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Veränderungssperre

 Normen 

§ 19 AEG

§§ 14 ff. BauGB

§ 9a FStrG

§ 4 MBPlG

§ 15 WaStrG

 Information 

1. Allgemein

Die Veränderungssperre ist eine behördliche Anordnung, dass in einem bestimmten Gebiet, in dem von staatlicher Seite ein bestimmtes (Plan-)Vorhaben umgesetzt werden soll, keine bzw. nur bestimmte bauliche Veränderungen vorgenommen werden dürfen.

Die Veränderungssperre ist ein Instrument der Bauleitplanung. Ziel ist es, während des Zeitraums der Aufstellung eines Bebauungsplans o.Ä. den Planungsraum vor der Errichtung von baulichen Anlagen zu sichern, die den Vorgaben des Bebauungsplans entgegenstehen.

Mit der Veränderungssperre sollen insbesondere nach § 30 BauGB oder § 34 BauGB zulässige Vorhaben im Innenbereich verhindert werden.

Nach dem Urteil BVerwG 19.02.2004 - 4 CN 16/03 ist eine Veränderungssperre, die der Gemeinde erst die Zeit für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts geben soll, unwirksam. Erforderlich ist ein Mindestmaß an entwickelter Planung.

Die Verhängung von Veränderungssperren ist nicht nur im BauGB, sondern auch in anderen Gesetzen vorgesehen, in denen bauliche oder anderweitige Planungen geregelt sind.

2. Inhalt

Nach § 14 BauGB hat die Veränderungssperre den Inhalt, dass

  • Bauvorhaben nach § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen,

  • bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen,

  • erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht durchgeführt werden dürfen.

Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden.

3. Form

Die Veränderungssperre wird nach § 16 BauGB als Satzung von der Gemeinde beschlossen. Mit Bekanntmachung tritt sie in Kraft. Die Reichweite der Sperrwirkung ergibt sich aus der Regelung in der Veränderungssperre selbst. Vorhaben, die gleichwohl durchgeführt werden, sind materiell rechtswidrig.

4. Ausgeschlossene Bereiche

Von der Veränderungssperre werden gemäß § 14 Abs. 3 BauGB nicht erfasst:

  • Bauvorhaben, die vor Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind. Die Genehmigung (Baugenehmigung, Vorbescheid) versieht das Vorhaben mit einer Art "Bestandsschutz".

  • Bauvorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen.

  • Genehmigungsfreie Bauvorhaben, von denen die Gemeinde Kenntnis erlangt hat und mit denen vor dem Erlass der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen.

  • Unterhaltungsarbeiten.

  • Die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung.

5. Gültigkeitsdauer

Für die Geltungsdauer einer Veränderungssperre bestehen folgende Fristen:

Allgemein gilt:

  1. a)

    Der Erlass der Veränderungssperre gilt zunächst für maximal zwei Jahre gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Die Frist beginnt in der Regel mit dem Zeitpunkt der ortsüblichen Bekanntmachung. Auf die Zweijahresfrist ist ggf. der Zeitraum anzurechnen, der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuches gemäß § 15 Abs. 1 BauGB abgelaufen ist. Mit dem Ablauf der Zwei-Jahres-Frist tritt die Veränderungssperre außer Kraft.

  2. b)

    Durch Satzung kann die Veränderungssperre um ein Jahr verlängert werden.

  3. c)

    Nach Ablauf der drei Jahre ist eine zweite Verlängerung um ein Jahr nur wegen besonderer Umstände zulässig. Als besondere Umstände gelten u. a.: Ungewöhnliche Sachlage im Planverfahren, die sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt und ursächlich für eine zeitliche Verzögerung ist, z.B.:

    • schwerwiegende Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen

    • personelle Auswirkungen einer kommunalen Gebietsreform

    • Besonderheiten des Umfangs, des Schwierigkeitsgrades oder des Verfahrensablaufs

    Die Verlängerung bedarf der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde (reine Rechtsaufsicht).

Davon zu unterscheiden sind:

  • Der Erlass einer erneuten Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 3 BauGB: Eine außer Kraft getretene Veränderungssperre kann die Gemeinde ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen.

  • Der Erlass einer neuen Veränderungssperre:

    Beschließt eine Gemeinde, nachdem das Oberverwaltungsgericht ihren Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, für denselben Planbereich erneut die Aufstellung eines (veränderten) Bebauungsplans, kann sie gemäß § 14 Abs. 1 BauGB zur Sicherung der neuen Planung auch eine neue Veränderungssperre beschließen. Denn: Eine andere als die bisherige Planung (d.h. andere Planungsziele) darf durch eine neue Veränderungssperre gesichert werden. Einen zeitlichen Abstand zur ursprünglichen Veränderungssperre verlangt das Gesetz hierfür nicht (BVerwG 29.03.2007 - 4 BN 11/07).

    Aber nach der Entscheidung VGH Bayern 24.11.2008 - 1 N 140/08 erfordert der Begriff der "anderen Planung" eine rechtswirksame andere Planung, sodass es bei der Aufhebung des Bebauungsplans im Normenkontrollverfahren keine rechtswirksame vorherige Planung gegeben habe. Insofern kann in diesen Fällen mit der vorherigen Planung eine neue Veränderungssperre erlassen werden.

    Vorteil einer neuen Veränderungssperre ist, dass frühere Veränderungssperren nicht angerechnet werden.

Wird das der Veränderungssperre zugrunde liegende Planungskonzept durch die Gemeinde ohne den Eintritt einer Änderung der Sach- und Rechtslage aufgegeben, so wird die (rechtmäßige) Veränderungssperre mit ex-nunc-Wirkung unwirksam. Nach dem Beschluss BVerwG 31.05.2005 - 4 BN 25/05 ist eine ex-tunc-Unwirksamkeit nur möglich, wenn die Voraussetzungen der Veränderungssperre bereits bei ihrem Erlass nicht vorlagen.

Dauert die Veränderungssperre länger als vier Jahre über den Zeitpunkt ihres Beginns oder der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB hinaus, ist den Betroffenen gemäß § 18 BauGB für dadurch entstandene Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.

Nach dem Urteil BGH 03.03.2005 - III ZR 186/04 besteht ein Amtshaftungsanspruch, wenn die Bediensteten einer kreisfreien Stadt den Inhaber einer Baugenehmigung für ein in einem potenziellen Planungsgebiet gelegenes Grundstück nicht auf den drohenden Eintritt einer Veränderungssperre hingewiesen haben.

 Siehe auch 

Bauleitplanung

Baunutzungsverordnung

Bauordnungsrecht

Bauplanungsrecht

Bebauungsplan

Bebauungsplan - qualifizierter

Flächennutzungsplan

Nutzungsänderung

BVerwG 29.03.2007 - 4 BN 11/07 (erneute Veränderungssperre)

BVerwG 19.02.2004 - 4 CN 16/03 (Veränderungssperre zur Sicherung der Bauleitplanung für Windenergieanlagen)

BVerwG 05.12.1988 - 4 B 182/88

BGH 23.09.1993 - III ZR 54/92

BGH 24.10.1991- III ZR 96/90

Graf: Freistellungen von den Wirkungen einer Veränderungssperre analog § 14 Abs. 4 BauGB; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2004, 1435

Spieler: Veränderungssperre und Zurückstellung von Bauvorhaben nach rechtskräftiger Verurteilung zur Erteilung der Baugenehmigung; Baurecht - BauR 2008, 1397

Spindler: Die Verpflichtung zur Aufhebung einer Veränderungssperre nach § 17 Abs.4 BauGB und ihre Durchsetzung im Prozess; Die öffentliche Verwaltung - DÖV 2010, 217