechnung für eine Privatperson handelt (EuGH 09.11.2016 - C 149/15).

Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs ist u.a., dass die gesetzlichen Regelungen des Kaufvertragsrechts nicht bzw. nur eingeschränkt abgeändert werden können.

2. Anwendungsbereich

Nach der Erweiterung des Verbrauchsgüterkaufvertrags in § 474 Abs. 1 S. 2 BGB handelt es sich bei einem Verbrauchsgüterkauf auch um einen Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat. Gemeint sind insbesondere Fälle, in denen der Unternehmer die Dienstleistung als Nebenleistung zu seiner Hauptpflicht erbringt, dem Verbraucher die gekaufte Ware zu übereignen und zu übergeben.

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12637) können die Parteien z.B. vereinbaren, dass der Unternehmer die verkaufte Ware beim Verbraucher montiert, installiert, sie anpasst oder sonstige Handreichungen vornimmt. Da der Dienstleistung des Unternehmers in solchen Fällen keine eigenständige, gleichrangige Bedeutung zukommt, ist es sachgerecht, den Vertrag insgesamt einheitlich als Verbrauchsgüterkauf einzuordnen und damit den Regelungen des Kaufrechts zu unterwerfen. Mit Blick auf die Funktion des Begriffs des umfasst dieser Begriff jedoch auch Fälle, in denen die Dienstleistung im Verhältnis zur Übereignung der Ware nicht nur untergeordnete Bedeutung hat.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkaufvertrag sind gemäß § 474 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, wenn es sich um den Verkauf gebrauchter Sachen in einer öffentlichen Versteigerung handelt. Die Ausnahme von der Anwendbarkeit der Verbrauchsgüterkaufvorschriften ist nur dann hinnehmbar, wenn der Versteigerer aufgrund seiner Person eine gesteigerte Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung der Versteigerung einschließlich einer zutreffenden Beschreibung der angebotenen Gegenstände bietet. Das ist jedoch bei einem öffentlich bestellten Versteigerer der Fall. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass der Versteigerer selbst Veranstalter der Auktion ist (BGH 24.02.2010 VII ZR 71/09).

3. Verbrauchsgüterkaufvertrag bei Waren mit digitalen Elementen

Zum 01.01.2022 wurde als neue Vertragsform der Verbrauchervertrag über digitale Produkte eingeführt.

Die §§ 475b bis 475e BGB sind zum 01.01.2022 in das BGB eingefügt:

Die §§ 475b und 475c BGB enthalten Sonderbestimmungen für Sachen mit digitalen Elementen, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs erworben werden. § 475b BGB gilt dabei für alle Sachen mit digitalen Elementen. § 475c BGB ist eine Vorschrift für Sachen mit digitalen Elementen, bei denen die digitalen Elemente nach der vertraglichen Vereinbarung nicht einmalig, etwa mit der Lieferung der Sache, sondern dauerhaft über einen Zeitraum bereitgestellt werden. Die §§ 475b und 475c BGB ergänzen § 434 BGB in Bezug auf einen Sachmangel bei Sachen mit digitalen Inhalten, das heißt auf Sachen mit digitalen Inhalten sind sowohl § 434 BGB als auch § 475b BGB anwendbar; auf Sachen mit digitalen Elementen, bei denen die digitalen Elemente dauerhaft über einen Zeitraum bereitgestellt werden, sind § 434 BGB, § 475b BGB und § 475c BGB anwendbar.

§ 475d BGB weicht dabei in Umsetzung der Richtlinie Warenkauf für den Verbrauchsgüterkauf in verschiedener Hinsicht von den allgemeinen Vorschriften für den Rücktritt von einem Kaufvertrag (§§ 323, 440 BGB) ab.

Durch den neuen § 475e BGB werden schließlich Sonderbestimmungen für die Verjährung von Mängelansprüchen beim Kauf von Sachen mit digitalen Elementen eingeführt.

4. Leistungszeit

Falls für die Leistungen keine Zeit bestimmt oder aus den Umständen zu entnehmen ist, kann der Gläubiger einer Leistung nach § 474 Abs. 3 BGB nur verlangen, dass die Leistung "unverzüglich" bewirkt wird. Der Unternehmer hat seine Pflicht zur Übergabe der Ware in diesem Fall spätestens 30 Tage nach Vertragsschluss zu erfüllen. Der Zeitpunkt der Erfüllbarkeit der Leistungen wird in § 475 Abs. 1 BGB geregelt: Die Parteien sollen ihre Leistungen sofort bewirken können. § 271 Abs. 2 BGB, wonach bei einer Zeitbestimmung im Zweifel anzunehmen ist, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann, ist auf Verbrauchsgüterkäufe anwendbar.

Auch der Verbraucher hat seine Pflichten zur Kaufpreiszahlung und Abnahme der Ware nicht sofort, sondern unverzüglich zu erfüllen.

Die Vertragsparteien bewirken ihre Leistungen unverzüglich, wenn sie ihre Pflichten aus dem Vertrag ohne schuldhaftes Zögern erfüllen. Anders als das Merkmal "sofort" in § 271 BGB bemisst sich das Merkmal "unverzüglich" nicht nach einem ausschließlich objektiven Maßstab, sondern danach, in welcher Zeit den Vertragsparteien eine Erfüllung ihrer Pflichten subjektiv zugemutet werden kann.

Eine unverschuldete zeitliche Verzögerung der Leistung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12637) denkbar, wenn der Unternehmer eine Ware verkauft, die er vor der Übereignung und Übergabe an den Verbraucher noch an dessen Sonderwünsche anpassen oder sich selbst von einem Dritten besorgen muss. Bereits objektiv kann sich der Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung in einem solchen Fall um diejenige Zeitspanne verschieben, die der Unternehmer benötigt, um die Ware entsprechend der vertraglichen Vereinbarung mit dem Verbraucher noch nach dessen Wünschen auszugestalten oder die Ware in seinen Besitz zu bringen. Jedenfalls dürfte die zeitliche Verzögerung der Lieferung in einem solchen Fall entschuldigt sein.

Bewirken der Unternehmer oder der Verbraucher ihre Leistungen nicht unverzüglich, ergeben sich die gleichen Rechtsfolgen wie bei einer Nichtleistung trotz Fälligkeit nach § 271 Abs. 1 BGB. Die Vertragsparteien können beispielsweise in Verzug geraten.

5. Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung

Die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung geht gemäß § 474 Abs. 4 BGB nur dann auf den Käufer über, wenn dieser die Beförderung der Ware selbst organisiert, also den oder die möglichen Beförderer ohne Rückgriff auf einen Vorschlag des Unternehmers auswählt - mit anderen Worten: in diesen Fällen ist § 447 Abs. 1 BGB anwendbar.

6. Abänderbarkeit der gesetzlichen Vorschriften

In einem Verbrauchsgüterkaufvertrag sind die in § 476 BGB aufgeführten Rechte weder in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch durch individuelle Vereinbarungen abänderbar, es sei denn, die Vereinbarung wurde nach Mitteilung des Mangels an den Verkäufer getroffen.

7. Umkehr der Beweislast

Zusätzlich kommt es bei Verbraucherkaufverträgen gemäß § 477 BGB zu einer Umkehr der Beweislast während des ersten Jahres der Gewährleistungsfrist.

Hinweis:

Die Frist wurde zum 01.10.2022 von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht. Lediglich bei der Gewährleistung eines Kaufvertrags über Tiere wurde die Sechs-Monats-Frist gemäß § 477 Abs. 1 S. 2 BGB beibehalten.

Tritt während des ersten Jahres der Gewährleistungsfrist ein Mangel der Ware auf, besteht die gesetzliche Vermutung, dass der Mangel schon bei der Übergabe der Kaufsache vorhanden war.

Der BGH (BGH 12.10.2016 - VIII ZR 103/15) urteilt wie folgt:

"§ 477 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Beweislastumkehr zugunsten des Käufers schon dann greift, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten (Anmerkung: ab dem 01.01.2022 ein Jahr) ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt". (...)

"Weiter ist § 477 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Käufer die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahin zugutekommt, dass der binnen sechs Monaten (Anmerkung: ab dem 01.01.2022 ein Jahr) nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat."

Diese Vermutung ist nur dann ausgeschlossen, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

Daneben enthält das Gesetz in § 479 BGB Sonderbestimmungen für Garantieerklärungen gemäß § 443 BGB.

8. Branchenfremde Nebengeschäfte

Ein Verbrauchsgüterkaufvertrag liegt bei dem Verkauf von Waren durch ein Unternehmen an einen Verbraucher im Zweifel auch dann vor, wenn es sich für das Unternehmen um ein branchenfremdes Nebengeschäft handelt (BGH 13.07.2011 - VIII ZR 215/10).

 Siehe auch 

Verbraucher

Verbrauchervertrag

BGH 17.10.2012 - VIII ZR 226/11 (Kosten des Einbaus einer als Ersatz gelieferten Sache)

BGH 18.07.2007 - VIII ZR 259/06 (Beweislastumkehr bei Gebrauchtwagenkauf - Zylinderkopfdichtung)

Andreae: Die aktuelle Rechtsprechung zum Gebrauchtwagenkauf; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007, 3457

Bach: Neue Richtlinien zum Verbrauchsgüterkauf und zu Verbraucherverträgen über digitale Inhalte; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 1705

Klöhn: Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkaufvertrag (§ 476 BGB); Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007, 2811

Koch: Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Beweislastumkehr im Kaufrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 1068

Kohler: Fälligkeit beim Verbrauchsgüterkauf; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 2817

Müller: Die Umgehung des Rechts des Verbrauchsgüterkaufs im Gebrauchtwagenhandel; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2003, 1975

Prütting/Wegen/Weinreich: BGB. Kommentar; 17. Auflage 2022

Schellhammer: Das neue Kaufrecht - Rechtsmängelhaftung, Rechtskauf und Verbrauchsgüterkauf; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2002, 485

Staudenmayer: Kauf von Waren mit digitalen Elementen - Die Richtlinie zum Warenkauf; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 2889

Wendehorst: Das neue Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 577